Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
„Ich wünsche, dass du niemals Frieden findest“
Im Mordprozess gegen Fabienne K. sagt die Freundin des getöteten Stefan D. als Zeugin aus und wird im Gerichtssaal emotional. Und es geht um eine aus Klopapier gebastelte Krippe
Vor diesem Prozesstag hatte es der Freundin des getöteten Stefan D. gegraut. Schon vor dem Gerichtssaal kommen ihr die Tränen. Die 27-jährige Augsburgerin muss am Donnerstag vor der Jugendkammer des Landgerichts erzählen, was für ein Mensch ihr Partner, Freunde nannten ihn „Dorschi“, war. Nicht nur sie erscheint vor der Verhandlung aufgewühlt. Auch die angeklagte Fabienne K., die aufgrund psychischer Erkrankungen Medikamente nehmen muss, ist sehr angespannt.
Die 20-Jährige, die beschuldigt wird, Stefan D. im November an einer Bushaltestelle in Pfersee erstochen zu haben, erhält im Gerichtssaal das Beruhigungsmittel Tavor. Es dauert, bis Fabienne K. die Tablette aus der Verpackung bekommt, so zittern ihre Hände. Dieser Verhandlungstag gewährt einen Einblick in das Seelenleben zweier Frauen. Die eine, die ihren Partner durch Gewalt verloren hat. Die andere, die des Mordes beschuldigt wird.
„Stefan war warmherzig, ein liebevoller und ein witziger Mensch. Er war empathisch, merkte es an der Stimme, wenn es einem nicht gut ging“, beschreibt die Lebensgefährtin das Opfer. „Wir hatten eine super Zeit zusammen, leider war sie viel zu kurz.“Sie muss sich sammeln, erinnert sich an jenen Morgen, an dem sie ihren Freund das letzte Mal sah, ohne es zu wissen. „Er machte mir einen Smoothie, sagte ‘bis heute Abend’.“Gegen Abend habe sie einen Anruf vom Einsatzort erhalten, Stefan D. würde nicht gut aussehen, ein Krankenwagen sei da. „Drei Stunden später musste ich auf Facebook lesen, dass ein 28-Jähriger in Pfersee ums Leben gekommen ist“, sagt sie bitter.
Gegenüber dem Vorsitzenden Richter Lenart Hoesch bestätigt die 27-Jährige, dass Stefan D. ein Suchtproblem hatte. Dass ihr Freund bei der Begegnung mit Fabienne K. und deren Freund an der Haltestelle einem der beiden ans Gesäß gelangt haben könnte – das soll einigen Aussagen zufolge Grund für die Auseinandersetzung gewesen sein – schließt die Zeugin nicht aus. „Wenn er jemanden an den Hintern gelangt hatte, dann aus Spaß.“
Ein etwas anderes Bild von Stefan D. zeichnet ein Rauschgiftsachbearbeiter der Polizei als Zeuge. Er kannte Stefan D. aus der Drogenszene am Oberhauser Bahnhof. Dort sei dieser in vergangenen Jahren mehrfach im hilflosen Zustand aufgefunden worden. Gegenüber der Polizei soll er sich bei Kontrollen aggressiv verhalten haben. Erst 2020 sei D. dort nicht mehr häufig zu sehen gewesen sein. Die Freundin des Getöteten betont, dass „Dorschi“auf einem guten Weg gewesen sei, seine abgebrochene Therapie fortsetzen wollte. Während ihrer Aussage sieht die Lebensgefährtin immer wieder zur Angeklagten, scheint sie regelrecht zu fixieren. Sie wolle Fabienne K. noch etwas sagen, kündigt sie an.
„Ich wünsche keinem Menschen auf der Welt etwas Böses.“Ihre Stimme wird lauter. „Aber dir wünsche ich, dass du niemals Frieden findest.“Was sie der Angeklagten noch sagt, geht im Tumult unter. Die Verteidiger der Angeklagten, Werner Ruisinger und Florian Schraml, werden laut, verbitten sich die Beleidigungen. Richter Hoesch grätscht dazwischen. Fabienne K. schaut auf den Boden, scheint im Stuhl kleiner zu werden.
Eine Polizistin schildert vor Gericht, wie sie die damals 19-Jährige nach der Tat im Polizeiarrest erlebte. Fabienne K. sei fix und fertig gewesen. „Das wollte ich doch nicht“, habe sie gerufen und „so will ich nicht leben“. K. habe die ganze Nacht ununterbrochen nach der Beamtin geläutet. „Einmal wollte sie ein Kuscheltier, dann ein Radio oder einen Fernseher. Sie hat unheimlich viel geweint.“Man ließ einen Arzt kommen, der die Haftfähigkeit prüfte und grünes Licht gab. Das Klingeln ging weiter.
Einmal habe Fabienne K. der Polizistin eine Krippe gezeigt, die sie aus Klopapier gebastelt hatte. „Die war schön gemacht“, erinnert sich die Zeugin. Dann ertönte wieder die Klingel, weil der Papier-josef aus der Krippe im Tee ertrunken sei, wenig später habe Fabienne K. erneut nach ihr geläutet, der Josef sei auferstanden. „Es war eine schlimme Nacht“, so die Polizistin. Sie habe Angst gehabt, die junge Frau tue sich was an. In der Situation mit der Krippe habe Fabienne K. zu ihr gesagt: „Hoffentlich verzeiht er mir.“Richter Hoesch fragt die Angeklagte, ob sie mit „er“Gott meinte oder den Verstorbenen. Die 20-Jährige sagt leise: „Der Verstorbene war gemeint.“
Der Prozess wird in rund zwei Wochen fortgesetzt.