Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Bergwacht rettet 99 Schüler

Die Jugendlich­en hatten sich bei einer Wanderung mit ihren Lehrern durch die Allgäuer Alpen auf das Internet verlassen – und mussten um Hilfe rufen.

- VON MARK BIHLER, EMIL NEFZGER UND THOMAS SCHWARZ

Mittelberg Für die Bergretter im Kleinwalse­rtal war es ein Großeinsat­z: 99 Schüler zwischen zwölf und 14 Jahren sowie acht Lehrkräfte sind dort am Dienstagab­end in Bergnot geraten. Sie waren nach Polizeiang­aben am Nachmittag an ihrer Unterkunft im Heuberggeb­iet angekommen. Wegen des schönen Wetters entschiede­n die Lehrer, mit den Schülern eine Bergtour in der Nähe zu machen. Statt den Schildern zu folgen, wählte die Gruppe aus Ludwigshaf­en eine Route, die eine Lehrkraft im Internet gefunden hatte. Dort wurde sie als „Feierabend­runde“bezeichnet – tatsächlic­h handelt es sich beim Heuberggra­t um einen teilweise ausgesetzt­en Weg mit Kletterpas­sagen, dort sind Schwindelf­reiheit, Trittsiche­rheit und Erfahrung in alpinem Gelände nötig.

Schüler und Lehrer nahmen den Weg in acht Kleingrupp­en in Angriff, bald setzte jedoch Regen ein. Der Weg wurde rutschig, nicht alle trugen optimale Schuhe. Eine Lehrkraft entschied sich zur Umkehr. Dabei rutschten zwei Schüler ab und verletzten sich leicht. Einige Jugendlich­e gerieten laut Polizei in Panik, die Lehrer setzten einen Notruf ab. Es folgte eine groß angelegte Rettungsak­tion: Zwei Helikopter bargen den Großteil der Schüler und Lehrer per Seil und brachten sie zu einem Zwischenla­ndeplatz. Von dort ging es mithilfe von Bergrettun­g und Feuerwehr weiter.

Mehrere Schüler waren laut Polizei „völlig aufgelöst“. Mittelberg­s Bürgermeis­ter Andi Haid sagte dennoch, man könne „von großem Glück sprechen“. Denn das Wetter habe Flüge zugelassen. „Wenn schlechtes Wetter aufgezogen wäre, hätte man alle den Fußweg hinunterbr­ingen müssen. Das hätte bis spät in die Nacht gedauert, mit undenkbare­n Herausford­erungen.“So sei der Einsatz kurz nach 21 Uhr beendet gewesen. Die Schüler haben den Zwischenfa­ll laut Haid so weit gut überstande­n.

Im Netz steht nun auch der Verfasser des Beitrags am Pranger, der die Tour als „wirklich klasse Feierabend­runde“bezeichnet hatte. Andere sehen die Verantwort­ung bei den Lehrern, die sich bei Nässe und offenbar ohne genaue Recherche auf den Weg gemacht hätten. Der Autor des Tourentipp­s, dessen Name der Redaktion bekannt ist, gibt zu be

denken, dass sich das Portal, auf dem der Beitrag zu lesen sei, vor allem an ambitionie­rte Bergsteige­r wende. Für Unerfahren­e könnten die dort besprochen­en Touren durchaus herausford­ernd und gefährlich sein. Zudem ärgert er sich, dass offenbar nur seine persönlich­e Einschätzu­ng im Text überflogen wurde. Denn er habe die Tour mit der Schwierigk­eit T4 (nach der Bergwander­skala) beziehungs­weise UIAA 1 nach der Kletterska­la bewertet. In der Tat steht das ganz oben auf dem Eintrag.

UIAA bedeutet: „Mäßig steiles Felsgeländ­e, jedoch kein Gehgelän

de mehr.“Der Einsatz der Hände sei nötig, Ungeübte müssen am Seil gesichert werden. „Das hätten die Lehrer vorher mal lesen sollen“, sagt der Hindelange­r Bergexpert­e Kristian Rath. Er ist bei der Bergwacht aktiv, kennt den Heuberggra­t bestens und hält die Tourenbesc­hreibung für „zutreffend“. Der Schwierigk­eitsgrad 1 bedeute kein Gehgelände mehr, sondern die leichteste Form des Felsklette­rns.

Haid ärgert sich dennoch über Internet-beschreibu­ngen. „Die Gruppe ist dem Beitrag auf den Leim gegangen“, sagt er. Doch auch er gibt zu, dass der Heuberggra­t für einen

Bergerfahr­enen wohl keine große Schwierigk­eit sei. Die Gemeinde habe die Tour dennoch nicht im Wanderführ­er aufgeliste­t, da sie für Anfänger nicht geeignet sei. Dass Wanderer irreführen­den Internetbe­iträgen auf den Leim gehen, komme vor, bestätigt die Bergwacht Immenstadt. Sie rät, sich vorab bei seriösen Quellen zu informiere­n. „Das kann eine Karte sein, aber auch die offizielle­n Wanderrout­en auf Internetpo­rtalen der Gemeinden oder des Deutschen Alpenverei­ns. Oder direkt beim Hüttenwirt oder einer Bergschule nachfragen – das sind die Leute, die sich auskennen.“

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Foto: Ralf Lienert (Symbolbild) Etwa 70 Schülerinn­en und Schüler wurden von zwei Rettungshu­bschrauber­n aus der Luft geborgen, die anderen traten zu Fuß den Rückweg an.
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Foto: Landespoli­zeidirekti­on Vorarlberg, Apa/dpa Die Luftaufnah­me der Vorarlberg­er Polizei zeigt die auf Rettung wartende Schüler‰ gruppe.
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Foto: Lienert (Archivbild) Bürgermeis­ter Andi Haid kritisiert den Internetei­ntrag.

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