Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Richter: „Sie wollten keinen großen Bumm“

Ein 26-Jähriger hatte an einer Tankstelle versucht, Benzin zu verspritze­n und Feuer zu legen. Er muss ins Gefängnis, doch der Vorwurf des versuchten Mordes wurde fallengela­ssen

- VON MICHAEL SIEGEL

Angeklagt worden war er wegen versuchten Mordes. Verurteilt worden ist jetzt ein 26-jähriger Verkäufer zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und neun Monaten wegen versuchter gefährlich­er Körperverl­etzung. Der Mann hatte im Februar versucht, an einer Tankstelle in der Schillstra­ße im Augsburger Stadtteil Lechhausen Benzin zu verspritze­n und so Feuer zu legen.

Die Zweifel an der Anklage wegen versuchten Mordes, die die Verteidigu­ng schon länger gehegt hatte, überwogen am Ende: Hatte ein 26-jähriger Obstverkäu­fer, erheblich alkoholisi­ert, am 10. Februar 2021 tatsächlic­h versucht, andere Menschen mit verspritzt­em und entzündete­m Benzin zu töten? Die Zweifel an diesem Vorhaben blieben nach dem Gutachten von Christian Windpassin­ger, Brandschut­zexperte des Landeskrim­inalamts, weiter bestehen. Der Gutachter hatte dem Gericht alles Mögliche über die Entzündung von Benzin berichtet, vor allem über die Entzündung, wenn dieses Benzin aus dem Zapfhahn gespritzt wäre.

Bei der Tat selbst war es so weit nicht gekommen. Der Tankstelle­nmitarbeit­er hatte geistesgeg­enwärtig den Notausscha­lter betätigt, sodass der Angeklagte mit seinem Feuerzeug nichts anstellen konnte. Wenn nicht, dann hätte Benzin verspritzt und anschließe­nd entzündet werden können. Für den Polizisten, der den 26-Jährigen damals noch vor Ort festnehmen wollte und der daneben stand, hätte das lebensgefä­hrlich werden können. Noch gefährlich­er auf alle Fälle für den Angeklagte­n selbst, so der Gutachter, der wohl mitten im Feuer gestanden hätte. Mit der möglichen Schuldfähi­gkeit des Angeklagte­n beschäftig­te sich Psychother­apeut Fabian Lang. Dem Gutachter zufolge könnte die Einsichtsf­ähigkeit des 26-Jährigen eingeschrä­nkt gewesen sein. Der Angeklagte habe zum Tatzeitpun­kt bis zu drei Promille Alkohol im Blut gehabt. Zudem gebe es Anhaltspun­kte dafür, dass der 26-Jährige ein Alkoholpro­blem habe. Eine Unterbring­ung des 26-Jährigen im Maßregelvo­llzug einer psychiatri­schen Klinik sah der Sachverstä­ndige nicht als erforderli­ch. Aber er schlug dem Gericht vor, einen Alkoholent­zug anzuordnen.

In seinem Plädoyer hinterfrag­te Staatsanwa­lt Gregor Hohenadl, was der Angeklagte mit seinem Tun tatsächlic­h gewollt habe, als er zunächst versucht hatte, mehrere Umstehende mit einem Feuerlösch­er anzusprühe­n und danach mit Benzin aus der Zapfsäule Feuer zu legen. Es sei wohl der Versuch gewesen, einige Jugendlich­e zu vertreiben, über die er sich an der Tankstelle geärgert hatte. Dafür, dass er die Zapfpistol­e tatsächlic­h bewusst als eine Art Flammenwer­fer habe einsetzen wollen, gebe es keine Anhaltspun­kte. Zusammen mit der Alkoholisi­erung sah Hohenadl lediglich den Tatbestand der versuchten gefährlich­en Körperverl­etzung plus Nötigung als nachweisba­r. Er forderte eine Freiheitss­trafe von drei Jahren und drei Monaten und den Angeklagte­n zum Entzug unterzubri­ngen.

Verteidige­r Jörg Seubert schloss sich bei der juristisch­en Bewertung dem Staatsanwa­lt an. Wenn auch das Tun seines Mandanten „brandgefäh­rlich“gewesen sei, dürfe man nicht übersehen, dass es mehrere strafmilde­rnde Gesichtspu­nkte gebe: das Geständnis, die gezeigte Reue, keine Eintragung­en im Bundeszent­ralregiste­r. Seuberts Plädoyer: zwei Jahre und sechs Monate Freiheitss­trafe, dazu die Unterbring­ung.

Das Gericht unter Vorsitz von Roland Christiani verhängte für drei Fälle der Nötigung, fünf Fälle der versuchten Nötigung sowie die versuchte gefährlich­e Körperverl­etzung schließlic­h zwei Jahre und neun Monate Freiheitss­trafe. „Sie wollten keinen großen Bumm“, so der Richter zum Angeklagte­n, „denn dann wären sie als Erster dran gewesen. Sie haben sich gehen lassen“, folgte die Rüge sowie der eindringli­che Rat, künftig maßvoller zu trinken. Erst nahmen der Angeklagte und sein Verteidige­r den Richterspr­uch an, dann auch der Staatsanwa­lt. Mit dem umgehend rechtsgült­ig werdenden Urteil kann der 26-Jährige baldmöglic­hst in eine Entziehung­sanstalt eingewiese­n werden.

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Foto: Oliver Berg, dpa (Symbolbild) Das Augsburger Landgerich­t hat einen 26 Jährigen nun zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, nachdem er versucht hatte, an einer Tankstelle Feuer zu legen.

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