Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Chance zur Rückkehr auf den Campus
Viele Studierende an Hochschule und Universität hoffen fürs Wintersemester auf Präsenzlehre. Dafür zeichnen sich neue Möglichkeiten ab, ein normaler akademischer Betrieb ist aber noch nicht in Sicht
Bei vielen der über 26.000 Augsburger Studenten und Studentinnen liegen die Nerven blank. Wegen der Pandemie sind die Hörsäle seit mittlerweile drei Semestern weitestgehend geschlossen – stattdessen ist Online-lehre daheim angesagt. Nun werden die Stimmen immer lauter, die ab Herbst eine Rückkehr auf den Campus einfordern. Die Chancen auf Präsenzlehre steigen mit einer neuen Entscheidung in München. Experten rechnen aber noch nicht mit einem normalen Studienbetrieb im kommenden Wintersemester.
Nicht nur Uniprofessor Thomas Krüger macht die schwierige Lage der Studierenden große Sorgen. Zwar habe die Online-lehre im Prinzip gut funktioniert, sagt er, „aber nach drei Corona-semestern kann man es nicht länger vertreten, dass es so weitergeht“. Inzwischen hätten psychosoziale Kollateralschäden für etliche Studierende ein dramatisches Ausmaß angenommen. Eine Rückkehr zur Präsenzlehre sei dringend erforderlich. Als Vorstandsmitglied des Verbandes Hochschule und Wissenschaft im Bayerischen Beamtenbund hatte er deshalb einen Brandbrief an Wissenschaftsminister Bernd Sibler mit initiiert.
Auch der Augsburger Hochschulvizepräsident László Kovács stellt nach drei Corona-semestern fest: „Die Folgen der bisherigen Einschränkungen zeigen sich bei vielen Studierenden negativ im Studienerfolg, denn nicht alle kommen mit der Fernlehre gut klar.“Studentenvertreter der Uni hatten zuletzt eine konzertierte Impfaktion eingefordert, um möglichst schnell wieder zum normalen Campusleben zurückkehren zu können. Derzeit läuft eine Umfrage an der Universität, um herauszufinden, wie viele Studierende bereits einen Impfschutz haben.
Für die Rückkehr auf den Campus gab es bislang hohe Hürden. Kopfzerbrechen bereitete den Planern an den Augsburger Hochschulen vor allem die 1,5-Meter-abstandsregel. Viele Räume sind zu klein, um mit dieser Vorgabe genügend Studenten und Studentinnen in der Präsenzlehre unterzubringen.
Der Bayerische Ministerrat hat nun eine wichtige Lockerung beschlossen: An den Hochschulen sollen ab sofort Präsenzveranstaltungen auch dann möglich sein, wenn der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht durchgängig eingehalten werden kann. Allerdings gilt dies nur bei einer Sieben-tage-inzidenz von nicht mehr als 100. Ansonsten bleibt es bei bestehenden Vorgaben, etwa der Ffp2-maskenpflicht. Wissenschaftsminister Sibler sieht mit der neuen Regelung mehr Perspektive und Planungssicherheit für ein Studium vor Ort. „Das war mir ein wichtiges Anliegen, um die entsprechenden Vorbereitungen für den Herbst zu unterstützen und wieder mehr Präsenz zu ermöglichen.“
Aus Sicht des Ministers soll die Präsenzlehre an den bayerischen Hochschulen ab Herbst wieder der Regelfall sein. Online-lehrveranstaltungen sollen das Angebot auf dem Campus ergänzen. An der Uni Augsburg fällt die Prognose skeptischer aus. Pressesprecherin Manuela Rutsatz sagt, „aus unserer Sicht wird das kommende Wintersemester ein Übergangssemester zurück zur Präsenzuniversität“. Fortschritte der Impfkampagne sowie die breite Verfügbarkeit von Antigenund Pcr-tests sollen zwar Spielräume für mehr Präsenzlehre, gemischte Formate und auch für mehr Campusleben für die rund 20.000 Studierenden ermöglichen. Aktuell wird an der Uni jedoch für die kommenden Monate eine hybride Lehre geplant – je nach Fach mit unterschiedlichen Anteilen vor Ort und online. Weitere Ausweitungen in der Präsenzlehre könnten nur dann angeboten werden, wenn sich die politischen Vorgaben für den Umgang mit der Pandemie ändern und die entsprechende rechtliche Grundlage dafür bei den Hochschulen vorliege, so Rutsatz. Eine der ungeklärten Frage ist aus Sicht der Uni, wie mit der Nachweispflicht für Geimpfte, Getestete und Genesene konkret umgegangen werden soll. Beispielsweise geht es darum, ob Stichprobenprüfungen erlaubt werden. Ein Check bei allen Studierenden in jeder Veranstaltung wird nach Einschätzung von Dozenten kaum machbar sein.
Wie soll es an der Hochschule für angewandte Wissenschaften laufen? „Den Beschluss des Bayerischen Ministerrats zum Studienbetrieb an den Hochschulen begrüßen wir sehr“, sagt Vizepräsident Kovács. Die neue Abstandsregelung biete den nötigen räumlichen Spielraum für Präsenzlehre im Wintersemester.
Auch die Hochschule will in der Lehre auf eine Mischung verschiedener Formate setzen. Insgesamt soll aber der Campus für die meisten Lehrveranstaltungen Platz bieten. Geplant seien kreative Lösungen für die erhöhte Sicherheit im Studienbetrieb, etwa Seminare in festen Teilgruppen mit wöchentlichem Wechsel oder feste Kleingruppen in Laborpraktika. In einigen bewährten Fällen soll es weiterhin auch online Vorlesungen geben, aber sie sollen nicht in der Überzahl sein. Kovács sagt: „Es sollte sich für alle Studierenden auch wieder lohnen, in und um Augsburg zu wohnen.“
Einen großen Unterschied zu den vergangenen Monaten soll es auch außerhalb der Lehrveranstaltungen geben. Die Hochschule werde nicht nur ein Ort für Lehrveranstaltungen, sondern auch ein Ort der Begegnung und des Miteinanders sein, verspricht der Vizepräsident.
Allerdings dürften die Pläne nur zu realisieren sein, wenn die Inzidenz nicht zu sehr in die Höhe schießt und die Impfkampagne Fortschritte macht. Kovács geht von einer hohen Impfbereitschaft bei den 6700 Studierenden der Hochschule aus. Er betont, dass alle Studenten und Studentinnen, die eine Campuskarte der Hochschule besitzen, ab sofort einen Termin im Impfzentrum Augsburg bekommen könnten.