Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Südafrika beendet die Pandemie

Am Kap verbreitet­e sich Omikron zuerst. Die Regierung reagierte gelassen, der milde Verlauf gab ihr recht. Jetzt folgt der nächste Schritt.

- VON CHRISTIAN PUTSCH

Kapstadt Das Thema Covid erhitzt in Südafrika weiterhin die Gemüter – aber in erster Linie beim Thema Korruption. Bei 62 Prozent aller Verträge, die im Kontext mit der Pandemiebe­kämpfung standen, gab es Unregelmäß­igkeiten, teilte Präsident Cyril Ramaphosa mit. Und wertete den Report dreisterwe­ise als „wichtigen Schritt in unserem Kampf gegen Korruption im öffentlich­en und privaten Sektor“, anstatt die mangelnden Kontrollme­chanismen der Regierung einzugeste­hen.

Die Pandemie selbst hat in der öffentlich­en Debatte ihre Priorität verloren. Gerade mal 3200 neue Infektione­n täglich werden derzeit im Schnitt vermeldet. Das ist ein Siebtel der Zahlen von Mitte Dezember, als die Omikron-virusvaria­nte ihren Höhepunkt in ihrer Fundstätte Südafrika erreicht hatte. Und so geriet eine beachtlich­e Lockerung der Corona-maßnahmen fast zur Randnotiz in den Medien des Landes.

Zwar hält Südafrika anders als England und Dänemark an der Maskenpfli­cht fest. Doch ab sofort müssen sich Infizierte mit milden Symptomen nicht mehr isolieren. Wer Symptome aufweist, geht künftig nur noch sieben anstatt bisher zehn Tage in Quarantäne – eine bemerkensw­erte Entwicklun­g in dem Land, das zu Beginn der Pandemie noch den wohl härtesten Lockdown der Welt hatte.

Davon ist längst keine Rede mehr. Mit Blick auf den katastroph­alen Zustand der Wirtschaft hatte Südafrika schon früh auf einen im internatio­nalen Vergleich eher moderaten Kurs umgeschwen­kt. Selbst als die emsigen Virologen des Landes im November die Omikron-virusvaria­nte

entdeckten und weltweit geradezu reflexarti­g Reisesperr­en gegen das südliche Afrika verhängt wurden, reagierte die Regierung mit demonstrat­iver Gelassenhe­it und sah von einer Verschärfu­ng der Maßnahmen ab.

Eine wichtige Ausnahme war allerdings die Einschränk­ung des Schulbetri­ebes. Besonders die oft überfüllte­n öffentlich­en Schulen waren wegen Regeln zum Social Distancing durchgehen­d auf ein Rotationss­ystem angewiesen. Darauf hatte das Bildungsmi­nisterium bis zuletzt gepocht, obwohl die führenden Virologen da schon längst eine vollständi­ge Öffnung gefordert hatten und die Opposition das juristisch durchsetze­n wollte.

Auch diese Regeln wurden nun also aufgeweich­t. So kehren erstmals seit knapp zwei Jahren alle Schulen in Südafrika zum Regelbetri­eb zurück. In die Normalität, soweit das angesichts der Versäumnis­se möglich ist jedenfalls. So groß wie in Uganda, wo die Schulen zwei Jahre fast komplett geschlosse­n blieben, dürfte dieser soziale Covid-kollateral­schaden nicht sein. Doch Forscher gehen davon aus, dass Grundschül­er allein zwischen März 2020 und Juni 2021 mindestens 70 Prozent ihres Unterricht­sstoffs verpasst haben. Das kommt in einem Land, das im kontinenta­len Vergleich äußerst mäßige Bildungser­gebnisse aufweist, einer Katastroph­e gleich.

In der „Africa CDC“, der Gesundheit­sorganisat­ion der Afrikanisc­hen Union, wird Südafrikas geringe Sieben-tage-inzidenz von 37 und die milde Omikron-welle gleicherma­ßen mit der hohen Zahl der vorangegan­genen Infektione­n und der „hohen Impfquote im Land“erklärt. Die Betonung muss aber klar auf ersterem liegen. Denn nicht einmal 30 Prozent der Bevölkerun­g sind vollständi­g geimpft, obwohl es ausreichen­d Impfstoffe gibt. Noch im Dezember hatte Ramaphosa mit einer Impfpflich­t gedroht.

Auch von diesem Kurs scheint er abgewichen zu sein – wohl nicht zuletzt mit Blick auf neue Antikörper­studien. Sie legen nahe, dass sich trotz hartem Lockdown mit Verkaufsve­rbot von Alkohol und Tabak zwischen 60 und 80 Prozent der Menschen angesteckt haben. Die offiziell 3,6 Millionen Fälle stellen also nur einen Bruchteil der tatsächlic­hen Zahl dar, die Dunkelziff­er ist ungleich höher als in Europa.

Auch in Malawi, wo wie in vielen afrikanisc­hen Ländern nicht einmal zehn Prozent der Bevölkerun­g gegen Covid geimpft sind, zeigen Auswertung­en von Blutspende­n, dass sich wohl die Mehrheit der Bevölkerun­g in den vergangene­n beiden Jahren infiziert hat.

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Foto: Imago Images Maskenpfli­cht ja, Quarantäne nein – mit dieser Linie will Südafrika unter Präsi‰ dent Cyril Ramaphosa die Pandemie hin‰ ter sich lassen.

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