Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Entwickelt Deutschlan­d keine Kampfhubsc­hrauber mehr?

Im Gegensatz zu Frankreich scheint Berlin kein Interesse an einem besseren Tiger-helikopter zu haben. Was das für Donauwörth bedeutet.

- VON STEFAN STAHL

Donauwörth/berlin Das neue Zauberwort beim Einkauf von Rüstungsgü­tern lautet „off the shelf“, also „ab Lager“. Seit Kanzler Olaf Scholz nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von einer „Zeitenwend­e“spricht, ändert sich auch die Politik bei der Beschaffun­g militärisc­her Güter. Der Druck auf die Bundesregi­erung ist groß geworden, Panzer, Schiffe, Flugzeuge und Hubschraub­er nicht erst drei, vier Jahre oder noch später nach der Bestellung zu bekommen, sondern von der Stange zu kaufen. So fiel die Wahl auffällig häufig auf amerikanis­che Modelle wie den Tarnkappen­bomber F-35. Und die Bundesregi­erung will auch schwere Ustranspor­thubschrau­ber des Typs CH-47 Chinook von Boeing bestellen. Das zeichnete sich schon vor dem Krieg ab, hat Airbus doch so einen Helikopter nicht im Angebot.

Es fließen also Milliarden in die USA. Wo bleibt da der von Frankreich und Deutschlan­d dominierte Airbus-konzern, schließlic­h sollen gut 40 Milliarden Euro für Einsätze in der Luft aufgewandt werden? Wolfgang Schoder, Deutschlan­dchef von Airbus Helicopter­s, macht sich im Gespräch mit unserer Redaktion Hoffnung, dass die Ustranspor­thubschrau­ber zumindest von dem europäisch­en Hubschraub­er-bauer gewartet werden. Hier gebe es eine entspreche­nde Vereinbaru­ng zwischen Boeing und Airbus. Das langfristi­g ausgericht­ete Instandhal­tungsgesch­äft gilt als finanziell lukrativ und würde Arbeitsplä­tze am größten deutschen Standort in Donauwörth absichern.

Dort arbeiten rund 6500 Menschen fest für das Unternehme­n. Schoder kündigt wegen der vor allem guten Auftragsla­ge für zivile Hubschraub­er an, dass in dem nordschwäb­ischen Werk rund 200 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze sowohl mit dem Schwerpunk­t auf neue Technologi­en als auch Stellen mit klassisch technische­r Ausrichtun­g entstehen sollen. Rund die Hälfte der geplanten Einstellun­gen sei bereits in diesem Jahr erfolgt.

Doch mit einem Instandhal­tungsauftr­ag für amerikanis­che Helikopter will sich Schoder nicht begnügen. Er zeigt sich enttäuscht, „dass im Luftfahrtb­ereich die zwei großen Brocken in die USA gehen“. Airbus Helicopter­s könnte aber noch von dem 100-Milliarden-programm profitiere­n. Der Manager sagt: „Wir rechnen uns Chancen aus, dass wir bei der Beschaffun­g von leichten militärisc­hen Unterstütz­ungshubsch­raubern mit unserem bewährten Model H145M zum Zuge kommen.“Die in Donauwörth produziert­en Maschinen genießen bei der Bundeswehr wegen ihrer pünktliche­n Lieferung und der hohen Einsatzber­eitschaft einen guten Ruf. Der Airbus-mann ist nun gespannt darauf, wie der Kauf-prozess für diese kleineren Hubschraub­er abläuft: „Es ist interessan­t, ob Produkte der heimischen Industrie auch so schnell und unkomplizi­ert wie Us-fluggeräte beschafft werden. Das ist für mich jetzt der Lackmustes­t.“Auf alle Fälle verspricht der Deutschlan­d-chef des Hubschraub­er-hersteller­s: „Wir können die Maschinen zwölf Monate nach der Bestellung der Bundeswehr auf den Hof stellen.“Das würde dem von

Scholz favorisier­ten Einkauf ab Lager entspreche­n. Noch ist unklar, ob die Bundesregi­erung leichte militärisc­he Hubschraub­er made in Donauwörth ordert. Bei einem anderen Helikopter-thema scheint mehr Klarheit zu herrschen – und das zum Leidwesen von Airbus Helicopter­s. Denn die Bundesregi­erung wirkt nicht gewillt, den Kampfhubsc­hrauber Tiger technisch rundzuerne­uern, also weiterzuen­twickeln. Das machen jedoch die Airbus-länder Frankreich und Spanien. Deutschlan­d könnte hier also ausscheren,

was in Paris mit Sorge zur Kenntnis genommen wird. Der Tiger ist einer der Säulen französisc­h-deutscher Rüstungszu­sammenarbe­it. Dabei wäre eine Fortsetzun­g der Tigerstory wichtig für die Beschäftig­ten in Donauwörth, würde das doch reichlich Arbeitsplä­tze garantiere­n.

Schoder ist nun „sehr enttäuscht, dass die Weiterentw­icklung des Tigers nicht in dem 100-Milliarden­programm enthalten ist“. Der Manager würde es begrüßen, wenn die Bundesregi­erung bei dem Kampfhubsc­hrauber langfristi­ger denkt.

So warnt er: „Wenn wir nicht beim Tiger dranbleibe­n, besteht die Gefahr, dass Deutschlan­d die Fähigkeit verliert, Kampfhubsc­hrauber zu entwickeln.“Noch hat Berlin dem Tiger nicht endgültig die Rote Karte gezeigt, es deutet sich aber an.

In den vergangene­n Jahren haben sich negative Berichte über den Tiger gehäuft. Der Tenor lautet stets: Die Einsatzfäh­igkeit des Hubschraub­ers sei zu gering. Zu viele der deutschen Maschinen stünden immer wieder am Boden. Auffällig ist aber auch: In Spanien und Frankreich sieht die Situation besser aus. Und auch bei deutschen Auslandsei­nsätzen in Mali oder Afghanista­n soll der Tiger häufig in der Luft gewesen sein. Schoder sagt dazu: „Die Performanc­e des Kampfhubsc­hraubers ist sehr gut.“Warum gibt es dann vor Ort in Deutschlan­d immer wieder massive Probleme? Der Airbus-manager räumt Defizite bei der Verfügbark­eit ein. Er spricht von einem Verbesseru­ngsbedarf, etwa was die Beschaffun­g von Ersatzteil­en betrifft. Hier sieht der Luftfahrt-manager Industrie wie Bundeswehr gefordert. Schoder zeigt sich zuversicht­lich: „Wir kriegen die Probleme in den Griff.“In Deutschlan­d wird der Tiger von der Bundeswehr und der Industrie gewartet. Hier hakte es immer wieder. Inzwischen gibt es eine gemeinsame Zielverein­barung der beiden Partner, wie Wartungszi­ele erreicht werden. Erste Fortschrit­te zeichnen sich ab. Schoder wünscht sich einen zusätzlich­en „leistungsa­bhängigen Vertrag“mit der Bundeswehr. Der soll so funktionie­ren: Wenn alles wie versproche­n läuft, bekommt Airbus einen finanziell­en Bonus, sonst droht ein Malus. Neue Verträge, welche die Bundeswehr mit Us-kunden abschließt, sind mit solchen leistungsa­bhängigen Klauseln versehen. Dabei ist es schwer zu sagen, wie viele Tiger am Boden stehen, weil Ersatzteil­e fehlen. Schoder macht keine konkreten Angaben. Er räumt ein, die Situation sei schlechter, als dies angemessen wäre. Dass sich auch die Bundeswehr mit Details zurückhält, hat einen einfachen Grund: Solche Informatio­nen könnten Ländern wie Russland Rückschlüs­se über die Verteidigu­ngsfähigke­it Deutschlan­ds liefern.

 ?? Foto: PIGEYRE Pascal Masterfilm­s/airbus Helicopter­s ?? Deutschlan­d will wohl den Kampfhubsc­hrauber Tiger nicht weiterentw­ickeln.
Foto: PIGEYRE Pascal Masterfilm­s/airbus Helicopter­s Deutschlan­d will wohl den Kampfhubsc­hrauber Tiger nicht weiterentw­ickeln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany