Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Die Luft muss raus
Freie Theater mit einer Kurzperformance
Was ist da los? Auf der Wiese im Fronhof kniet eine Frau in Orange (Daniela Nering) in einer aufgeblasenen Kugel aus durchsichtigem Kunststoff. Während Passanten große Augen machen, verfolgen etwa 30 Menschen auf ihren Kissen und Decken, wie die Orangene in ihrem Ballon zum Leben erwacht.
Dort drinnen scheint es kuschelig zu sein. Durch ihre Ballonhülle schaut sie euphorisch auf die Welt draußen, malt sich mit Lippenstift ein Fenster samt Augsburg-blume auf die Hülle. Doch die Sicherheit bröckelt, mit dem ersten Rollen der Kugel wird die Hülle zur Hölle. Die Frau stolpert, ihre Miene entsetzt. Von rechts nähert sich eine gelbe (Lucia Reng), von links eine blaue Frau (Kristina Altenhöfer). Doch die Grenze bleibt, Berührung ist unmöglich, Trost auch. Schließlich öffnen sie den Reißverschluss des Ballons. Die Luft ist raus, die Frau frei. 20 Minuten kann man dort drin atmen und überleben, wie Dramaturgin Gianna Formicone nach der Theaterperformance erklärt.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Wiese Trommelwirbel. Vor der historischen Längswand des Bischofspalastes, wo 1530 die Confessio Augustana verlesen wurde, steht ein Schlagzeug. Die Augsburger Jazz-legende Walter Bittner begleitet die Performance, das Spiel der Frauen in Soccer Balls. Während der Sound dramatisch gurgelt, steigen die Blaue und die Gelbe in riesige durchsichtige Bälle und versuchen, sich durch Hüpfen und Rennen anzunähern. Ihr Kugeln auf der Wiese bringt die Kinder im Publikum zum Lachen, doch die Botschaft ist hart. Auf Abstand gehalten bleibt der Mensch allein. Solidarisches, kreatives oder gewinnbringendes Handeln, das Wirtschaft, Kultur und Gesellschaft in Gang hält, ist – eingepackt in so eine Gummikugel – nicht möglich.
Das Stück, das das Bluespots Ensemble, Junges Theater, Theter Ensemble nach einem Konzept von Gianna Formicone, Susanne Reng, Lisa Bühler und Miriam Artmann auf die Wiesenbühne gebracht haben, verarbeitet die Erfahrungen der letzten 15 Monate: Nach draußen schauen, aber drinbleiben müssen, Menschen sehen, aber nicht berühren dürfen. Ein überzeugender, nachdenklicher Intensivbeitrag zum Motto des Friedensfest-programms „Fürsorge“.