Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
In Berlin fühlt sich Gikiewicz wohl
Der Torwart ist mit starken Paraden ein Garant für das Augsburger 0:0 bei Union. Aber auch sein Gegenüber Andreas Luthe überzeugt. Was die beiden Torhüter unterscheidet
Irgendwann tauchte auch Rafal Gikiewicz wieder in den Katakomben auf. Seine Mitspieler gaben schon Interviews, als ihr Torwart lautstark und oberkörperfrei die wenigen Stufen vom Spielfeldrand zu den Kabinen hochmarschierte. Er war noch voller Adrenalin und Euphorie. Sein Trikot war er draußen losgeworden, es war ein begehrtes Souvenir. Gikiewicz aber ging nicht gleich in die Kabine der Gäste, er bog zunächst dorthin ab, wo er früher zu Hause war. Er schaute noch einmal bei seinen ehemaligen Kollegen von Union Berlin vorbei. Mit seiner Leistung hatte er denen einen Heimsieg verbaut. Das 0:0 aber stellte sowohl Gastgeber als auch Gäste zufrieden.
Gikiewicz ist in seiner zweiten Saison beim FCA, davor hatte er für Union Berlin gespielt. Er hatte nie einen Zweifel daran gelassen, dass er ein Stück seines Herzens in der Hauptstadt gelassen hatte. Er liebt diesen Klub. Und viele Union-fans haben den Polen nicht vergessen. Beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung riefen etliche hinter dem Fca-torwart den Zusatz „Fußballgott“. Das tun sie sonst nur bei ihren eigenen Spielern. Ein paar Pfiffe flogen ihm allerdings auch entgegen, darunter sogar „Judas-judas-rufe“. Nicht jeder Fußballfan hat Verständnis für einen Vereinswechsel. Gikiwiecz wäre gerne in Berlin geblieben. Ein Verräter, wie mancher Union-fans glauben mag, ist er sicherlich nicht. Vor einem Jahr, bei seiner ersten Rückkehr an die Alte Försterei, war der Torwart noch von allen Berlinern gefeiert worden.
Für Gikiewicz war es ein besonderer Nachmittag. Er hatte etwas flatterhaft begonnen und bei hohen Flanken nicht die nötige Sicherheit. Der 33-Jährige aber steigerte sich, was in seine besten Leistung in dieser Saison mündete. „Rafa hat den ein oder anderen Ball überragend gehalten, das tut ihm sicherlich gut“, meinte Stefan Reuter. Der Geschäftsführer Sport des FCA weiß, dass Gikiewicz an den vorherigen Spieltagen noch ein Stück weit von seiner überragenden Form aus der vergangenen Saison entfernt war. Vor allem die Rettungstaten gegen Awoniyi und Voglsammer kurz hintereinander (73.) waren bemerkenswert. Das sicherte dem FCA einen
Punkt. Und Gikiewicz die Gewissheit, dass er gegen seinen alten Klub offenbar nicht verlieren kann. „Insgesamt war das ein guter Punkt gegen eine sehr gute Mannschaft. Für mich bleibt meine Bilanz gegen meinen Ex-verein auch positiv“, sagte der Torwart. Dass die Augsburger nicht sogar gewannen, lag an Gikiewicz’ Gegenüber: Andreas Luthe. Es war ein Spiel der Torhüter.
„Andi hat zwei, drei Mal richtig gut gehalten. Vor allem den Schuss von Iago hält er sensationell. Aber auch Rafa war sehr stark“, sagte Florian Niederlechner. Luthe war lange Zeit beim FCA gewesen. Die Verantwortlichen hatten ihm allerdings nicht zugetraut, auf Dauer eine verlässliche Nummer eins zu sein. Bei Union gelingt ihm das. Das muss auch Reuter anerkennen. „Andi macht es sehr gut. Dass er Woche für Woche solche Leistungen abliefert, ist beachtlich. Bei uns hat er immer das ein oder andere Wehwehchen gehabt, hier spielt er sehr konstant und sehr gut“, meinte der Fca-manager. Dennoch gebe es keinen Grund, sich über den Abgang vor gut einem Jahr zu ärgern. „Beide Vereine sind mit ihren aktuellen Torhütern sehr zufrieden, Rafa hat für uns ein überragendes Jahr gespielt, da brauchen wir uns nicht zu ärgern“, meinte Reuter.
Für Luthe könnte die gute Leistung eine Genugtuung sein. Der 34-Jährige aber analysierte die Partie ganz emotionslos. „Es freut mich, dass ich zu Null gespielt haben. Was mich ärgert, ist, dass wir das Spiel nicht entschieden haben“, meinte der Torhüter. Genau diese ruhige Art schätzt auch sein Trainer. „Seine Gelassenheit, dieser ruhende Pol, tut uns gut. Das ist seine größte Stärke – und er weiß natürlich auch, wie man Bälle fängt“, sagte Urs Fischer. Die Fans waren da weit emotionaler. Sie feierten ihren Torwart. „Luthe, Luthe“-rufe schallten von der Tribüne.
In ihrem Ehrgeiz sind sich die beiden Torhüter ähnlich. In ihrem Naturell unterscheiden sie sich. Luthe ruhig und besonnen, Gikiewicz lautstark und emotional. Beide sorgten dafür, dass die Partie torlos und nicht etwa 2:2 oder 3:3 endete. „Vielleicht hatte beiden Torhütern geholfen, dass sie die gegnerische Mannschaft gekannt haben“, meinte Markus Weinzierl. Manchmal kann Fußball einfach sein.