Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Richter: „Sie wollten keinen großen Bumm“
Ein 26-Jähriger hatte an einer Tankstelle versucht, Benzin zu verspritzen und Feuer zu legen. Er muss ins Gefängnis, doch der Vorwurf des versuchten Mordes wurde fallengelassen
Angeklagt worden war er wegen versuchten Mordes. Verurteilt worden ist jetzt ein 26-jähriger Verkäufer zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen versuchter gefährlicher Körperverletzung. Der Mann hatte im Februar versucht, an einer Tankstelle in der Schillstraße im Augsburger Stadtteil Lechhausen Benzin zu verspritzen und so Feuer zu legen.
Die Zweifel an der Anklage wegen versuchten Mordes, die die Verteidigung schon länger gehegt hatte, überwogen am Ende: Hatte ein 26-jähriger Obstverkäufer, erheblich alkoholisiert, am 10. Februar 2021 tatsächlich versucht, andere Menschen mit verspritztem und entzündetem Benzin zu töten? Die Zweifel an diesem Vorhaben blieben nach dem Gutachten von Christian Windpassinger, Brandschutzexperte des Landeskriminalamts, weiter bestehen. Der Gutachter hatte dem Gericht alles Mögliche über die Entzündung von Benzin berichtet, vor allem über die Entzündung, wenn dieses Benzin aus dem Zapfhahn gespritzt wäre.
Bei der Tat selbst war es so weit nicht gekommen. Der Tankstellenmitarbeiter hatte geistesgegenwärtig den Notausschalter betätigt, sodass der Angeklagte mit seinem Feuerzeug nichts anstellen konnte. Wenn nicht, dann hätte Benzin verspritzt und anschließend entzündet werden können. Für den Polizisten, der den 26-Jährigen damals noch vor Ort festnehmen wollte und der daneben stand, hätte das lebensgefährlich werden können. Noch gefährlicher auf alle Fälle für den Angeklagten selbst, so der Gutachter, der wohl mitten im Feuer gestanden hätte. Mit der möglichen Schuldfähigkeit des Angeklagten beschäftigte sich Psychotherapeut Fabian Lang. Dem Gutachter zufolge könnte die Einsichtsfähigkeit des 26-Jährigen eingeschränkt gewesen sein. Der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt bis zu drei Promille Alkohol im Blut gehabt. Zudem gebe es Anhaltspunkte dafür, dass der 26-Jährige ein Alkoholproblem habe. Eine Unterbringung des 26-Jährigen im Maßregelvollzug einer psychiatrischen Klinik sah der Sachverständige nicht als erforderlich. Aber er schlug dem Gericht vor, einen Alkoholentzug anzuordnen.
In seinem Plädoyer hinterfragte Staatsanwalt Gregor Hohenadl, was der Angeklagte mit seinem Tun tatsächlich gewollt habe, als er zunächst versucht hatte, mehrere Umstehende mit einem Feuerlöscher anzusprühen und danach mit Benzin aus der Zapfsäule Feuer zu legen. Es sei wohl der Versuch gewesen, einige Jugendliche zu vertreiben, über die er sich an der Tankstelle geärgert hatte. Dafür, dass er die Zapfpistole tatsächlich bewusst als eine Art Flammenwerfer habe einsetzen wollen, gebe es keine Anhaltspunkte. Zusammen mit der Alkoholisierung sah Hohenadl lediglich den Tatbestand der versuchten gefährlichen Körperverletzung plus Nötigung als nachweisbar. Er forderte eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten und den Angeklagten zum Entzug unterzubringen.
Verteidiger Jörg Seubert schloss sich bei der juristischen Bewertung dem Staatsanwalt an. Wenn auch das Tun seines Mandanten „brandgefährlich“gewesen sei, dürfe man nicht übersehen, dass es mehrere strafmildernde Gesichtspunkte gebe: das Geständnis, die gezeigte Reue, keine Eintragungen im Bundeszentralregister. Seuberts Plädoyer: zwei Jahre und sechs Monate Freiheitsstrafe, dazu die Unterbringung.
Das Gericht unter Vorsitz von Roland Christiani verhängte für drei Fälle der Nötigung, fünf Fälle der versuchten Nötigung sowie die versuchte gefährliche Körperverletzung schließlich zwei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe. „Sie wollten keinen großen Bumm“, so der Richter zum Angeklagten, „denn dann wären sie als Erster dran gewesen. Sie haben sich gehen lassen“, folgte die Rüge sowie der eindringliche Rat, künftig maßvoller zu trinken. Erst nahmen der Angeklagte und sein Verteidiger den Richterspruch an, dann auch der Staatsanwalt. Mit dem umgehend rechtsgültig werdenden Urteil kann der 26-Jährige baldmöglichst in eine Entziehungsanstalt eingewiesen werden.