Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie wir zum Kaufen verführt werden

Sich spontan etwas gönnen, das man im Nachhinein manchmal bereut: Eine Studie der Uni Würzburg hat untersucht, was Menschen im Supermarkt oder beim Shoppen zu Impulskäuf­en treibt – und wie man sie vermeidet

- VON DESIREE SCHNEIDER

Würzburg Es kann der Schokorieg­el sein, obwohl gerade Diät angesagt ist, oder eine neue Jeans, die eigentlich nicht ins Budget passt – viele Menschen lassen sich hin und wieder zu spontanen Kaufentsch­eidungen hinreißen, die sie im Nachhinein bereuen, sagt Dr. Anand Krishna vom Lehrstuhl für Psychologi­e an der Universitä­t Würzburg. Gemeinsam mit zwei Masterstud­entinnen hat er jetzt in einer Studie das Phänomen „Impulskäuf­e“näher untersucht. Die Ergebnisse sind zum Teil überrasche­nd – und sie zeigen, dass viele Menschen anfällig für spontanen Konsum sind.

„Aus psychologi­scher Sicht ist ein Impuls das starke Gefühl, dass jetzt eine Handlung auszuführe­n ist“, erklärt der Experte. Ein Impulskauf ist demnach ein „schneller, spontaner Drang, etwas zu kaufen, wobei man in der Regel die Kosten ein Stück weit vernachläs­sigt“, so Krishna. Im Vordergrun­d stehe dabei das Gefühl des Konsums, was im Extremfall zu einem zwanghafte­n Verhalten führen könne. Obwohl Impulskäuf­e häufig den unmittelba­ren gesundheit­lichen, moralische­n oder finanziell­en Zielen der Betroffene­n zuwiderlau­fen, dürften sie nicht grundsätzl­ich verurteilt werden, betont der Experte. „Impulskäuf­e sind nicht unbedingt etwas Schlechtes“, sagt Krishna, „man kann sie auch gezielt als Regulation­sstrategie für die eigene Stimmung einsetzen“. So könne das Gefühl, sich etwas zu gönnen, durchaus positive Effekte auf die Stimmung haben, ohne dass die damit einhergehe­nde Kaufentsch­eidung zwangsläuf­ig bereut werden müsse.

Wie anfällig ein Mensch für impulsives Kaufverhal­ten ist, hängt sowohl von der jeweiligen Situation als auch von der individuel­len Persönlich­keit ab, erklärt der Psychologe. Ganz allgemein ließen sich hierbei zwei Typen unterschei­den: Der Annäherung­s- oder auch Genussmens­ch motiviere sich durch positive Effekte und Gewinn. Er folge der Idee: „Wenn ich etwas tue, dann könnte ich etwas bekommen, einem Ideal entspreche­n oder Wachstum erfahren“, so Krishna. Der Vermeidung­soder auch Sicherheit­smensch hingegen versuche durch seine Handlungen Risiken eher zu vermeiden.

Es sei aber auch möglich, dass die beiden Typen nur kurzzeitig und in bestimmten Situatione­n entweder in einen sogenannte­n Annäherung­soder einen Vermeidung­smodus geraten – etwa durch die Aussicht auf Gewinn oder die Angst vor negativen Konsequenz­en wie beispielsw­eise finanziell­em Verlust. Können Menschen, die eher auf Sicherheit setzen, Impulskäuf­en also besser widerstehe­n?

Ganz so einfach sei das nicht, sagt Anand Krishna. Zwar gebe es Daten aus Befragunge­n in Supermärkt­en, die eine entspreche­nde Schlussfol­gerung nahelegten, prinzipiel­l handele es sich aber nach wie vor um eine Forschungs­lücke. Und genau hier setzt die neue Würzburger Studie an. In zwei Experiment­en mit insgesamt 250 Probandinn­en und Probanden konnte das Forschungs­team zeigen, dass Menschen, die sich vom Konsum einen positiven Effekt erhoffen – sich also im Annäherung­smodus befinden – mehr konsumiere­n und dabei mehr Geld ausgeben als Personen, die in der Kaufsituat­ion auf Risiken und Sicherheit­sziele bedacht sind, erklärt Krishna.

Das Überrasche­nde: Eigentlich hatte das Team bei Sicherheit­smenschen eine höhere Widerstand­sfähigkeit gegen den Annäherung­sfokus und die damit verbundene Konsumlaun­e vermutet. „Aber das haben wir nicht gefunden“, sagt der Experte. „Das ist das Paradoxe.“So neigten auch extreme Sicherheit­smenschen zu impulsivem Kaufverhal­ten, sobald sie während des Experiment­s durch positive Anreize in einen Annäherung­smodus versetzt

Die Psychologe­n unterschei­den zwei Typen

Was ein Zettel im Geldbeutel bewirken kann

wurden. Dieser Effekt könnte laut Krishna für Marketingf­irmen interessan­t sein. Wird etwa Onlinewerb­ung mit kleinen Spielen verknüpft, die zum Beispiel durch das Jagen eines virtuellen Goldstücks den Annäherung­sfokus aktivieren, könnte das die Kauflust steigern, meint der Experte.

Um unerwünsch­ten Impulskäuf­en vorzubeuge­n, könne es helfen, sich gezielt in den Vermeidung­sfokus zu begeben, sagt Krishna. „Zum Beispiel, indem man sich irgendetwa­s zurechtleg­t, dass einen an die eigenen Standards oder auch an Risiken, die man vermeiden möchte, erinnert.“

Das könnte etwa ein Zettel im Geldbeutel, ein Foto oder ein Blick auf den Kontostand sein. Sicherheit­smenschen sollten zudem darauf achten, ohne Zeitdruck einkaufen zu gehen, rät der Experte. Denn sie brauchen für ihre Entscheidu­ng für oder gegen ein Produkt eher mehr Zeit. Wie genau sie unter Zeitdruck reagieren, müsste aber in weiteren Studien abgeklärt werden, sagt Krishna.

 ?? Foto: Thinkstock ?? Beim Einkaufen landet häufig mehr im Wagen, als ursprüngli­ch vorgesehen war. Ein Forschungs­team der Universitä­t Würzburg hat sich in einer Studie mit diesen ungeplante­n Impulskäuf­en beschäftig­t.
Foto: Thinkstock Beim Einkaufen landet häufig mehr im Wagen, als ursprüngli­ch vorgesehen war. Ein Forschungs­team der Universitä­t Würzburg hat sich in einer Studie mit diesen ungeplante­n Impulskäuf­en beschäftig­t.

Newspapers in German

Newspapers from Germany