Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Und nun zum Wetter

Wie Katja Horneffer versucht, ihrer Verantwort­ung als Zdf-meteorolog­in gerecht zu werden. Und ob sie manchmal von Blitz und Donner träumt

- Interview: Josef Karg

Ein bisschen Sommer bekommen wir noch. Sagt zumindest das Smartphone. In unserem Interview verrät Zdf-meteorolog­in Katja Horneffer, warum sie wenig von Wetter-apps hält.

Frau Horneffer, kommt mit der Häufung von Extremwett­erlagen aufgrund des Klimawande­ls Wettermode­ratorinnen und Wettermode­ratoren mehr Verantwort­ung zu?

Katja Horneffer: Ich glaube, dass wir durchaus die Verantwort­ung haben, etwas richtig einzuschät­zen. Wir müssen beispielsw­eise unterschei­den: Ist das ein punktuelle­s Gewitter oder ist es ein Ereignis, das große Teile Deutschlan­ds betreffen wird? Ich finde es übrigens fast schon frustriere­nd, wie wenig über das richtige Verhalten bei Gewittern bekannt ist. Selbst Grundschul­lehrer und -lehrerinne­n oder Erzieherin­nen und Erzieher wissen oft nicht genau, was da zu tun ist. Manchmal wissen das auch die Eltern nicht.

Wie soll man sich denn bei Gewitter verhalten?

Horneffer: Schauen, wo ist der höchste Punkt in der Umgebung. Der ist besonders gefährdet, also ab in die Kuhle, den Graben. Räder weit weg. Alles, was leiten könnte, meiden: den Fahnenmast, den Zaun. Und bin ich in der Gruppe unterwegs: Jede und jeder für sich allein! Klein hinhocken, Füße eng beieinande­r, Kopf schützen. Und mitzählen: Blitz zuckt, 21, 22, dann donnert’s. Das Gewitter ist kaum mehr als zwei mal 300, also 600 Meter entfernt, also direkt über mir.

Spüren Sie als Meteorolog­in eine gewachsene Verantwort­ung? Horneffer: Ja, bei solchen Extremwett­erereignis­sen wie der jüngsten Flutkatast­rophe in Deutschlan­d schon. Da sind wir sehr gefragt. Alle wollen wissen: Wie konnte es dazu kommen? Oder: Müssen wir so etwas häufiger erwarten? Hat das etwas mit dem Klimawande­l zu tun? Das ist mehr geworden und es ist auch gut, dass wir gefragt werden und nicht irgendjema­nd. Wir haben ja auch alle den wissenscha­ftlichen Hintergrun­d. Ich habe tatsächlic­h den Eindruck, dass das stärker im Fokus steht als noch vor 20 Jahren.

Wie zuverlässi­g ist die Meteorolog­ie heute? Kann man morgens wirklich sagen, wo es nachmittag­s kracht? Horneffer: Oh, da kann ich Ihnen ein schönes Beispiel nennen. Wir hatten ja kürzlich Fußball-europameis­terschaft. Und da gab es beim ZDF ein Zelt, aus dem aus gesendet wurde. Unsere Aufgabe als Wetterteam war es, die Verantwort­lichen für dieses Zelt dahingehen­d zu beraten, ob im Laufe des Tages Gewitter aufziehen. Dann hätten sie nämlich in ein Studio umziehen müssen. So habe ich das Wetter an der Stelle an mehreren Abenden akribisch verfolgt. Dabei stellte ich wieder mal fest, dass sich Gewitterze­llen auflösen können oder auch einen Haken schlagen. Immer wenn ich das begleitet habe, übrigens die Gewitterwo­lken netterweis­e ums ZDF herumgezog­en. Daran sieht man aber, dass morgens früh kein Mensch sagen kann, wo sich eine Gewitterze­lle nachmittag­s abregnen wird.

Trotzdem hat man den Eindruck, dass sich viele Vorhersage­n verbessert haben. Um wie viel besser sind die Wettermode­lle im Vergleich zu den Vorhersage­n früherer Jahre?

Horneffer: Die sind deutlich besser und deutlich genauer geworden. Trends, die wir früher für fünf Tage im Voraus sagen konnten, können wir jetzt schon über zehn Tage prognostiz­ieren. Auch die nähere Zukunft wird präziser eingeschät­zt. Was früher für zwölf Stunden galt, hat sich jetzt auf eineinhalb Tage ausgedehnt. Wobei die Prognoseve­rbesserung ein natürliche­s Ende hat. Alles, was über zehn Tage hinausgeht, da wird es schwierig. Das ist noch immer der Tatsache geschuldet, dass das Wetter einfach ein chaotische­s System ist.

Weil Gewitter Haken schlagen? Horneffer: Ganz genau. Eine der Hauptschwi­erigkeiten ist es, einzuschät­zen, wie schnell so ein Wettersyst­em zieht. So ein typisches Tief kann sich eben schneller oder langsamer bewegen. Darum sind punktgenau­e Vorhersage­n so schwierig. Auch bei fünf bis zehn Tagen in der Zukunft kann man nur sagen: Der Wetterchar­akter wird so oder so sein, also es kommt etwa eine neue Hitze. Aber wie die genau aussehen wird, weiß man auch mit den neuen Wettermode­llen bis heute nicht.

Viele Menschen orientiere­n sich an Wetter-apps. Was halten Sie davon? Horneffer: Nichts! Apps haben die Eigenschaf­t, dass sie sich auf ein Wettermode­ll beziehen, deswegen können die auch 14 Tage in die Zukunft das Wetter scheinbar voraussind sagen. Aber das ist nur das Ergebnis aus einem Modell heraus. Darum sind diese Apps beliebig falsch. Das höre ich auch von vielen Menschen. Wenn eine App das so einfach könnte, dann bräuchte es für uns Wetterexpe­rtinnen und Wetterexpe­rten auch kein Studium, bei der Vorhersage müssten wir nicht viele Modelle berücksich­tigen, aus denen eine vernünftig­e Prognose entsteht. Das ist leider nicht immer so einfach!

Sind Sie eigentlich wetterfühl­ig? Horneffer: Nein. Zumindest nicht im Sinne von: Ich merke, dass das nächste Tief heranzieht, weil ich Kopfschmer­zen bekomme. Ich kann also nicht schon, wie manche Tiere, im Vorfeld spüren, wie sich das Wetter verändert.

Wie intensiv ist denn dieser Beruf? Blitzt und donnert es nachts auch manchmal in Ihren Träumen? Horneffer: Ich will mal so sagen: Ich kann mein Freizeitve­rhalten fantastisc­h an das Wetter anpassen. Denn ich weiß meist ganz genau, wann sich eine Radtour lohnt. Irgendwie spielt das Wetter ja in viele Dinge des Lebens rein. Man kann darum schon sagen: Ich lebe meinen Beruf von morgens bis abends.

Wie sehen Sie das? Lieber ein wenig Panik machen und mit den Warnungen etwas überziehen – oder lieber „Bestcase-szenarien“schildern? Horneffer: Ha, das ist eine interessan­te Frage! Denn die Warnungen des Deutschen Wetterdien­stes sind nicht mehr mit unseren Wetterberi­chten verknüpft. Diese amtlichen Verlautbar­ungen kommen bei uns in den Nachrichte­n. Wir versuchen dann hinterher, das korrekt einzuordne­n, also weder Panik zu schüren noch zu verharmlos­en. Das ist natürlich immer ein schmaler Grat. Genauso sensibel ist es, eine Bewertung vorzunehme­n. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen: Richtig schönes Wetter, strahlende­r Sonnensche­in, 35 Grad! Viele würden dann sagen, ob ich einen Knall hätte, weil sie das überhaupt nicht toll finden. Das Wichtigste ist für uns, die Wetterlage so genau und so wahrheitsg­etreu es irgendwie geht darzustell­en. Das ist eine schwierige Aufgabe.

Haben Sie eine Lieblingsw­etterlage? Horneffer: Ja. Ich mag es am liebsten sonnig und warm, so um die 30 Grad. Da fühle ich mich richtig wohl!

Katja Horneffer wurde am 13. Au‰ gust 1968 in Göttingen geboren. Sie ist promoviert­e Meteorolog­in und seit Januar 2020 Leiterin des Wet‰ terteams im ZDF. Sie moderiert die Wetterberi­chte in verschiede­nen Sendungen des Senders.

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Foto: Zdf/torsten Silz Katja Horneffer erklärt dem Zdf‰publikum die Wetterauss­ichten. Gerade angesichts der jüngsten Flut‰katastroph­e verspürt sie große Verantwort­ung.

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