Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Mein Kind nimmt sich alles fürchterlich zu Herzen
Tränen, immer Tränen. Weil die Blume nun verblüht ist, weil im Winter die armen Rehe frieren, weil die Lehrerin gewagt hat zu sagen, das S könnte man vielleicht noch etwas schö ner schreiben … Positiv gesehen: Ihr Kind wur de reich beschenkt mit empathischen Fähig keiten. Weshalb es sich nun, nicht mehr ganz so positiv, alles ganz fürchterlich zu Herzen nimmt. Mit trauriger Miene dasitzt, wenn es ir gendwo Unglück wittert oder sich die Umwelt ihm gegenüber nicht zartfühlend genug ver hält. So sehr man sein empfindsames Kind liebt, manchmal wünscht man ihm eine etwas dickere Haut. Kann man die bekommen? Und will man das überhaupt?
Eine „dünne Haut“kann man nicht abhärten. Ich finde es gut, dass mein Sohn auf andere achtet und keinem etwas zuleide tun kann. Seine zartbesaitete Art hat so viel Schönes. Sein empathisches Wesen finde ich bereichernd. Es hat etwas gedauert, bis ich herausgefunden habe, wie sehr er sich Dinge oft zu Herzen nimmt und wie lange auch Situationen und Gesprochenes nachwirken. Manchmal möchte er nach circa zwei Wochen über eine Situation sprechen, die ich schon lange nicht mehr auf dem Schirm hatte. Für mich ist es oft schwer, zu sehen, dass auch oder gerade Erwachsene dafür kein Verständnis aufbringen. Ein „Stell dich nicht so an“wird er von mir jedenfalls nicht hören. Mein Kind gehört zu den hochsensiblen Menschen – das ist keine Krankheit, sondern eine Art der Wahrnehmung und eine Bereicherung für alle. Wenn jemand empathisch ist, dann kann man das nicht abtrainieren – warum auch? Es sollte doch lieber noch viel mehr Menschen dieser Art geben. Karin, Journalistin, ein Sohn (7)
Meine jüngere Tochter ist der Typ, die weiß genau, wie alles sein soll, und wenn dann die Dinge nur ein bisschen anders laufen, flippt sie aus. Das ist beinhart, weil ich sehe, dass sie an ihren Gefühlen fast zerbricht. Aber Kinder müssen ihre Erfahrungen machen und wir als Mütter lernen, das auszuhalten. Was man tun kann? Fragen stellen, ihre Gefühle wahrnehmen und bestätigen, emotional dagegenhalten. Ich frage dann zum Beispiel meine Tochter: „Ich weiß, du hast dir das ganz anders vorgestellt, aber auch wenn es ganz doll schwer ist, wie kannst du es trotzdem akzeptieren?“Die erste Antwort ist dann meist: „Geht gar nicht“, aber die zweite vielleicht schon: „Wenn ich jetzt eine halbe Stunde Tablet spielen könnte, ging’s …“Friederike, Coach, zwei Töchter (11 und 13)
» Auch Sie haben eine Er ziehungsfrage? Schreiben Sie an Familie@augsburger allgemeine.de. Die Kolumne wird betreut von Doris Weg ner und Stefanie Wirsching, beide Mütter, und Autorin nen des Buches „Supermüt ter“(www.augsburger all gemeine.de/shop)