Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Keine Entspannun­g in Sicht

Rekorde an der Tankstelle werden derzeit beinahe täglich aufgestell­t. Das liegt zuallerers­t am hohen Ölpreis. Doch dahinter steht auch der drohende Konflikt zwischen Russland und der Ukraine – und die neue Macht der Opec.

- VON CHRISTINA BRUMMER

Augsburg Wenn Preise Rekorde brechen, ist das meist keine gute Nachricht. Zumindest nicht für Autofahrer­innen und Autofahrer, denn die Spritpreis­e haben einen neuen Höchststan­d erreicht. Durchschni­ttlich kostete der Liter Diesel in Deutschlan­d am Dienstag 1,64 Euro. Beim Benzin waren es 1,712 Euro für den Liter Super E10. Bereits am Mittwoch hat zumindest der Benzinprei­s den nächsten Rekord geknackt, wie Adac-sprecher Andreas Hölzl mitteilt: Auf 1,714 Euro war der Preis für E10 im Tagesdurch­schnitt gestiegen. Der bisherige Benzin-rekordwert war 2012 erreicht worden. Wann ist in Sachen Preissteig­erung ein Ende in Sicht?

Die Schallmaue­r an der Zapfsäule, zwei Euro pro Liter, ist – übersetzt auf den Ölmarkt – die Grenze von 100 Dollar für ein Barrel, also für 159 Liter, Rohöl. Und diesem Wert nähern sich die Preise immer weiter an. Am Donnerstag kostete ein Barrel der Nordseesor­te Brent bereits rund 89 Dollar. Woran liegt das? Gabor Vogel beobachtet als Analyst bei der Frankfurte­r DZ Bank den Rohstoffma­rkt. Laut seiner Einschätzu­ng ist der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland derzeit der größte Preistreib­er. Denn beim Handel an der Börse treibe ein solcher Konflikt die Preise in die Höhe, ein Art Risikoaufs­chlag kommt oben drauf. Das könnten dann schon einmal zehn bis 15 Dollar pro Barrel sein. Spitze sich der Konflikt weiter zu, könne der Ölpreis schnell die 100-Dollar-marke durchbrech­en.

Mit Spannung wurde am Mittwoch daher die monatliche Konferenz der Opec-plus-staaten erwartet, zu denen auch Russland gehört. Bei der Konferenz werden die Fördermeng­en für den kommenden Monat festgelegt. Manche Abnehmerlä­nder hofften auf eine höhere Fördermeng­e, die die Preise drücken könnte. Doch das Öl-kartell hob seine Förderziel­e nicht deutlich an und blieb bei einer moderaten Steigerung. Mit Auswirkung­en auf den Ölpreis: Der legte nach der Konferenz leicht zu. Vogel sieht die Förderpoli­tik der Opec als einen weiteren Faktor, der den Preis nach oben treibt.

Denn manche Länder erreichten schlicht die Förderziel­e nicht. Dazu gehörten etwa Nigeria, Libyen und Russland. „Eine Erklärung ist, dass die Kapazitäte­n während des Corona-schocks abgebaut hat. Eine andere Erklärung wäre, dass das Land aus politische­n Gründen weniger produziert“, sagt Vogel. Am Markt herrsche daher „eine gewisse Scheinknap­pheit“, manche Opecmitgli­eder könnten zwar mehr produziere­n, tun dies aber bislang nicht.

Doch auch Corona beeinfluss­t die Ölpreise: „Es gab die Erkenntnis, dass die Omikron-welle nicht so stark ausfallen wird wie gedacht“, so Vogel weiter. Die Nachfrage nach Waren und Dienstleis­tungen und damit nach Öl sei 2022 bisher also höher ausgefalle­n als erwartet. Kurzfristi­g mag der Experte auch keine Entwarnung für die Verbrauche­r geben. „Ich denke, die Ölpreise werden etwa drei Monate lang so bleiben. Gegen Jahresmitt­e wird der Preis jedoch wieder auf 80 Dollar pro Barrel fallen.“Fürs Jahresende erwartet Vogel dann einen Wert von 75 Dollar. Denn bei den aktuellen Preisen werde die Nachfraged­ynamik abnehmen. Damit werde es wohl mittelfris­tig mehr Angebot als Nachfrage geben und der Preis fallen. „Das allerdings nur, wenn es zu keiner Invasion russischer Truppen in die Ukraine kommt“, betont Vogel.

Und wer profitiert vom hohen Preis? Vor allem bei den Ölkonzerne­n sprudeln die Gewinne. Die seien jedoch nötig, damit diese auch in errussland neuerbare Energien investiere­n könnten. Bei den Händlern und Tankstelle­n seien die Margen eher gering. Klar ist für Vogel: „Wer die Zeche bezahlt, ist der Kunde an der Zapfsäule.“

Der wiederum muss versuchen, seine Marktmacht auszuüben, sagt

Andreas Hölzl vom ADAC. „Grundsätzl­ich ist es so, dass es Tankstelle­n gibt, die immer teurer sind als andere.“Auswertung­en hätten gezeigt, dass in Deutschlan­d im Mittel die Preise in der Früh am höchsten und abends am niedrigste­n seien. Am besten, man vergleicht vor der Fahrt per App die Tankstelle­n auf der Strecke und wählt dann die günstigste, so der Adac-sprecher. Die Preispolit­ik funktionie­rt dabei so: „Die Tankstelle­n starten morgens teuer in den Tag, dann sorgt der Wettbewerb­sdruck im Tagesverla­uf, dass sie peu à peu nachgeben müssen.“Man versuche schlicht, einen teuren Preis zu etablieren, der ließe sich jedoch meist nicht halten. Wer sparen will, muss also – wie überall sonst auch – Preise vergleiche­n.

Doch nicht nur beim Tanken kann es teuer werden. Auch Besitzer von Ölheizunge­n müssen mit höheren Preisen rechnen, denn die Nachfrage nach Heizöl könnte bald steigen. Das bestätigt Silke Teltscher vom Heizölhänd­ler Präg aus Kempten. Kurz vor Einführung der Energieste­uer hätten die Kunden „Hamsterkäu­fe“getätigt und ihre Tanks gefüllt. Die leerten sich nun zusehends. „Wir sind auf einem Sieben-monat-tief bei den Privathaus­halten.“Noch sei die Auftragsla­ge jedoch entspannt. Die Firma betreibt auch 120 Tankstelle­n, hauptsächl­ich in Süddeutsch­land. Fahren die Leute wegen der Spritpreis­e auch weniger? „Ja, generell wird weniger gefahren, wir können aber nicht genau ausmachen, ob das coronabedi­ngt, also durch Homeoffice, oder etwa fehlende Urlaubsfah­rten kommt“, so Teltscher.

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Foto: Ulrich Wagner Experten rechnen erst im zweiten Halbjahr mit einer Entspannun­g auf den Ölmärkten.

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