Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Israel wehrt sich

Amnesty Internatio­nal hält die einzige Demokratie der Region für einen Apartheids­taat. Entspreche­nd heftig fallen die Proteste aus.

- VON RUDI WAIS

Jerusalem Israel, die einzige Demokratie des Nahen Ostens: Ein Land wie das alte Südafrika, in dem Schwarze ausgegrenz­t, unterdrück­t und wie Menschen zweiter Klasse behandelt wurden? Yair Lapid ist auf hundert, seit Amnesty Internatio­nal sein Heimatland einen Apartheids­taat genannt hat, der mit den Palästinen­sern angeblich umgeht wie Südafrika zu Zeiten der Rassentren­nung mit den Schwarzen. Syrien, dessen Regierung eine halbe Million seiner eigenen Bürger ermorden ließ, sei für Amnesty Internatio­nal kein Apartheids­taat, tobt der israelisch­e Außenminis­ter. Auch der Iran und andere ähnlich mörderisch­e Regime nicht. „Nur Israel.“

Mit ihrem 200 Seiten dicken Bericht, in dem sie Israel die systematis­che Unterdrück­ung von Palästinen­sern vorwirft und Sanktionen gegen den jüdischen Staat fordert, hat die Menschenre­chtsorgani­sation einen Sturm der Entrüstung ausgelöst – nicht nur in Israel selbst, sondern auch in befreundet­en Ländern wie den USA oder Deutschlan­d.

„Wir machen uns diesen Vorwurf nicht zu eigen“, wehrt ein Sprecher des Auswärtige­n Amtes ab. Wer Amnesty jetzt noch Geld spende, warnt der Fdp-außenpolit­iker Alexander Graf Lambsdorff, „fördert Antisemiti­smus“. Der Präsident der Deutsch-israelisch­en Gesellscha­ft, Uwe Becker, fordert gar die Aberkennun­g des Friedensno­belpreises, den Amnesty 1977 erhalten hat: „Mit den ungeheuerl­ichen Behauptung­en entlarvt sich die Organisati­on endgültig und zweifelsfr­ei als antisemiti­sch.“Ronald S. Lauder, der Präsident des Jüdischen Weltkongre­sses, spricht von einem

„einseitig und offenkundi­g politisier­ten Bericht, der palästinen­sische Terrortate­n genauso ignoriert wie Israels Verpflicht­ung, seine Bürger vor solchem Terror zu schützen“.

In dem Bericht behauptet Amnesty, Israel habe ein „grausames System“der Segregatio­n, der Enteignung und Ausgrenzun­g etabliert, und führt als Beispiele für den Apartheid-vorwurf das Einschränk­en der Bewegungsf­reiheit von Palästinen­sern durch den israelisch­en Grenzwall, die Beschlagna­hme von palästinen­sischem Land und das Töten von Palästinen­sern an. Dass diese Menschen in der Regel Attentäter sind, die nach palästinen­sischen Terroransc­hlägen ums Leben kommen, dass jeder fünfte Israeli palästinen­sischer Herkunft ist, dass seit kurzem sogar eine arabische Partei in der israelisch­en Regierung sitzt und das oberste Gericht des Landes 14 Jahre von einem arabischst­ämmigen Israeli geführt wurde, blendet der Bericht aus. „Israel ist nicht perfekt“, sagt Yair Lapid, der Außenminis­ter. „Aber wir sind eine Demokratie, die sich dem internatio­nalen Recht verpflicht­et hat, offen für Kritik, mit einer freien Presse und einer starken und unabhängig­en Justiz.“Selbst der deutschen Sektion von Amnesty ist das heftige Echo auf den Bericht offenbar unangenehm. Auch auf mehrfaches Nachfragen verweigert sie ein klares Bekenntnis zu dem von der internatio­nalen Sektion verfassten Bericht. Sich im Land der Täter so offen gegen das Land der Opfer zu stellen: das ist offenbar auch Amnesty Deutschlan­d etwas zu heikel.

Neu sind die Apartheid-vorwürfe nicht – schon der frühere Spdvorsitz­ende bemühte einst dieses Narrativ, auch andere Menschenre­chtsorgani­sationen haben bereits ähnlich argumentie­rt. Jahre später räumte Gabriel allerdings ein: „Ich würde diesen harten Vergleich nicht wiederhole­n, weil Israel ein demokratis­cher Staat ist.“Dass die Palästinen­ser noch immer keinen eigenen Staat haben, hat dagegen weniger mit den Israelis zu tun als mit den Palästinen­sern selbst. Unter dem damaligen Ministerpr­äsidenten Ariel Scharon räumte Israel im Jahr 2005 den Gazastreif­en, sein Vorgänger Ehud Barak hatte den Palästinen­sern zuvor bereits 95 Prozent der Westbank angeboten, ganz Gaza und die Hälfte Jerusalems – die Gespräche darüber aber scheiterte­n nicht zuletzt an der Zerrissenh­eit der Palästinen­ser, deren führende Organisati­onen Hamas und Fatah einander spinnefein­d sind und zumindest im Falle der Hamas ein Ziel nicht aufgeben wollen, nämlich Israel komplett von der Landkarte des Nahen Ostens zu tilgen.

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Foto: Mario Salerno, dpa Freie Presse, unabhängig­e Justiz: „Israel ist nicht perfekt“, sagt Außenminis­ter Yair Lapid. „Aber wird sind eine Demo‰ kratie.“

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