Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Würde mein Kind in die Kita schicken“
Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner erklärt, warum sie Kindergärten und Krippen für sicher hält, aber eine Testpflicht für das Personal nicht ausschließt
Ein ziemlich verrücktes und anstrengendes Kindergartenjahr geht zu Ende und viele Eltern blicken mit Sorge auf den Herbst und fragen sich angesichts der Delta-variante, wie sicher sind die Kitas?
Carolina Trautner: Die Sicherheit ist ein großes Thema. Auch jetzt schon, weil die Delta-variante auch bei uns in Bayern bereits eine große Ausbreitung hat und keiner sagen kann, wie sich das bei den Kleinsten entwickelt. Wir schauen uns ganz genau an, was wir jetzt an Systemen haben, die gut funktionieren, und wie wir gut in den Herbst gehen.
Wie sehen diese Systeme aus? Trautner: Da haben wir im Vergleich zum Herbst letztes Jahr die Situation, dass wir jetzt die Impfungen anbieten können, die das Kita-personal wohl sehr gut angenommen hat. Ich kann Ihnen leider keine Zahl nennen, weil ja kein Arbeitnehmer verpflichtet ist, das zu melden. Aber ich habe unzählige Videoschalten mit Kita-leitungen gehabt, die mir alle rückgekoppelt haben, dass es sehr gut angenommen worden ist, dass sie sich sehr gefreut haben über die vorgezogene Priorisierung und sie tatsächlich auch sehr schnell zum Impfen gegangen sind. Und das ist schon einmal ganz, ganz prima, weil dann haben wir vom Personal her einen guten Schutz. Und wir lassen auch die zweimalige Testung pro Woche für unser pädagogisches Personal weiterlaufen. Das Angebot betrifft natürlich vor allem diejenigen, die noch nicht geimpft sind.
Ist das verpflichtend?
Trautner: Nein, das ist ein Angebot. Das Impfen ebenfalls.
Und die Tests für die Kinder? Trautner: Wir haben auch hier keine Testpflicht. Ich habe mir das ganz genau überlegt. Aber wir stemmen das nicht, dass die Erzieherinnen und Erzieher das in der Kita machen, weil die Kinder einfach kleiner sind. Außerdem haben die Kinder Vertrauen in die eigenen Eltern, da ist das zu Hause gut durchführbar. Wir wollen die Berechtigungsscheine noch einmal ein bisschen anpassen für den Herbst und auch in einigen Fremdsprachen informieren, dass es ein kostenloses Angebot ist, damit man noch einmal bei Familien mit Migrationshintergrund intensiver Werbung macht dafür. Ich glaube, da ist die Hürde noch zu hoch gewesen.
Haben Sie auch über Pool-tests nachgedacht, die das RKI ja nun auch empfiehlt?
Trautner: Wir haben uns auch überlegt, ob Pooling eine Alternative für Kitas ist, wir führen das jetzt erst einmal für die Grundschulen ein. Wir haben in Bayern 2700 Grundschulen, auch das ist schon eine Wahnsinnslogistik, die wir da auf den Weg bringen müssen, das müssen wir erst einmal gut stemmen. Wir haben aber fast viermal so viele Kitas und natürlich auch breit verstreut, viel kleinere Einheiten als eine Schule, sodass das logistisch sehr schwer zu stemmen ist. Und wir müssen auch sehen, dass die Laborkapazitäten dafür ausreichen. Wenn wir so etwas versprechen, muss es auch klappen. Ich bin Pooltestungen gegenüber offen, weil sie natürlich noch sensitiver sind als Schnelltests. Wir sind im engen Kontakt mit dem Gesundheitsministerium. Sobald wir wissen, ob das leistbar ist und es genügend Kapazitäten gibt, können wir da nachsteuern. Aber ich schaue natürlich auch immer, dass der Aufwand im Verhältnis steht. Und jetzt haben wir so geringe Infektionszahlen in den Kitas, dass wir sagen, im Moment haben wir ein gutes System und wir beobachten es regelmäßig weiter.
Warum gibt es denn im Kita-bereich keine Testpflicht wie in den Schulen, für Kinder und nicht geimpftes Personal etwa?
Trautner: Sagen wir mal so, die Schule ist die Ausnahme. Jeder Arbeitnehmer hat auch keine Pflicht, sich testen zu lassen.
Der kann aber Maske tragen, Homeoffice machen …
Trautner: Ja, Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Kindergarten können auch Maske tragen. Er oder sie muss sie sogar tragen.
Kinder können das aber nicht. Trautner: Ja, Kinder nicht.
Was raten Sie denn Eltern für den Herbst, in deren Kitas es etwa keine Luftreinigungsanlagen gibt und in denen der Großteil der Eltern einer Gruppe ihre Kinder nicht testet? Trautner: Luftreinigungsanlagen sind nur ein „Add on“, es muss ja trotzdem gelüftet werden. Wir bieten eine Summe von Maßnahmen an, die haben wir ohne die Filtergeräte schon und sind trotzdem gut unterwegs in den Kitas, jetzt kommt das noch zusätzlich als Angebot hinzu. Ich gehe davon aus, dass wir in der jetzigen Situation alles dafür getan haben, eine größtmögliche Sicherheit zu haben. Ich persönlich würde mein Kind in die Kita schicken.
In Kitas wird nicht im großen Stil getestet, es gibt keine Screenings, asymptomatische Infektionen können so doch leicht unerkannt bleiben. Woher nehmen Sie die Zahlen über das Infektionsgeschehen in den Kitas?
Trautner: Die werden uns gemeldet von den Gesundheitsämtern. Ich muss ja als Kita melden, wenn ich eine Corona-erkrankung in meiner Einrichtung habe. Wir erheben diese Statistik seit letztem Jahr jede Woche, daher kann ich schon sagen, dass wir da gut unterwegs sind. Trotz Delta-variante sind wir da sehr stabil in letzter Zeit. Infektionsherde hatten wir in diesem Bereich die ganze Zeit nicht.
Keine offensichtlichen zumindest. Die Symptomfreien hat man ja nicht herausgefiltert
Trautner: Ja, genau, aber das haben wir ja in der Schule auch nicht gehabt bei den kleinen Grundschulkindern vor der Testung.
Da sind mit den Schnelltests ja dann doch ein paar erfasst worden. Warum wird denn zuerst an Grundschulen das Pooling eingeführt, wo die Kinder ja im Vergleich zu den Kitas mit Masken, Testpflicht, Abstandsregeln mehr Schutzmöglichkeiten haben? Trautner: Deutschlandweit gibt es kein Bundesland, das flächendeckend Pooltestungen für Kitas macht. Auch NRW nicht.
Dort macht es aber zum Beispiel die Stadt Köln.
Trautner: Ja, im Großraum klappt’s, aber auch die können es nicht flächendeckend für ihr ganzes Bundesland ausbreiten. Es gibt Bereiche, wo sicher auch gerade Modellprojekte laufen, auch hier in Bayern. Es ist logistisch ein wahnsinniger Aufwand. Wir haben eine Schulpflicht, die Kinder müssen in die Schule gehen. Wir schauen, wie das an den Grundschulen läuft, und wenn wir sehen, da ist Luft, dann können wir auch nachsteuern und das an der einen oder anderen Stelle anbieten. Ich habe schon ein gutes Gefühl, wobei ich immer sage: Das ist jetzt nicht in Stein gemeißelt. Wir müssen immer hinschauen, wenn wir bemerken, da verändert sich etwas in eine andere Richtung, dann müssen wir uns auch den Gegebenheiten anpassen und dafür sorgen, dass wir besser die Sicherheit kontrollieren können. Ich schaue auch mit Sorge auf den Herbst. Wir müssen uns jeden Tag bewusst machen: Wir sind noch nicht über den Berg. Das Virus ist noch da. Und da sind alle Erwachsenen gefordert. Und deswegen rufe ich auch ganz intensiv zum Impfen auf, weil jeder Erwachsene, der sich impfen lässt, jeder einzelne, der schützt unsere kleinen Kinder, die sich noch nicht impfen lassen können.
Wie stehen Sie denn zu der Impfpflicht für Erzieherinnen und Erzieher? Trautner: Ich bin nicht für eine Impfpflicht für das Erzieherpersonal. Ich bin für ein gutes Impfangebot und für eine gute Aufklärung.
Was ist mit einer Testpflicht für nicht geimpftes Kita-personal?
Trautner: Wenn die Inzidenzen massiv ansteigen, ist das etwas, das man andenken sollte. Ich möchte unter keinen Umständen wieder in die Situation kommen, dass ich die Kitas schließen muss. Wobei ja keine Kita wirklich zu war, sondern alle Notbetreuung anbieten mussten.