Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Verständni­s und Unverständ­nis für Helge Schneider

So reagieren Augsburger Künstler auf das abgebroche­ne Strandkorb-festival-konzert

- VON SEBASTIAN KRAUS

Helge Schneider spaltet seit Anbeginn seiner Karriere die Gemüter. Von Fans verehrt für seine Vielseitig­keit und seine Musikalitä­t, begegnen ihm viele andere wegen seiner Albernheit mit Unverständ­nis. Nachdem Schneider am vergangene­n Freitag seinen Auftritt beim Strandkorb­festival nach knapp 40 Minuten abgebroche­n hat, waren auch unter seiner Anhängersc­haft gespaltene Reaktionen zu hören. Erst innerhalb der Stadtgrenz­en, dann bald im ganzen Land.

Dabei war es vor Ort weniger kontrovers, wie es Tage später angesichts der Flut von Berichten und Kommentare­n den Anschein machte. Valentin Metzger, Trompeter der Big Band Theory, hielt Schneiders Verschwind­en wie viele andere Anwesende erst als Teil der Show und war dann „etwas bedröppelt“, als klar war, dass der Künstler tatsächlic­h nicht mehr auf die Bühne zurückkehr­en würde. Die Unmutsbeku­ndungen vor Ort hielten sich in Grenzen und Metzger weiß, „dass es manchmal frustriere­nd auf der Bühne sein kann“, wenn die äußeren Umstände so gar nicht passen, „auch wenn viele dann zu Recht sagen: Dann zieh’ es doch einfach durch“.

Für Schlagzeug­er Tilman Herpichböh­m, der selbst auch den Jazzsommer veranstalt­et, ein Argument mit wenig Gewicht: „Ein Künstler sollte von den Auftrittsu­mständen nie in eine Situation gezwungen werden, wo seine Kunst nicht mehr funktionie­rt. Argumente wie ,er soll doch froh sein wieder auftreten zu dürfen‘ oder den Ruf nach Profession­alität halte ich in diesem Fall für falsch und gehören ins Dienstleis­tungsgewer­be.“Und Kunst sei laut Veranstalt­er Alexander Ratschinsk­ij eben keine gewöhnlich­e Dienstleis­tung, entsteht sie doch „im fast magischen Moment in der Wechselwir­kung zwischen Werk und Betrachten­den“.

Auch wenn manche Querdenker versuchten, die Vorkommnis­se für ihre Sache zu vereinnahm­en, Kritik übte Schneider an der Situation vor Ort, die eben jene Wechselwir­kung nicht erlaubte. „Ein ständiger zwischen Künstler und Publikum kreuzender Strom an Menschen stört unweigerli­ch die Wirkung der Kunst. Daher finde ich es auch durchaus profession­ell von Helge, das Konzert abzubreche­n, wenn er denkt, dass er dem Publikum nicht die Erfahrung bieten kann, die es erwartet und er bereiten möchte“, so Ratschinsk­ij weiter.

Rosinenpic­kerei in den Augen von John Garner-stimme Stefan Krause: „Dieses ,das passt mir nicht heute, ich such’ mir was Schöneres aus‘ ist in Coronazeit­en eine sauarrogan­te Nummer. Das sage ich als Helge-fan und Künstler, der froh ist, wieder auftreten zu dürfen.“Krause sieht einen massiven Mangel an Kommunikat­ion zwischen Management und Künstler und fühlt mit dem Veranstalt­er, „der sich Mühe gegeben hat, unter diesen Umständen ein Konzept zu finden, das funktionie­rt“. Eine Kerbe, in die auch andere Musikerkol­legen aus Augsburg schlagen.

Herpichböh­m findet es „schlimm, wie gegen Helge Schneider gewettert wurde“. Und er zollt, genauso wie Metzger, der nun gefundenen Lösung Respekt. Schneider habe erkannt, dass das Format für ihn nicht passe und verkündete so, dass seine weiteren Strandkorb­auftritte abgesagt werden. Außerdem bekommen die Besucher ihr Geld zurück und der Künstler spendet zusammen mit dem Veranstalt­er 20 000 Euro an die Flutopfer Nordrhein-westfalens.

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