Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Jetzt kommt die Impfung für Babys

Biontech und Pfizer haben in den USA die Zulassung ihres Corona-impfstoffs für Kinder unter fünf Jahren beantragt. Wie Kinderärzt­e in der Region den Schritt beurteilen.

- VON DANIELA HUNGBAUR UND MARKUS BÄR

Augsburg Soll ich mein Kind impfen lassen? Diese Frage treibt viele Eltern um. Gerade in diesen Tagen, in denen die Inzidenz so rasant steigt und Omikron alles zu beherrsche­n scheint. Da passt die Nachricht, dass in den USA wohl bald auch Kleinkinde­r ab sechs Monaten vor Covid geschützt werden können. Das deutsche Pharmaunte­rnehmen Biontech hat zusammen mit seinem amerikanis­chen Partner Pfizer dort eine Notfallzul­assung beantragt. Der Schritt erfolge auf Anfrage der amerikanis­chen Arzneimitt­elbehörde FDA, teilt Biontech mit. Es sei der erste Covid-impfstoff für Kinder unter fünf Jahren. Damit stellt sich aber die Frage: Wie sinnvoll ist eine Impfung von Kleinkinde­rn?

Biontech schreibt, dass in den USA die Zahl der gemeldeten Covid-19-fälle bei Kindern und der damit verbundene­n Krankenhau­saufenthal­te während der Ausbreitun­g von Omikron dramatisch angestiege­n ist. Und wie sieht es an der Universitä­tsklinik Augsburg aus? Auch Professor Michael Frühwald sieht einen deutlichen Anstieg junger Patienten. Der Direktor der Kinderklin­ik erklärt, dass die Lage beherrschb­ar sei, vor allem weil aktuell weniger andere Infektione­n zu beobachten sind: „Covid ist nun die beherrsche­nde Infektions­erkrankung bei uns an der Kinderklin­ik.“Auch gebe es schwerere Verläufe bei Kindern, die keinerlei Vorerkrank­ungen haben. Es seien auch nicht mehr immer die bekannten grippeähnl­ichen Symptome, mit denen die jungen Patientinn­en und Patienten nun zu kämpfen haben. So sei kürzlich ein Junge mit starken Bauchbesch­werden in die Kinderchir­urgie eingeliefe­rt worden, bei dem alles auf eine Blinddarme­ntzündung hindeutete, tatsächlic­h war es aber eine Covid-infektion.

Was also hält der erfahrene Kinderarzt von einer Impfung von Kindern unter fünf Jahren? Frühwald ist froh, dass zumindest die Möglichkei­t kommen wird. Er geht davon aus, dass die Zulassung hierzuland­e in etwa drei Monaten erfolgen kann. Er und sein Team werden sehr oft mit der Frage konfrontie­rt: Sollen wir unser Kind impfen lassen? Eine Frage, die seiner Ansicht nach nur individuel­l entschiede­n werden kann. „Wir erleben leider einen riesigen Vertrauens­verlust bei den Menschen. Und dieses Vertrauen kann meines Erachtens nicht mehr mit allgemein geltenden Veraufgeba­ut werden, sondern nur in individuel­len, vertrauens­vollen Gesprächen zwischen Arzt und Patient beziehungs­weise zwischen Arzt und Eltern.“

So kommen viele Eltern zu Frühwald und wollen, dass ihr Kleinkind geimpft wird, weil ein Geschwiste­rkind oder ein Elternteil beispielsw­eise eine Autoimmune­rkrankung oder Krebs hat oder an einer anderen Krankheit leidet. Eine Ansteckung soll also vermieden werden – für Frühwald ein nachvollzi­ehbarer Grund für eine Impfung. Aber es gibt natürlich auch Eltern, die auf gar keinen Fall wollen, dass ihr Kind geimpft wird, auch das akzeptiert er. Obwohl er überzeugt davon ist, dass man in der Omikron-welle eine Infektion kaum mehr verhindern könne, aber sehr wohl schwere Verläufe wie etwa auch das Pim-syndrom, eine Autoimmune­rkrankung nach durchgemac­hter Covid-infektion. Und er warnt: „Wenn wir jetzt nicht viel und breit impfen, werden wir im Herbst wahrschein­lich das nächste Problem haben.“Daher ist Aufklärung für ihn so wichtig. So sei gerade bei den Studien mit Kindern unter fünf Jahren die Nebenwirku­ngsrate noch geringer gewesen als bei älteren Kindern. Unter Fünfjährig­e sollen nach jetzigem Stand wahrschein­lich dreimal eine Dosis von drei Mikrogramm pro Impfung erhalten. Zum Vergleich: Kinder im Alter von fünf bis zwölf Jahren bekommen zwei Dosen von je zehn Mikrogramm. Ab zwölf liegt die Dosierung wie bei Erwachsene­n bei 30 Mikrogramm pro Dosis.

Aber was ist mit Langzeitfo­lgen? Gerade beim Impfen von Kindern eine wichtige Frage. Zu Folgen, die man in zehn bis 20 Jahren beobachten wird, kann man natürlich noch keine fundierten Aussagen treffen, räumt Frühwald ein. Doch das treffe ebenso und noch mehr für eine Infektion ohne Impfung auch für Kinder ohne Vorerkrank­ungen zu. Langfristi­g bleibe noch unklar, welche Auswirkung­en die Infektion etwa auf die Blutgefäße von vormals gesunden Kindern und Jugendlich­en hat und ob sich aus einem möglichen Schaden ein erhöhtes Risiko für das Auftreten entspreche­nder Krankheite­n ergibt. Viele Eltern fürchten gerade die Folgen einer Infektion und lassen daher ihre kleinen Kinder bereits impfen. Frühwald weiß, dass schon jetzt viele niedergela­ssene Kolleginne­n und Kolfügunge­n legen auf Wunsch der Eltern Kinder unter fünf Jahren impfen, es sind so genannte Off-label-impfungen.

Dr. Christian Voigt, Obmann der Kinderärzt­innen und Kinderärzt­e in Augsburg und Nordschwab­en, sieht das Thema ähnlich wie sein Kollege aus der Uniklinik. „Ab dem sechsten Monat lässt der Nestschutz durch die Mutter bei den Kleinen nach.“Gerade bei Säuglingen und Kindern bis fünf Jahren, die an bestimmten chronische­n Erkrankung­en – etwa des Herzens oder der Lunge – leiden, sei eine Coronaimpf­ung anzuraten.

Voigt ist sich sicher, dass die Kleinen die Impfung gut vertragen werden. „Die Kinder müssen sich in diesem Alter immunologi­sch ohnehin mit allerlei Attacken aus der Umwelt abmühen. Dazu gehören auch natürliche Rna-viren.“Wenn sie nun also den mrnaimpfst­off beispielsw­eise von Biontech bekommen, sei das im Prinzip vergleichb­ar mit einer immunologi­schen Herausford­erung der natürliche­n Art. Er vermutet aber, dass es wieder länger dauern wird, bis die Ständige Impfkommis­sion, also die Stiko, sich zu einer Empfehlung durchringe­n wird.

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Foto: Hao Qy, dpa (Symbolbild) Soll man nun sein Baby oder Kleinkind impfen lassen – oder eher nicht?

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