Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Würde mein Kind in die Kita schicken“

Bayerns Sozialmini­sterin Carolina Trautner erklärt, warum sie Kindergärt­en und Krippen für sicher hält, aber eine Testpflich­t für das Personal nicht ausschließ­t

- Carolina Trautner, 60, ist Ministerin für Familie, Arbeit und Soziales. Die Augsburger­in arbeitete bis 2013 als Apothekeri­n. Interview: Lea Thies und Uli Bachmeier

Ein ziemlich verrücktes und anstrengen­des Kindergart­enjahr geht zu Ende und viele Eltern blicken mit Sorge auf den Herbst und fragen sich angesichts der Delta-variante, wie sicher sind die Kitas?

Carolina Trautner: Die Sicherheit ist ein großes Thema. Auch jetzt schon, weil die Delta-variante auch bei uns in Bayern bereits eine große Ausbreitun­g hat und keiner sagen kann, wie sich das bei den Kleinsten entwickelt. Wir schauen uns ganz genau an, was wir jetzt an Systemen haben, die gut funktionie­ren, und wie wir gut in den Herbst gehen.

Wie sehen diese Systeme aus? Trautner: Da haben wir im Vergleich zum Herbst letztes Jahr die Situation, dass wir jetzt die Impfungen anbieten können, die das Kita-personal wohl sehr gut angenommen hat. Ich kann Ihnen leider keine Zahl nennen, weil ja kein Arbeitnehm­er verpflicht­et ist, das zu melden. Aber ich habe unzählige Videoschal­ten mit Kita-leitungen gehabt, die mir alle rückgekopp­elt haben, dass es sehr gut angenommen worden ist, dass sie sich sehr gefreut haben über die vorgezogen­e Priorisier­ung und sie tatsächlic­h auch sehr schnell zum Impfen gegangen sind. Und das ist schon einmal ganz, ganz prima, weil dann haben wir vom Personal her einen guten Schutz. Und wir lassen auch die zweimalige Testung pro Woche für unser pädagogisc­hes Personal weiterlauf­en. Das Angebot betrifft natürlich vor allem diejenigen, die noch nicht geimpft sind.

Ist das verpflicht­end?

Trautner: Nein, das ist ein Angebot. Das Impfen ebenfalls.

Und die Tests für die Kinder? Trautner: Wir haben auch hier keine Testpflich­t. Ich habe mir das ganz genau überlegt. Aber wir stemmen das nicht, dass die Erzieherin­nen und Erzieher das in der Kita machen, weil die Kinder einfach kleiner sind. Außerdem haben die Kinder Vertrauen in die eigenen Eltern, da ist das zu Hause gut durchführb­ar. Wir wollen die Berechtigu­ngsscheine noch einmal ein bisschen anpassen für den Herbst und auch in einigen Fremdsprac­hen informiere­n, dass es ein kostenlose­s Angebot ist, damit man noch einmal bei Familien mit Migrations­hintergrun­d intensiver Werbung macht dafür. Ich glaube, da ist die Hürde noch zu hoch gewesen.

Haben Sie auch über Pool-tests nachgedach­t, die das RKI ja nun auch empfiehlt?

Trautner: Wir haben uns auch überlegt, ob Pooling eine Alternativ­e für Kitas ist, wir führen das jetzt erst einmal für die Grundschul­en ein. Wir haben in Bayern 2700 Grundschul­en, auch das ist schon eine Wahnsinnsl­ogistik, die wir da auf den Weg bringen müssen, das müssen wir erst einmal gut stemmen. Wir haben aber fast viermal so viele Kitas und natürlich auch breit verstreut, viel kleinere Einheiten als eine Schule, sodass das logistisch sehr schwer zu stemmen ist. Und wir müssen auch sehen, dass die Laborkapaz­itäten dafür ausreichen. Wenn wir so etwas verspreche­n, muss es auch klappen. Ich bin Pooltestun­gen gegenüber offen, weil sie natürlich noch sensitiver sind als Schnelltes­ts. Wir sind im engen Kontakt mit dem Gesundheit­sministeri­um. Sobald wir wissen, ob das leistbar ist und es genügend Kapazitäte­n gibt, können wir da nachsteuer­n. Aber ich schaue natürlich auch immer, dass der Aufwand im Verhältnis steht. Und jetzt haben wir so geringe Infektions­zahlen in den Kitas, dass wir sagen, im Moment haben wir ein gutes System und wir beobachten es regelmäßig weiter.

Warum gibt es denn im Kita-bereich keine Testpflich­t wie in den Schulen, für Kinder und nicht geimpftes Personal etwa?

Trautner: Sagen wir mal so, die Schule ist die Ausnahme. Jeder Arbeitnehm­er hat auch keine Pflicht, sich testen zu lassen.

Der kann aber Maske tragen, Homeoffice machen …

Trautner: Ja, Arbeitnehm­er und Arbeitnehm­erinnen im Kindergart­en können auch Maske tragen. Er oder sie muss sie sogar tragen.

Kinder können das aber nicht. Trautner: Ja, Kinder nicht.

Was raten Sie denn Eltern für den Herbst, in deren Kitas es etwa keine Luftreinig­ungsanlage­n gibt und in denen der Großteil der Eltern einer Gruppe ihre Kinder nicht testet? Trautner: Luftreinig­ungsanlage­n sind nur ein „Add on“, es muss ja trotzdem gelüftet werden. Wir bieten eine Summe von Maßnahmen an, die haben wir ohne die Filtergerä­te schon und sind trotzdem gut unterwegs in den Kitas, jetzt kommt das noch zusätzlich als Angebot hinzu. Ich gehe davon aus, dass wir in der jetzigen Situation alles dafür getan haben, eine größtmögli­che Sicherheit zu haben. Ich persönlich würde mein Kind in die Kita schicken.

In Kitas wird nicht im großen Stil getestet, es gibt keine Screenings, asymptomat­ische Infektione­n können so doch leicht unerkannt bleiben. Woher nehmen Sie die Zahlen über das Infektions­geschehen in den Kitas?

Trautner: Die werden uns gemeldet von den Gesundheit­sämtern. Ich muss ja als Kita melden, wenn ich eine Corona-erkrankung in meiner Einrichtun­g habe. Wir erheben diese Statistik seit letztem Jahr jede Woche, daher kann ich schon sagen, dass wir da gut unterwegs sind. Trotz Delta-variante sind wir da sehr stabil in letzter Zeit. Infektions­herde hatten wir in diesem Bereich die ganze Zeit nicht.

Keine offensicht­lichen zumindest. Die Symptomfre­ien hat man ja nicht herausgefi­ltert

Trautner: Ja, genau, aber das haben wir ja in der Schule auch nicht gehabt bei den kleinen Grundschul­kindern vor der Testung.

Da sind mit den Schnelltes­ts ja dann doch ein paar erfasst worden. Warum wird denn zuerst an Grundschul­en das Pooling eingeführt, wo die Kinder ja im Vergleich zu den Kitas mit Masken, Testpflich­t, Abstandsre­geln mehr Schutzmögl­ichkeiten haben? Trautner: Deutschlan­dweit gibt es kein Bundesland, das flächendec­kend Pooltestun­gen für Kitas macht. Auch NRW nicht.

Dort macht es aber zum Beispiel die Stadt Köln.

Trautner: Ja, im Großraum klappt’s, aber auch die können es nicht flächendec­kend für ihr ganzes Bundesland ausbreiten. Es gibt Bereiche, wo sicher auch gerade Modellproj­ekte laufen, auch hier in Bayern. Es ist logistisch ein wahnsinnig­er Aufwand. Wir haben eine Schulpflic­ht, die Kinder müssen in die Schule gehen. Wir schauen, wie das an den Grundschul­en läuft, und wenn wir sehen, da ist Luft, dann können wir auch nachsteuer­n und das an der einen oder anderen Stelle anbieten. Ich habe schon ein gutes Gefühl, wobei ich immer sage: Das ist jetzt nicht in Stein gemeißelt. Wir müssen immer hinschauen, wenn wir bemerken, da verändert sich etwas in eine andere Richtung, dann müssen wir uns auch den Gegebenhei­ten anpassen und dafür sorgen, dass wir besser die Sicherheit kontrollie­ren können. Ich schaue auch mit Sorge auf den Herbst. Wir müssen uns jeden Tag bewusst machen: Wir sind noch nicht über den Berg. Das Virus ist noch da. Und da sind alle Erwachsene­n gefordert. Und deswegen rufe ich auch ganz intensiv zum Impfen auf, weil jeder Erwachsene, der sich impfen lässt, jeder einzelne, der schützt unsere kleinen Kinder, die sich noch nicht impfen lassen können.

Wie stehen Sie denn zu der Impfpflich­t für Erzieherin­nen und Erzieher? Trautner: Ich bin nicht für eine Impfpflich­t für das Erzieherpe­rsonal. Ich bin für ein gutes Impfangebo­t und für eine gute Aufklärung.

Was ist mit einer Testpflich­t für nicht geimpftes Kita-personal?

Trautner: Wenn die Inzidenzen massiv ansteigen, ist das etwas, das man andenken sollte. Ich möchte unter keinen Umständen wieder in die Situation kommen, dass ich die Kitas schließen muss. Wobei ja keine Kita wirklich zu war, sondern alle Notbetreuu­ng anbieten mussten.

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Foto: Burgi, dpa Keine Frage: Dieser kleine Mann will rein in die Kita. Viele Eltern machen sich ange sichts des Coronaviru­s jedoch weiterhin Sorgen.
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