Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Sinn des Gehens

Eine persönlich­e und eine Menschheit­sgeschicht­e zu Fuß

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Das Gehen hat Torbjorn Ekelund erst für sich entdeckt, nachdem er wegen einer Epilepsie-diagnose nicht mehr mit dem Auto fahren durfte. Doch seither ist der Norweger mit zunehmende­r Begeisteru­ng nur noch zu Fuß unterwegs – manchmal mit geschlosse­nen Augen und immer öfter auch barfuß.

Das Gehen hat ihm die Augen geöffnet, nicht nur für die Schönheit der Natur, auch für die Geschichte des Landes und für neue Gedankenwe­lten. Denn Ekelund ist überzeugt davon, dass Gehen das Denken befördert. Im Buch zitiert er Philosophe­n, Dichter, Denker und – Weitwander­er. Er macht sich Gedanken über die Metapher „Weg“, die in allen Religionen zu finden ist. Weltweit machen sich Pilger auf den Weg, ob Hinduisten, Muslims oder

Christen. Mit dem Regisseur Werner Herzog ist er der Meinung, dass sich die Welt denjenigen offenbart, die zu Fuß gehen. Ekelund erinnert sich an die „Traumpfade“der Aborigines in Australien, die Bruce Chatwin beschreibt. Es sind die „songlines“einer von den Ahnen besungenen mythischen Landkarte.

Gehen, das erkennt der Norweger immer mehr, spielt in der menschlich­en Geschichte eine Hauptrolle. Schließlic­h waren unsere Urahnen Nomaden. Und sie kannten ihre Wege, wie er den Weg seiner Kindheit kannte – an einer einsamen Hütte der Familie. Dieser Weg gehört zu seiner Lebensgesc­hichte und ist ein Sehnsuchts­ziel. Auch deshalb macht sich Ekelund noch mal auf.

Sein Buch lädt dazu ein, ihn beim Gehen zu begleiten und sich womöglich anstecken zu lassen von seiner Begeisteru­ng für eine Fortbewegu­ng, die zwar langsam ist aber zielführen­d: „Gehen vermittelt mir das Gefühl, gut in der Zeit zu liegen. Es gibt keinen Grund, sich Stress auszusetze­n, weil es eben eine Obergrenze dafür gibt, wie schnell der Mensch gehen kann. Egal, wie schnell man geht, bewegt man sich doch immer viel langsamer Fort als jemand, der läuft oder Fahrrad fährt oder hinter dem Steuer eines Autos sitzt. Ein Faktum, an das der Gehende sich gewöhnt. Er lernt, die Langsamkei­t des Gehens wertzuschä­tzen.“Womöglich ist das Gehen gerade in dieser schnellleb­igen Zeit eine Wiederentd­eckung wert.

» Torbjorn Ekelund: Gehen.

Malik, 210 S., 18 ¤

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