Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Wird das Leben auf Dauer teurer?
Inflation Im Juli sind die Preise im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, zeitweise könnten sie bis zu 5 Prozent nach oben klettern. Die Löhne halten mit dieser Entwicklung nicht Schritt
Frankfurt Der Sprit an der Tankstelle, das Heizen, die Lebensmittel im Supermarkt – viele Preise haben in den letzten Monaten stark zugelegt. Im Juli betrug die Inflationsrate 3,8 Prozent – so viel wie seit 1993 nicht mehr. Zeitweise könnte die Inflation heuer nochmals deutlich zulegen – zum Beispiel auf „über vier Prozent“, wie das Ifo-institut schätzt. Bundesbank-chef Jens Weidmann hält kurzzeitig Raten in Richtung von fünf Prozent für möglich. Erste Ökonomen warnen nun, dass längere Zeit mit einer höheren Inflation zu rechnen ist.
Dass die Preise derzeit stark steigen, hat mehrere Gründe: die wieder angehobene Mehrwertsteuer, die Co2-abgabe, der höhere Ölpreis. „Auch die von der Pandemie besonders stark betroffenen Dienstleistungsbranchen wie Gastronomie, Hotellerie oder auch Friseure verlangen höhere Preise, um Versäumtes nachzuholen“, sagte Christoph Swonke von der DZ Bank. Bisher gehen die meisten Fachleute davon aus, dass sich die Geldentwertung bald normalisiert und nächstes Jahr nur noch bei rund zwei Prozent liegen wird – dem Zielwert der EZB. Stefan Schneider, Chefvolkswirt der Deutschen Bank für Deutschland, ist nicht so optimistisch. „Die Inflationsrisiken in Deutschland sollten nicht länger unbeachtet bleiben“, warnt er. „Unseres Erachtens ist das Risiko, dass die Inflation dauerhaft überschießt und auf längere Sicht deutlich über dem jetzigen Zielwert liegt, hoch genug, um die Alarmglocke zu läuten.“
Grund sei, dass die Regierungen seit der Corona-krise ausgabefreudig sind und die Notenbanken gleichzeitig viel Geld in die Märkte pumpen. Genauso sieht es Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank: „Es gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf“, warnt er.
Die Frage ist, ob die höheren Inflationsraten dazu führen, dass auch die Löhne zulegen. Was für Beschäftigte erst einmal positiv ist, könnte für die Wirtschaft zum Problem werden. Es kann dann eine Spirale aus steigenden Löhnen und immer weiter steigenden Preisen in Gang gesetzt werden. Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung sieht diese Gefahr noch nicht: „Da der aktuelle Inflationsschub ein vorübergehendes Phänomen ist, vorhersehbar war und die niedrige Inflation aus 2020 ausgleicht, würde ich davon ausgehen, dass die Tarifparteien auf die höheren Inflationszahlen nicht reagieren“, sagt er. Andere Ökonomen sehen durchaus die Möglichkeit stärkerer Lohnerhöhungen.
In einigen Branchen stehen Tarifverhandlungen
an, gibt Deutschebank-ökonom Schneider zu bedenken. Bei hohen Inflationsraten könne es sein, dass die Gewerkschaften ihren Mitgliedern Tarifabschlüsse von beispielsweise 2,5 Prozent nicht mehr vermitteln können. „Dazu kommt die Knappheit auf dem inländischen Arbeitsmarkt“, sagt er. Wenn im Gastgewerbe Kellnerinnen und Kellner fehlen, könnten die verbliebenen mehr Gehalt fordern. Commerzbank-chefvolkswirt Krämer sieht es ähnlich: „Falls in ein paar Jahren die Arbeitslosigkeit wieder niedrig ist und Gewerkschaften und Arbeitnehmer höhere Löhne durchsetzen, steigt das Risiko, dass sich das Zuviel an Geld in einer höheren Inflation entlädt.“
Wie die Inflationszahlen die Tarifgespräche beeinflussen, erklärt die IG Bau. Die Gewerkschaft fordert aktuell 5,3 Prozent mehr Gehalt. „Wir haben die Forderung im März aufgestellt, damals war Inflation nicht so hoch“, sagt Sprecher Frank Tekkiliç. Die Forderung soll sich definitiv nicht ändern. Die IG Bau verhandelte aber über ein Gesamtpaket aus sechs Punkten, zum Beispiel geht es auch um die Wegezeit. Bisher werde der Weg zur Baustelle nicht vergütet. „Bei den Verhandlungen über das Gesamtpaket muss berücksichtigt werden, dass die Inflationsrate stark gestiegen ist“, sagt Tekkiliç. Zudem: „Sollte die Inflation nächstes Jahr höher liegen, müssen wir dies bei der Aufstellung neuer Tarifforderungen berücksichtigen.“Mehr zur Konjunktur lesen Sie auf der Wirtschaft.
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