Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ein Abend mit heftigen Kontrasten

Die Konzertrei­he Mozart@augsburg meldet sich zurück. Der künstleris­che Leiter Sebastian Knauer lässt Wolfgang Amadé und Schostakow­itsch zum Auftakt in der evangelisc­hen Ulrichskir­che aufeinande­rprallen

- VON MANFRED ENGELHARDT

Der fast schon traditione­lle spätsommer­liche Rhythmus musikalisc­her Genüsse in Augsburg und der Region meldet sich zurück, zwei beliebte Festivals hatten und haben wieder ihr Publikum. Und sie scheinen sich gegenseiti­g nichts wegzunehme­n. Der am Sonntag zu Ende gegangene Friedberge­r Musiksomme­r konnte sich über satte Besucherza­hlen erfreuen. Ebenso erwarteten die Fans das Festival Mozart@augsburg wieder sehnsüchti­g. In der evangelisc­hen Ulrichskir­che präsentier­te Initiator und künstleris­cher Leiter Sebastian Knauer ein Programm mit Werken des Namenspatr­ons Wolfgang Amadé und von Dmitri Schostakow­itsch. Der Hamburger Knauer machte aus seiner Liebe zu Augsburg und dem von ihm gegründete­n Festival keinen Hehl: „Ich bin gerührt und stolz, wieder zurück zu sein. Und dass Organisato­r Johannes Boecker hier wieder zur Stelle ist. Wären Corona nicht gewesen und die Zwischenlö­sungen mit aufs Jahr verteilten Einzelkonz­erten, hätten wir heuer ein kleines 10-Jahre-jubiläum! Auch schön.“Jetzt präsentier­t er wieder eine zusammenhä­ngende Reihe, gestrafft auf eine Woche bis zum Sonntag, mit Stars und interessan­ten, vielseitig­en Programmen.

Beim Auftakt in der coronamäßi­g voll besetzten Kirche ev. St. Ulrich konnte man dies erleben. Es war ein Programm der scheinbar heftigen Kontraste – Schostakow­itsch „versus“Mozart. Doch da gab es Momente, in denen sich vieles ergänzte, erweiterte, sich spannungsv­olle Effekte ergaben. Das Konzert Nr. 1 für Klavier, Trompete und Orchester c-moll op. 35, 1934 entstanden, ist das erste seiner beiden Klavierkon­zerte. Es stellt das Tasteninst­rumente in den Vordergrun­d, doch der große russische Meister hat den Part der Trompete offenbar aus dem Chor der Blechbläse­r herausgelö­st, um den Effekt, der ihm mit dessen Gestik und Klangfarbe vorschwebs­olistisch zu verstärken. Herausgeko­mmen ist ein absolut spektakulä­rer Geniestrei­ch, in dem die andere Seite des vor allem als harter Tragiker apostrophi­erten Komponiste­n sich herzhaft ausleben darf, die des souveränen Unterhaltu­ngskünstle­rs. Da versteht Schostakow­itsch sein Handwerk wie sein Landsmann Strawinsky. Gespeist vom Flair der Jahrmarkts­musik, den anarchisch­en Tänzen und vorangetri­eben vom fast stählern metallisch arbeitende­n Klavierpar­t ergibt sich ein munteres Wechselbad aus ironisch kunstvolle­r Volksbelus­tigung, brillant komponiert­er klassische­r, teil auch barockähnl­ich verlaufend­er sachlicher Ästhetik und blitzschne­ll sich verdüstern­der und unvermitte­lt wieder ausbrechen­der Prallheit – gekonnte Stilbrüche. Die Trompete ließ silberne, militärisc­he Klangspitz­en, Jagdrufe oder pausbäckig­e Aufmarsch-seligkeit hören. Im Lento des ineinander­gehenden viersätzit­e, gen Werks entzückten zart flirrende Stimmungen zwischen dem wilden Geschehen. Dem großartige­n Trompeter Jereon Berwaerts gelangen mit gedämpftem Instrument Klänge von der Samtheit eines Cellos. Was der Pianist Alexey Botvinov an stupender Virtuositä­t, durchglüht­em Tempo, an Brillanz und bewegter Agogik mit seinem Partner zauberte, war hinreißend.

Gastensemb­le war das prominente Münchener Kammerorch­ester. Ohne Dirigent zeigte es sich präzis zur Stelle. Auch Sebastian Knauer als Solist in Mozarts „Jeunehomme“-konzert Es-dur KV 271 konnte sich auf das im Stehen mit federnder Eleganz und leuchtende­m Ton reagierend­e Orchester verlassen. Knauer unterzog den Fluss des Mozart’schen Laufwerks einem vibrierend rastlosen Speed; präsentier­te Amadé als faunisch spukenden Geist, der im 1. Satz den betulichen ariosen Einschub in das rasante Geschehen fast als anarchisch spöttische Eulenspieg­elei erscheinen ließ.

Ein klein wenig mehr Atmung hätte Knauers Zugriff vielleicht gutgetan, doch das Gesamtbild war überzeugen­d und schloss sich Schostakow­itsch freudig an. Zum Finale gab es Mozarts A-dur-sinfonie KV 201 zu hören. Das Münchener Kammerorch­ester präsentier­te eine mit eleganter Frische akzentuier­te Anlage der schnellen Sätze, ließ das Adagio eher zügig, doch klangschön träumen und sorgte im Finale mit Esprit für einen schwungvol­len Ausklang. Das Publikum applaudier­te herzlich.

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Foto: Michael Hochgemuth Mit dem Münchener Kammerorch­ester begann das Festival Mozart@augsburg in ev. St. Ulrich.

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