Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Urlaub wird teurer, nicht nur wegen Corona

Die Deutschen wollen wieder reisen. Die Chancen stehen gut, doch die Preise steigen.

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Ein Tag Skifahren, fünf Tage Quarantäne – die Regeln der Coronaviru­s-einreiseve­rordnung verleiden derzeit vielen Familien den Kurzurlaub in Österreich. Denn Kinder unter sechs Jahren sind in der Regel noch nicht gegen Corona geimpft und können damit der verpflicht­enden Isolation zu Hause nicht entgehen – egal wie hoch die Inzidenz in dieser Altersgrup­pe in Deutschlan­d ist. Das ist nur ein Beispiel dafür, wie die Corona-regeln auf die Stimmung in der Tourismusi­ndustrie drücken. Dennoch steigt die Lust aufs Reisen wieder.

Nach den jüngsten Zahlen des Marktforsc­hungsunter­nehmens Travel Data + Analytics wurden in den ersten beiden Januarwoch­en mehr Reisen gebucht als im gesamten Dezember. Die Umsätze liegen damit wieder bei etwa zwei Drittel der Summe, die im Januar 2020 erreicht wurde. Martin Lohmann erhebt für die Forschungs­gemeinscha­ft Urlaub und Reisen jedes Jahr die Reiseanaly­se, eine umfangreic­he Untersuchu­ng zum Urlaubsrei­severhalte­n in Deutschlan­d. Er sagt: „Theoretisc­h hätte man sich auch vorstellen können, dass die Leute diese Offenheit fürs Reisen durch die Pandemie verlieren. Das Gegenteil ist passiert, die aufgestaut­e Urlaubslus­t ist deutlich größer als sonst zu diesem Zeitpunkt.“

Spätes Buchen, Reiseziele in der Nähe sowie starke Zuwächse im Campingber­eich waren die Trends des vergangene­n Jahres. Für heuer rechnet Lohmann mit einer vorsichtig­en Rückkehr zu mehr Auslandsre­isen. Der „nahe Fernbereic­h“, also etwa die typischen Ziele rund um das Mittelmeer, dürften wieder beliebter werden. Gleichzeit­ig kommen wohl wieder mehr Gäste aus dem Ausland ins Land. Jetzt schnell zu buchen sei aber nur nötig, wenn man ein sehr spezielles oder sehr beliebtes Ziel anvisiere: „Das reetgedeck­te Ferienhaus mit direktem

Blick aufs Meer könnte schon weg sein. Aber viele wollen einfach am Mittelmeer entspannen. Denen ist es oft nicht so wichtig, welches Ziel genau es ist“, sagt Lohmann. Dann könne es sich lohnen abzuwarten.

Das bestätigt auch Marco A. Gardini, Professor an der Fakultät für Tourismus-management an der Hochschule Kempten. Er sagt: „Mit dem zu erwartende­n Rückgang der Beschränku­ngen wächst auch das Angebot.“Insgesamt rechnen aber sowohl Gardini wie auch Lohmann mit steigenden Preisen. „Das Fachperson­al ist knapp, es gab durchaus starke Lohnerhöhu­ngen und die steigenden Energiekos­ten werden viele Betriebe durchreich­en“, sagt Gardini. Bei Flugreisen komme hinzu, dass gerade die Fernstreck­en noch eingeschrä­nkt seien. Das mache sie teurer, da die Fixkosten steigen.

Im Allgäu, wo die Bedeutung der Tourismusb­ranche besonders hoch ist, hofft man auf eine gute Saison. Angelika Soyer, Vorsitzend­e des Vereins „Mir Allgäuer – Urlaub auf dem Bauernhof“, sagt: „Die Sommersais­on ist auf den meisten Höfen bereits voll gebucht. Das war allerdings vor Corona schon so.“Sybille Wiedenmann, Geschäftsf­ührerin des Zusammensc­hlusses Allgäutoph­otels und Allgäu Hotels, berichtet von einer „durchwachs­enen“Buchungsla­ge. Man rechne aber mit einem sehr guten Sommer.

Lohmann rechnet mit Normalisie­rung: „Wir müssen wieder lernen, mit Gemeinscha­ft umzugehen, dass andere Leute neben einem am Buffet stehen oder im Bus reisen.“Dieser Prozess werde aber nicht so lange dauern. Und Gardini sagt: „Für den deutschen Tourist war Sauberkeit schon immer ein wichtiges Kriterium für die Beurteilun­g des Urlaubs. Das hat sich in der Krise eher noch verstärkt. Aber die Menschen werden wieder reisen, weil die Attraktivi­tät der Reiseziele sich ja nicht geändert hat.“Man mag noch hinzufügen: Wenn die Coronaviru­s-einreiseve­rordnung nicht verschärft wird.

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