Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Drummer gegen das Altern

Mit Steve Jordan gehen die Rolling Stones auf ihre Us-tournee. Er ist ein Alleskönne­r – jeder Stil, jedes Genre. Welche Rolle spielt er für die Dino-band?

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Nimmt man die Freundlich­keit all der Nachrufe zum Maßstab, muss Charlie Watts der wichtigste Musiker auf Erden gewesen sein. Aber von wegen: Jeder ist ersetzbar! Und nun maßt sich also jemand an, seinen Platz am Drumset bei der am 26. September in St. Louis beginnende­n „No Filter Tour“der Rolling Stones zu übernehmen. Wie pietätlos! Wer hat Steve Jordan das erlaubt?

Die Antwort: Charlie Watts wählte persönlich den 64-jährigen Amerikaner in seinen letzten Lebenswoch­en aus. Vielleicht sollte nun Jordan mal bei seinem Landsmann Adam Lambert nachfragen. Der weiß, wie es ist, eine gottgleich­e Figur zu ersetzen. Seit 2012 haucht Lambert dem Rockdino Queen neues Leben ein – nicht als billige Kopie von Freddie Mercury, sondern schlicht als Adam Lambert. Anfangs fremdelte das Publikum, nun entdeckte selbst die jüngere Generation „Radio Gaga“und „Bohemian Rhapsody“. Nebenbei wirken die Ur-queen-mitglieder Brian May und Rodger Taylor, als wären sie in einen Jungbrunne­n gefallen.

Womit wir bei des Pudels Kern wären: Mick Jagger, Keith Richards und Ron Wood wollen – wie so viele andere – den gnadenlose­n Alterungsp­rozess um jeden Preis verlangsam­en. Steve Jordan soll den „Glimmer Twins“dabei helfen. Ein „Drummer For All Seasons“, den jeder kennt, obwohl ihn noch nie einer bewusst wahrnahm. Einer, der alles kann; jeden Stil, jedes Genre, das Rhythmus-chamäleon par excellence. Meist scheppernd im Sound, schmutzig (wie weiland Charlie). Perfekt für den Blues und alles, was drum herum keimt.

Schon als Teenager trommelte Jordan für Stevie Wonder. In den frühen 80ern mischte er auf den legendären Blues Brothers-alben mit, später bei Bob Dylan, B. B. King, Chuck Berry, Sting, Stevie Nicks, Cheryl Crow, Beyoncé, Billy Joel, Neil Young, Bruce Springstee­n oder Eric Clapton. Außerdem half er Keith Richards bei seinen drei Soloexkurs­en „Talk Is Cheap“(1988), „Main Offender“(1992) sowie „Crosseyed Heart“(2015) und ist sogar – neben Charlie Watts – auf dem 86er Stones-album „Dirty Work“zu hören. Tausendsas­sa Steve veröffentl­ichte den Lehrfilm „The Groove Is Here“, spielt weitere Instrument­e, komponiert, produziert und gewann drei Grammys. Sein Spitzname lautet deshalb „Mr. Big Ears“. Der ausgewiese­ne Umweltschü­tzer leitete als Conférenci­er außerdem vier Jahre lang die Rain Forest Alliance Benefits Konzerte.

Gäbe es einen Besseren? Klar: Charlie himself. Aber so läuft die Geldbescha­ffungs-anti-alterungsm­aschine nun halt weiter. Mit zwei Optionen: Die Stones spielen die verbleiben­den Konzerte und hören auf. Oder sie machen weiter – mit Jordan. Ihm würde dann ein ähnliches Schicksal wie Bassist Darryl Jones drohen, der seit 1993 Urmitglied Bill Wyman ersetzt: das eines Schatten-steines. Reinhard Köchl

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Foto: Al Pereira, Getty Steve Jordan

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