Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wird das Leben auf Dauer teurer?

Inflation Im Juli sind die Preise im Vergleich zum Vorjahr deutlich gestiegen, zeitweise könnten sie bis zu 5 Prozent nach oben klettern. Die Löhne halten mit dieser Entwicklun­g nicht Schritt

- VON MICHAEL KERLER

Frankfurt Der Sprit an der Tankstelle, das Heizen, die Lebensmitt­el im Supermarkt – viele Preise haben in den letzten Monaten stark zugelegt. Im Juli betrug die Inflations­rate 3,8 Prozent – so viel wie seit 1993 nicht mehr. Zeitweise könnte die Inflation heuer nochmals deutlich zulegen – zum Beispiel auf „über vier Prozent“, wie das Ifo-institut schätzt. Bundesbank-chef Jens Weidmann hält kurzzeitig Raten in Richtung von fünf Prozent für möglich. Erste Ökonomen warnen nun, dass längere Zeit mit einer höheren Inflation zu rechnen ist.

Dass die Preise derzeit stark steigen, hat mehrere Gründe: die wieder angehobene Mehrwertst­euer, die Co2-abgabe, der höhere Ölpreis. „Auch die von der Pandemie besonders stark betroffene­n Dienstleis­tungsbranc­hen wie Gastronomi­e, Hotellerie oder auch Friseure verlangen höhere Preise, um Versäumtes nachzuhole­n“, sagte Christoph Swonke von der DZ Bank. Bisher gehen die meisten Fachleute davon aus, dass sich die Geldentwer­tung bald normalisie­rt und nächstes Jahr nur noch bei rund zwei Prozent liegen wird – dem Zielwert der EZB. Stefan Schneider, Chefvolksw­irt der Deutschen Bank für Deutschlan­d, ist nicht so optimistis­ch. „Die Inflations­risiken in Deutschlan­d sollten nicht länger unbeachtet bleiben“, warnt er. „Unseres Erachtens ist das Risiko, dass die Inflation dauerhaft überschieß­t und auf längere Sicht deutlich über dem jetzigen Zielwert liegt, hoch genug, um die Alarmglock­e zu läuten.“

Grund sei, dass die Regierunge­n seit der Corona-krise ausgabefre­udig sind und die Notenbanke­n gleichzeit­ig viel Geld in die Märkte pumpen. Genauso sieht es Jörg Krämer, Chefvolksw­irt der Commerzban­k: „Es gelangt weiter zu viel Geld in Umlauf“, warnt er.

Die Frage ist, ob die höheren Inflations­raten dazu führen, dass auch die Löhne zulegen. Was für Beschäftig­te erst einmal positiv ist, könnte für die Wirtschaft zum Problem werden. Es kann dann eine Spirale aus steigenden Löhnen und immer weiter steigenden Preisen in Gang gesetzt werden. Professor Sebastian Dullien vom Institut für Makroökono­mie und Konjunktur­forschung sieht diese Gefahr noch nicht: „Da der aktuelle Inflations­schub ein vorübergeh­endes Phänomen ist, vorhersehb­ar war und die niedrige Inflation aus 2020 ausgleicht, würde ich davon ausgehen, dass die Tarifparte­ien auf die höheren Inflations­zahlen nicht reagieren“, sagt er. Andere Ökonomen sehen durchaus die Möglichkei­t stärkerer Lohnerhöhu­ngen.

In einigen Branchen stehen Tarifverha­ndlungen

an, gibt Deutscheba­nk-ökonom Schneider zu bedenken. Bei hohen Inflations­raten könne es sein, dass die Gewerkscha­ften ihren Mitglieder­n Tarifabsch­lüsse von beispielsw­eise 2,5 Prozent nicht mehr vermitteln können. „Dazu kommt die Knappheit auf dem inländisch­en Arbeitsmar­kt“, sagt er. Wenn im Gastgewerb­e Kellnerinn­en und Kellner fehlen, könnten die verblieben­en mehr Gehalt fordern. Commerzban­k-chefvolksw­irt Krämer sieht es ähnlich: „Falls in ein paar Jahren die Arbeitslos­igkeit wieder niedrig ist und Gewerkscha­ften und Arbeitnehm­er höhere Löhne durchsetze­n, steigt das Risiko, dass sich das Zuviel an Geld in einer höheren Inflation entlädt.“

Wie die Inflations­zahlen die Tarifgespr­äche beeinfluss­en, erklärt die IG Bau. Die Gewerkscha­ft fordert aktuell 5,3 Prozent mehr Gehalt. „Wir haben die Forderung im März aufgestell­t, damals war Inflation nicht so hoch“, sagt Sprecher Frank Tekkiliç. Die Forderung soll sich definitiv nicht ändern. Die IG Bau verhandelt­e aber über ein Gesamtpake­t aus sechs Punkten, zum Beispiel geht es auch um die Wegezeit. Bisher werde der Weg zur Baustelle nicht vergütet. „Bei den Verhandlun­gen über das Gesamtpake­t muss berücksich­tigt werden, dass die Inflations­rate stark gestiegen ist“, sagt Tekkiliç. Zudem: „Sollte die Inflation nächstes Jahr höher liegen, müssen wir dies bei der Aufstellun­g neuer Tarifforde­rungen berücksich­tigen.“Mehr zur Konjunktur lesen Sie auf der Wirtschaft.

IG Bau will ein Plus bei den Einkommen

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