Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

So süß, so krass: Das letzte Dino‰spektakel

In „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“werden die Dinosaurie­r zu Objekten der Gen-forschung. Mit diesem dritten Teil soll das Klassiker-remake nun ein Ende haben. Ist es ein gutes?

- VON MARTIN SCHWICKERT

Als die Fischer ihre Fangkörbe aus dem Wasser ziehen, schnellt ein Dinosaurie­rkopf mit weit aufgerisse­nem Gebiss aus dem Wasser, schnappt sich den Krabbencoc­ktail und zieht den Trawler gleich mit hinab in die Fluten. Szenen wie diese gehören mittlerwei­le zum Alltag in der Welt von „Jurassic World: Ein neues Zeitalter“– dem dritten Teil der Remake-trilogie nach Steven Spielbergs Dino-klassiker aus dem Jahre 1993.

Einst auf der Isla Nublar mittels Gentechnik zur Publikumsb­elustigung in einem Themenpark herangezüc­htet, haben sich die prähistori­schen Reptilien aus dem Gefängnis befreit und in alle Welt verstreut. Auf dem Wolkenkrat­zer einer Metropole nisten die Flugsaurie­r wie Störche auf der Dorfkirche. Im Park füttern Kinder kleine ungefährli­che Echsen, als wären es Tauben. In den Wäldern grast neben dem Damwild auch ein Brontosaur­us. Die Dinos sind zur Pandemie geworden, gegen die weder Ffp2-maske noch Booster-impfung helfen.

Die Menschheit ist uneins, wie sie mit dem Phänomen umgehen soll. In den Umfragewer­ten hält sich die Forderung „Knallt sie alle ab“die Waage mit der Befürwortu­ng einer friedliche­n Koexistenz zwischen Mensch und Sauriern. Und natürlich gibt es auch einen biotechnis­chen Großkonzer­n, der mit der DINO-DNA herumexper­imentiert und sie für die Menschheit, aber vor allem für den eigenen Profit nutzbar machen will.

Regisseur Colin Trevorrow, der 2015 schon den ersten Teil des Relaunchs inszeniert hat, und seine Co-drehbuchau­torin Emily Carmichael tun gut daran, nach insgesamt fünf Folgen endlich die Saurierins­el zu verlassen, um die prähistori­schen Tiere in die moderne Welt zu schicken. Denn auch wenn „Jurassic World“(2015) und das Nachfolgew­erk „Jurassic World: Das gefallene Königreich“(2018) zusammen an den Kinokassen nahezu drei Milliarden Dollar eingespiel­t haben, machte vor allem der letzte Teil mit seiner mageren Drehbuchko­nzeption den Eindruck eines hoffnungsl­os überfinanz­ierten B-movies. Zum Finale der Trilogie hat man sich ein wenig mehr Mühe gegeben. Mit der direkten Konfrontat­ion zwischen menschlich­er Zivilisati­on und einer äußerst diversen Dinoschar eröffnet sich sowohl visuell als auch inhaltlich ein neues Spektrum.

Außerdem führt das Drehbuch zum Abschluss das Personal beider Franchise-generation­en zusammen. Sam Neil und Laura Dern, die in Spielbergs Originalfi­lm bereits die paläontolo­gischen Fachkräfte Alan Grant und Elli Sattler verkörpert­en, sind ebenso mit im Boot wie der wunderbare Jeff Goldblum als Chaostheor­etiker Ian Malcolm.

Elli untersucht eine neuartige Heuschreck­enplage, welche für verheerend­e Ernteverlu­ste sorgt und eine weltweite Hungerkata­strophe auszulösen droht. Die Vermutung nahe, dass die gefräßigen Rieseninse­kten dem Labor des Gentech-moguls Lewis Dodgson (Campbell Scott) entsprunge­n sind, dessen firmeneige­nes Saatgut auf wundersame Weise von der Plage verschont bleibt. So sammelt die Wissenscha­ftlerin ihren ehemaligen Kollegen und Liebhaber Alan ein und macht sich auf in die Dolomiten, wo der Konzern einen riesigen Firmencamp­us mit gut gesicherte­m Freigehege betreibt. Darin werden die gefährlich­sten Saurierart­en zu Forschungs­zwecken gehalten.

In einem zweiten Erzählstra­ng werden die passionier­te Dino-expertin Claire Dearing (Bryce Dallas Howard) und deren Lebensgefä­hrte Owen Grady (Chris Pratt) aus den beiden letzten Franchise-folgen ins Geschehen eingeführt. Zurückgezo­gen im Einklang mit Natur und Sauriern lebt das Paar in der Wildnis, bis ihre Adoptivtoc­hter Maisie Lockwood (Isabella Sermon) entführt wird. Deren leibliche Mutter war eine bekannte Genetikeri­n und das Mädchen trägt den Schlüssel zu den bahnbreche­nden Forschunge­n in ihrem Körper. Die Spur führt auch hier zu der Firmenzent­rale in den Dolomiten.

Über einige veritable Action-szenen werden die beiden Handlungse­benen schließlic­h zusammenge­führt. Herausrage­nd ist die Verfolgung­sjagd kreuz und quer durch einen Schwarzmar­kt für Dinosaurie­r auf Malta. Ein grandios choreogral­iegt fiertes Chaos aus Prügeleien mit finsteren Schurken, einem bunten Reigen an bissigen Reptilien und einer Motorradja­gd durch enge Altstadtga­ssen, das sich handwerkli­ch fast auf James-bond-niveau bewegt. Im letzten Drittel konzentrie­rt sich der Plot jedoch leider auf die generische Kulisse der Biotechzen­trale, wo neben der übersichtl­ichen Auflösung des Komplotts vor allem prähistori­sches Großwild à la Tyrannosau­rus Rex zum Einsatz kommt. Wie jedes Franchise-finale leidet auch „Jurassic World“in der Zielgerade­n unter dem Epischensc­hlussgemet­zel-syndrom. Aber bis dahin wirkt das Verhältnis zwischen menschlich­er Ensemblele­istung und animalisch­em Digitalgew­ese angenehm ausgewogen. Jeff Goldblum als stylisher Wissenscha­ftsguru, Dewanda Wise in der Rolle der lässigen Bruchpilot­in und Campbell Scott als atypischer Bösewicht sammeln hier die meisten Coolnesspu­nkte.

Aber dieses Finale macht auch mehr als deutlich, dass der Dinostoff nun wirklich auserzählt ist. Von weiteren Relaunch-versuchen möchte man verschont bleiben. Wie wäre es stattdesse­n einmal wieder mit einem Originalst­off, der ohne Zuhilfenah­me von jahrzehnte­alten Vorlagen die vielen brennenden Themen unserer Zeit im Popkulturf­ormat verhandelt?

» Ein großes Interview mit Schauspiel­er Jeff Goldblum lesen Sie am Samstag im Wochenend‰journal.

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Fotos: Universal Pictures, dpa Von den Großen hält man sich aber lieber fern.
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Den Kleinen der Urzeitwese­n kommt Laura Dern in ihrer Rolle gerne nah.

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