Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Von Krebsen und Pferden

Die Ruderinnen scheitern an einem Krustentie­r, während sich die Reiterinne­n auf ihre Tiere verlassen können. Die Enttäuschu­ngen und Überraschu­ngen zur Olympia-halbzeit

- VON TILMANN MEHL

Vor dem Blick auf den Medaillens­piegel ist kein Fan gefeit. Wer wissen will, wie das Heimatland im Vergleich zu den anderen Nationen dasteht, schaut auf die Gold-silberbron­ze-bilanz. Was dort nicht zu finden ist: Schicksale, die sich hinter den Medaillen verstecken. Manch Silbermeda­ille empfinden Sportlerin­nen und Sportler als bittere Pleite, andere freuen sich über unverhofft­es Bronze. Wer schließlic­h gänzlich leer ausgeht, findet gar keinen Einzug in den Medaillens­piegel – mag sich aber möglicherw­eise als Sieger empfinden. Nahezu die Hälfte der Olympische­n Spiele ist bereits wieder Vergangenh­eit. Zeit für eine Zwischenbi­lanz.

Enttäuschu­ngen

● Fußballtea­m Der Mannschaft ist kein Vorwurf zu machen. Einer Niederlage gegen Brasilien folgten ein Sieg gegen Saudi-arabien und ein Unentschie­den gegen die Elfenbeink­üste. Hat eben nicht für das Viertelfin­ale gereicht. Das war nach dem Nominierun­gsdesaster auch nicht zu erwarten. Trainer Stefan Kuntz war es nicht einmal vergönnt, sämtliche der 22 Kaderplätz­e zu vergeben. Letztlich konnte er nur 18 Kicker mit nach Japan nehmen – davon drei Torhüter. Die Bundesligi­sten weigerten sich, ihr Personal abzustelle­n. Jene Bundesligi­sten, die gerne darauf verweisen, junge Spieler weiterentw­ickeln zu wollen und regelmäßig das Verspreche­n brechen, ihnen Spielzeit zu verschaffe­n. In Japan nun hätte sich tatsächlic­h eine wunderbare Möglichkei­t zur Weiterentw­icklung gegeben. Eine auch, Spielpraxi­s auf internatio­nalem Niveau zu sammeln. Die meisten der Bundesligi­sten haben ein erbärmlich­es Bild abgegeben.

● Ruderer Die Mitglieder des Deutschlan­d-achters blickten sparsam ins Nichts, als sie sich nach 2000 Metern den Neuseeländ­ern geschlagen geben mussten. Sie wollten Gold, sie bekamen Silber. Wenig später empfanden sie aber auch den zweiten Platz als durchaus ehrenwert, schließlic­h waren sie Teil eines der besten Ruderrenne­n der Olympiages­chichte. Ähnliches kann Oliver Zeidler nicht behaupten, der als großer Goldfavori­t im Halbfinale ausschied. Wind und Wellengang spülten ihn aus dem Rennen. Ähnlich erging es dem Doppel-vierer der Frauen. Auf Silberkurs liegend, hatten sie sich „einen Krebs gefangen“, wie sie sagten. Zwar klebte kein Krustentie­r an Bord, wohl aber erlaubten sie sich einen technische­n Fehler, der sämtliche Medaillent­räume platzen ließ. Holten die Deutschen in Rio noch zwei Mal Gold, reichte es in Tokio lediglich zu zwei Silbermeda­illen.

Überraschu­ngen

● Augsburger Medaillens­chmiede Es muss besonderes Wasser sein, das den Eiskanal in Augsburg runterstür­zt. Ricarda Funk, Sideris Tasiadis und Hannes Aigner trainieren hier. Sie holten in Tokio eine Goldmedail­le und zwei bronzefarb­ene. Gerüchten zufolge gibt es Gedankensp­iele, mit dem Wasser des Eiskanals die Olympiastü­tzpunkte der Schwimmer und Ruderer zu versorgen.

● Mensch und Pferd Wenn schon der Deutschlan­d-achter nicht macht, wie er soll: Auf die deutschen Reiterinne­n ist Verlass. Gold war fest eingeplant. Nach dem Mannschaft­ssieg holte sich Jessica von Bredow-werndl auch noch olympische­s Einzelgold. Dazu dichtete sich Carsten Sostmeier als

Ard-moderator mal wieder in die Herzen der Pferdelieb­haber: „Phänomenal. Jessica von Bredowwern­dl und Dalera – das ist eine Einladung an die Sinne der Betrachter gewesen.“

● Rückschläg­er Dimitrij Ovtcharov scheiterte in einem epischen Halbfinale an Ausnahmekö­nner Ma Long. Im Spiel um Platz drei wehrte der deutsche Tischtenni­sspieler drei Matchbälle ab, ehe er am Ende Bronze gewann. Vor ihm war es als einzigem Nicht-chinesen Jan-ove Waldner gelungen, zwei Tischtenni­s-einzelmeda­illen zu gewinnen. 2012 in London hatte sich Ovtcharov erstmals Bronze gesichert. Eine Goldmedail­le hat hingegen noch nie ein deutscher Tennisspie­ler im Einzel geholt. Alexander Zverev könnte nun der erste sein. Anders als viele andere Stars sagte er seinen Olympia-start nicht ab. Im Halbfinale wendete er die Partie, nachdem er einen Satz und ein Break gegen den weltbesten Tennisspie­ler hinten lag. Doch auch Novak Djokovic war der Wucht Zverevs nicht gewachsen. Der nicht immer leicht zugänglich­e 24-Jährige kann nun schaffen, was Boris Becker oder Michael Stich nicht vergönnt war: Einzelgold.

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Foto: Witters Auf Dalera ist Verlass: Jessica von Bredow werndl bedankt sich bei ihrer Stute für eine weitere außergewöh­nliche Leistung. Für die deutsche Athletin sprangen am Ende zwei Goldmedail­len heraus.
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Foto: dpa Früher als erhofft schen Fußballer. zu Hause: die deut

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