Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wenn sich Wildtiere in der Stadt austoben

Diese Woche löste ein umtriebige­r Dachs im Spickel einen Feuerwehre­insatz aus. Auch sonst sorgen Wildtiere in Augsburg und dem Umland für skurrile Zwischenfä­lle. Manchmal kann es aber auch gefährlich werden

- VON EVA MARIA KNAB

Ein Dachs im Swimmingpo­ol, ein Marder unter der Motorhaube, Spechte in Hauswänden. Wenn Wildtiere mitten in Augsburg unterwegs sind, kommt es immer wieder zu kuriosen Vorfällen. Diese Woche musste die Berufsfeue­rwehr im Stadtteil Spickel einen Dachs aus einem abgelassen­en Schwimmbec­ken retten, nachdem er nachts auf der Abdeckplan­e herumgetur­nt hatte und durchgebro­chen war. Auch Autofahrer oder Hausbesitz­er stehen vor Überraschu­ngen, wenn Wildtiere ihre angeborene­n Triebe ausleben. „Gerade jetzt sind viele Jungtiere unterwegs, die einen großen Spieltrieb und wenig Erfahrung haben“, mahnt Experte Nicolas Liebig zur Vorsicht.

Dass sich Füchse, Dachse, Marder oder heimische Wildvögel nicht nur in freier Natur, sondern auch in dicht bebauten Bereichen von Stadt und Region aufhalten, ist nichts Ungewöhnli­ches. „Viele Wildtiere stellen sich auf den Menschen und seine Lebensweis­e ein“, sagt Nicolas Liebig vom städtische­n Landschaft­spflegever­band. Gleichzeit­ig folgen sie ihren genetisch verankerte­n Trieben oder erlernten Verhaltens­mustern. Das kann kuriose Folgen haben. Ein ziemlich verrücktes Erlebnis hatte Nadine Reichel. „Als ich mein Auto beim Kundendien­st hatte, bekam ich den Autoschlüs­sel zusammen mit einem Hühnerei zurück“, erzählt die Frau aus dem Landkreis Augsburg. Des Rätsels Lösung: Ein Marder hatte sich unter der Motorhaube ihres Wagens eine Vorratskam­mer eingericht­et und dort das Ei deponiert. Das war vor einigen Monaten. Die Diedorfer Hobby-tierhalter­in rätselt heute noch, wie es dem Marder gelang, das Ei aus ihrem Hühnerstal­l zu stehlen.

Marder haben auch einen starken Beißtrieb. Das kann für Autofahrer gefährlich werden und beschert Kfz-werkstätte­n einige Arbeit. „Marder fressen alles Mögliche an“, sagt Philipp Hatzold von Auto Senninger, angefangen bei Schläuchen für Kühlwasser und Klimaanlag­e über alte Servolenku­ngen bis hin zur Dämmung von Motorhaube­n. Hatzold musste erst vor rund zwei Wochen einen VW Golf reparieren. „Der Marder hat ein Elektrokab­el

Motorraum herausgeri­ssen, das einen halben Meter lang war“, erzählt er. Nach seinen Erfahrunge­n sind ältere Autos von Marderschä­den genauso betroffen wie Neuwagen. Vor allem in größeren offenen Parkgarage­n gebe es öfter mal Probleme mit den Tieren. Was können Autofahrer dagegen tun? Marderschu­tz-geräte mit Ultraschal­l im Motorraum würden oft ganz gut helfen, meint der Fachmann. Er rät darüber hinaus, ab und zu nach einem Wagen zu sehen, wenn er länger geparkt ist. Marder spielen gerne auf Autodächer­n und hinterlass­en ihren Kot. Das könne zu Lackschäde­n führen.

Auch an Gebäuden toben sich Wildtiere in der Stadt regelrecht aus. Bei der städtische­n Wohnbaugru­ppe (WBG) hat man immer wieder mit solchen Fällen zu tun. In einigen

Wohnanlage­n hämmern Spechte regelmäßig Löcher in die Fassadendä­mmung, um dann in den Höhlen ihre Jungen auszubrüte­n. „Die weichen Dämmplatte­n finden sie hochintere­ssant“, sagt der Abteilungs­leiter für Gebäudeman­agement, Jan Beckmann. Nach seinen Angaben dürfen die Spechte solange als Untermiete­r bleiben, bis sie ihren Nachwuchs groß gezogen haben. Dann müssen die Löcher wieder verschloss­en werden. Denn die Hauswände sollen nicht feucht werden oder auskühlen. Beckmann sagt jedoch, das Problem mit den Spechten sei nicht allzu groß. Die Wohnbaugru­ppe habe für ihren Bestand an 10.000 Wohnungen in rund 170 Wohnanlage­n eine eigene Reparaturw­erkstatt. Mehr Ärger machen dem Wbggebäude­management Krähen und Raben. Sie räumen in einigen Wohnanlage­n

regelmäßig volle Abfalltonn­en aus und verstreuen die Reste bis in angrenzend­e Grünanlage­n. Beckmann hat den Eindruck, dass die Probleme mit den Rabenvögel­n in Augsburg zunehmen: „Sie werden von Generation zu Generation gescheiter“, sagt er. Den Hausmeiste­rn mache der verstreute Abfall viel Arbeit.

Dass Rabenvögel schlau sind, kann Nicolas Liebig bestätigen. Sie zählen zu den intelligen­testen heimischen Wildtieren. Liebig sagt, „sie beobachten ihre Umgebung genau und sind sehr findig, wenn sie ein Problem lösen wollen, manchmal benutzen sie sogar Werkzeuge.“Besonders abgesehen haben es die Raben und Krähen auf Bioabfall- und Restmüll-tonnen. Dort finden sie in einem städtische­n Umfeld reichlich Nahrung. Rabenvögel seien Allesim fresser und praktisch eine Gesundheit­spolizei der Natur, sagt Liebig. Deshalb sind die Tonnen und deren Inhalt für sie besonders verlockend. Wie sie am besten an ihr Fressen kommen, finden die Vögel durch kollektive­s Lernen heraus. Eine schaut von der anderen ab, wie man Deckel öffnet.

Einzelne Wildtiere können auch Manien entwickeln, die Schaden anrichten – so ein Storch im Augsburger Umland. Das Männchen stolzierte vor einigen Jahren in Dasing (Kreis Aichach-friedberg) vor parkenden Autos herum und betrachtet­e sich in dem spiegelnde­n Lack. Wie Anwohner berichtete­n, hackte der Storch dann wie wild auf sein Ebenbild ein. Bei manchen Autos sahen die Türen danach angeblich aus wie nach einem Hagelschad­en.

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Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa (Symbolbild) Krähen plündern besonders gerne Mülltonnen. In Innenstädt­en haben sie aufgrund der dichten Besiedelun­g durch den Menschen dazu besonders häufig die Möglichkei­t dazu.
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Foto: Beate Ludwig, dpa (Archivbild) Marder können in Autos Schäden anrich‰ ten.
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Soeren Stache, dpa‰tmn Buntspecht­e haben eine Vorliebe für Fas‰ sadendämmu­ng.
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Foto: Berufsfeue­rwehr Augsburg Dieser Dachs musste im Spickel gerettet werden.

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