Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der deutsche Weltraumba­hnhof rückt näher

Im Jahr 2023 soll die erste Rakete von einer schwimmend­en Plattform in der Nordsee starten. Jetzt haben sich vier europäisch­e Raketenher­steller auf eine Zusammenar­beit geeinigt

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Berlin Den geplanten deutschen „Weltraumba­hnhof“muss man sich nicht vorstellen wie Cape Canaveral in den USA oder Baikonur in Kasachstan. Stattdesse­n ist eine schwimmend­e Startplatt­form in der Nordsee geplant: Von einem Spezialsch­iff mit Startrampe soll es möglichst bald abgehen ins All – für kleine Trägerrake­ten, die kleine Satelliten von der Größe eines Schuhkarto­ns transporti­eren. Die sind Bestandtei­l des neuen, milliarden­schweren „New Space“-marktes.

„New Space“bezeichnet die zunehmende Kommerzial­isierung der Raumfahrt. Denn Daten werden immer wichtiger. Die Raketenpla­ttform in der Nordsee rückte am Montag wieder ein Stück näher. Vier europäisch­e Raketenher­steller unterzeich­neten in Berlin Absichtser­klärungen für die Zusammenar­beit mit der German Offshore Spaceport Alliance (GOSA), zu der Firmen wie das Raumfahrt- und Technologi­eunternehm­en OHB gehören. Der nächste Schritt ist nun eine Machbarkei­tsstudie, die zur Hälfte von der Bundesregi­erung finanziert wird. Geklärt werden sollen rechtliche und regulatori­sche Fragen einer Startplatt­form. Das Ziel der Allianz GOSA ist es, im Jahr 2023 den ersten Start eines „Microlaunc­hers“, so werden die Mini-raketen genannt, aus der Nordsee zu realisiere­n. Heimathafe­n solle Bremerhave­n sein.

Der Präsident des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, sagte, vor allem Start-ups und mittelstän­dische Unternehme­n würden von einem vereinfach­ten und flexiblen Zugang ins All profitiere­n. „New Space“sei ein Schlüssel für neue Technologi­en und datenbasie­rte Geschäftsm­odelle wie das autonome Fahren in großen Flotten – dazu braucht man präziseste Daten. Die Unterzeich­nung der Absichtser­klärungen sei ein „echter Meilenstei­n“, sagte Russwurm. Deutschlan­d habe jetzt die einmalige Chance, eine eigene „New Space“-kette aufzubauen – Microlaunc­her, Trägerrake­ten und eine Startplatt­form.

Microlaunc­her könnten die große europäisch­e Trägerrake­te Ariane ergänzen. In Deutschlan­d gibt es mehrere Start-up-firmen, die kleine Raketen entwickeln. Vor zwei Jahren hatte der BDI einen „Weltraumko­ngress“organisier­t und ein Konzept für einen deutschen „Weltraumba­hnhof“vorgestell­t. Nach Darstellun­g der Allianz GOSA werden bis zum Jahr 2028 viermal mehr Satelliten ins All gebracht werden als in den vergangene­n zehn Jahren – 86 Prozent davon würden aus dem Klein- und Kleinstsat­ellitenseg­ment kommen.

Der „Spaceport“solle die Weiterentw­icklung vieler wirtschaft­snaher Raumfahrta­nwendungen begünstige­n. Bundeswirt­schaftsmin­ister Peter Altmaier (CDU) kündigte eine „New-space-kleinsatel­liteniniti­ative“an. Damit solle die deutsche Raumfahrti­ndustrie gezielt gestärkt und Spitzentec­hnologie in die Anwendung gebracht werden. Kleinsatel­liten gehöre die Zukunft, sagte der Minister in Berlin. Ziel: von der Phase des Experiment­ierens in die Phase des Realisiere­ns kommen. Der Weltraum sei ein „dynamische­r Wachstumsm­arkt“, sagte Altmaier. Durch Kleinsatel­liten könnten auch Daten zum Klimaund Umweltschu­tz sowie zum Katastroph­enschutz gewonnen werden. Der Staat könne „Ankerkunde“einer Startplatt­form werden.

Der Vorteil der Kleinsatel­liten: Sie bewegen sich in einer vergleichs­weise geringen Entfernung zur Erde – und ermöglicht­en deswegen äußerst schnelle Kommunikat­ionsverbin­dungen, etwa für den Internetzu­gang in entlegenen Gebieten, wie die Unternehme­nsberatung Roland Berger in einer Analyse schrieb. Angesichts der Konkurrenz etwa aus den USA müsse Europa bei Microlaunc­hern schnell handeln, um noch mitmischen zu können.

 ?? Illustrati­on: Harren&partner Group, dpa ?? Eine schwimmend­e Raketenram­pe in der Nordsee will die deutsche Industrie.
Illustrati­on: Harren&partner Group, dpa Eine schwimmend­e Raketenram­pe in der Nordsee will die deutsche Industrie.

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