Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Bergwacht rettet 99 Schüler
Die Jugendlichen hatten sich bei einer Wanderung mit ihren Lehrern durch die Allgäuer Alpen auf das Internet verlassen – und mussten um Hilfe rufen.
Mittelberg Für die Bergretter im Kleinwalsertal war es ein Großeinsatz: 99 Schüler zwischen zwölf und 14 Jahren sowie acht Lehrkräfte sind dort am Dienstagabend in Bergnot geraten. Sie waren nach Polizeiangaben am Nachmittag an ihrer Unterkunft im Heuberggebiet angekommen. Wegen des schönen Wetters entschieden die Lehrer, mit den Schülern eine Bergtour in der Nähe zu machen. Statt den Schildern zu folgen, wählte die Gruppe aus Ludwigshafen eine Route, die eine Lehrkraft im Internet gefunden hatte. Dort wurde sie als „Feierabendrunde“bezeichnet – tatsächlich handelt es sich beim Heuberggrat um einen teilweise ausgesetzten Weg mit Kletterpassagen, dort sind Schwindelfreiheit, Trittsicherheit und Erfahrung in alpinem Gelände nötig.
Schüler und Lehrer nahmen den Weg in acht Kleingruppen in Angriff, bald setzte jedoch Regen ein. Der Weg wurde rutschig, nicht alle trugen optimale Schuhe. Eine Lehrkraft entschied sich zur Umkehr. Dabei rutschten zwei Schüler ab und verletzten sich leicht. Einige Jugendliche gerieten laut Polizei in Panik, die Lehrer setzten einen Notruf ab. Es folgte eine groß angelegte Rettungsaktion: Zwei Helikopter bargen den Großteil der Schüler und Lehrer per Seil und brachten sie zu einem Zwischenlandeplatz. Von dort ging es mithilfe von Bergrettung und Feuerwehr weiter.
Mehrere Schüler waren laut Polizei „völlig aufgelöst“. Mittelbergs Bürgermeister Andi Haid sagte dennoch, man könne „von großem Glück sprechen“. Denn das Wetter habe Flüge zugelassen. „Wenn schlechtes Wetter aufgezogen wäre, hätte man alle den Fußweg hinunterbringen müssen. Das hätte bis spät in die Nacht gedauert, mit undenkbaren Herausforderungen.“So sei der Einsatz kurz nach 21 Uhr beendet gewesen. Die Schüler haben den Zwischenfall laut Haid so weit gut überstanden.
Im Netz steht nun auch der Verfasser des Beitrags am Pranger, der die Tour als „wirklich klasse Feierabendrunde“bezeichnet hatte. Andere sehen die Verantwortung bei den Lehrern, die sich bei Nässe und offenbar ohne genaue Recherche auf den Weg gemacht hätten. Der Autor des Tourentipps, dessen Name der Redaktion bekannt ist, gibt zu be
denken, dass sich das Portal, auf dem der Beitrag zu lesen sei, vor allem an ambitionierte Bergsteiger wende. Für Unerfahrene könnten die dort besprochenen Touren durchaus herausfordernd und gefährlich sein. Zudem ärgert er sich, dass offenbar nur seine persönliche Einschätzung im Text überflogen wurde. Denn er habe die Tour mit der Schwierigkeit T4 (nach der Bergwanderskala) beziehungsweise UIAA 1 nach der Kletterskala bewertet. In der Tat steht das ganz oben auf dem Eintrag.
UIAA bedeutet: „Mäßig steiles Felsgelände, jedoch kein Gehgelän
de mehr.“Der Einsatz der Hände sei nötig, Ungeübte müssen am Seil gesichert werden. „Das hätten die Lehrer vorher mal lesen sollen“, sagt der Hindelanger Bergexperte Kristian Rath. Er ist bei der Bergwacht aktiv, kennt den Heuberggrat bestens und hält die Tourenbeschreibung für „zutreffend“. Der Schwierigkeitsgrad 1 bedeute kein Gehgelände mehr, sondern die leichteste Form des Felskletterns.
Haid ärgert sich dennoch über Internet-beschreibungen. „Die Gruppe ist dem Beitrag auf den Leim gegangen“, sagt er. Doch auch er gibt zu, dass der Heuberggrat für einen
Bergerfahrenen wohl keine große Schwierigkeit sei. Die Gemeinde habe die Tour dennoch nicht im Wanderführer aufgelistet, da sie für Anfänger nicht geeignet sei. Dass Wanderer irreführenden Internetbeiträgen auf den Leim gehen, komme vor, bestätigt die Bergwacht Immenstadt. Sie rät, sich vorab bei seriösen Quellen zu informieren. „Das kann eine Karte sein, aber auch die offiziellen Wanderrouten auf Internetportalen der Gemeinden oder des Deutschen Alpenvereins. Oder direkt beim Hüttenwirt oder einer Bergschule nachfragen – das sind die Leute, die sich auskennen.“