Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Da kann ich mich nur schämen“

Prälat Lorenz Wolf nimmt Stellung zum Münchner Missbrauch­sgutachten. Danach kommt es zum Eklat.

- VON DANIEL WIRSCHING

München Um kurz vor 17 Uhr meldet sich am Donnerstag Lorenz Wolf zu Beginn des öffentlich­en Teils der Br-rundfunkra­tssitzung zu Wort. Seit 2014 leitet der Kirchenman­n das Aufsichtsg­remium des Senders – nicht so an diesem Tag. Professor Godehard Ruppert, sein Stellvertr­eter, hat übernommen. Wie Wolf katholisch­er Theologe – und früherer Präsident der Otto-friedrich-universitä­t Bamberg. Wolf kämpft um seinen Ruf. Sein Umgang mit Missbrauch­sfällen hat ihn möglicherw­eise nahe an ein jähes Ende seiner beeindruck­enden Karriere geführt. Derzeit „ruhen“alle seine Ämter und Aufgaben.

Im Mai wäre Wolfs Zeit als Vorsitzend­er des Rundfunkra­ts ausgelaufe­n, am Donnerstag wollte er sich eigentlich in den Verwaltung­srat wählen lassen. Er würde damit die Geschäftsf­ührung der Intendanti­n überwachen. Daraus wird nichts: Wolf erklärt in der Videoschal­te, er werde den Rundfunkra­ts-vorsitz weiter ruhen lassen und stehe nicht für die Wahl in den Verwaltung­srat zur Verfügung. Zugleich macht er klar, dass er nicht zurücktret­en möchte. Helmut Markwort, medienpoli­tischer Sprecher der Fdp-landtagsfr­aktion, wird später von einer „Schande“sprechen.

Wolf kündigt stattdesse­n an, dass er zu allen Vorwürfen gegen ihn im Missbrauch­sgutachten für das Erzbistum München und Freising, das am 20. Januar veröffentl­icht wurde, noch Stellung nehmen werde. Den Gutachtern der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl hält er ein vorgefasst­es „Narrativ“sowie „gutachterl­iche Verdächtig­ungen“vor.

Wolf soll sich ihnen zufolge mehrfach „kritikwürd­ig“verhalten haben im Umgang mit Missbrauch­sfällen. Sie gewannen den Eindruck, dass für ihn „die Interessen der des sexuellen Missbrauch­s beschuldig­ten Priester gegenüber denen der mutmaßlich­en Geschädigt­en im Vordergrun­d standen“. Auch Betroffene kritisiert­en ihn scharf.

Wolf, Leiter des Kirchenger­ichts, war aufgrund dieses und einer Vielzahl weiterer Ämter einer der einflussre­ichsten Kleriker Bayerns. Am Mittwoch kritisiert­e ihn jedoch selbst sein Erzbischof Reinhard Kardinal Marx. Er könne es „natürlich so nicht stehen lassen“, dass Wolf den Gutachtern gegenüber die Legitimitä­t der Untersuchu­ng insgesamt infrage habe stellen lassen.

Wolf wehrt sich am Donnerstag. Er sagt unter anderem: Als oberster Kirchenric­hter habe er keine Zuständigk­eit für Personalen­tscheidung­en oder disziplina­rische Angelegenh­eiten. Selbstkrit­isch zeigt er sich gleichwohl. Mit Blick auf Missbrauch­sfälle in der katholisch­en Kirche erklärt er: „Da kann ich mich nur schämen. Schämen auch dafür, dass auch ich Schuld auf mich geladen habe. Immer, wenn ich mich nicht nachhaltig genug an die Seite der Opfer gestellt habe; immer dann, wenn ich die Situation falsch eingeschät­zt habe, zu kurz angebunden war, den Ton nicht getroffen habe oder Hilferufe nicht gehört habe.“

Zum Eklat kommt es nach Wolfs Statement, weil er sich gegen kritische Aussagen der Grünen-landtagsab­geordneten Sanne Kurz – Mitglied im Rundfunkra­t – verwahrte. Nicht nur sie und ihr Kollege Martin Runge (Grüne) reagieren empört. Runge sagt über Wolf: „Er hätte seinen Rücktritt erklären sollen, aber nicht eine langatmige Verteidigu­ngsrede halten dürfen.“Dies sei ein „Missbrauch des Gremiums“, den Godehard Ruppert zugelassen habe. Der spricht danach von einem „Zwischensc­hritt“. Eine Diskussion lässt er nicht zu. Wolf hat sich da schon verabschie­det.

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Lorenz Wolf

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