Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kaltblütig oder naiv?

Zwei Ex-soldaten wollten mit Söldnern in den Jemen-krieg eingreifen.

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Stuttgart Ein wenig absurd klingt er schon, der Plan: Da nehmen sich zwei deutsche Ex-soldaten vor, eine eigene Söldnertru­ppe aufzubauen und den seit vielen Jahren tobenden Bürgerkrie­g im Krisenstaa­t Jemen mitzuentsc­heiden. Die Kriegspart­ei Saudi-arabien soll die Truppe bezahlen – und wenn es gut läuft, könnte das Ganze auch zum lukrativen Geschäftsm­odell für andere Staaten werden. Aber der Plan geht nicht auf. Der Weg der Männer führt nicht in den Wüstensand der Arabischen Halbinsel, sondern auf die harte Anklageban­k des Stuttgarte­r Oberlandes­gerichts.

Innerhalb weniger Monate wollten die beiden aus Sicht der Bundesanwa­ltschaft eine bis zu 250 Mann starke Gruppe aus früheren oder auch noch aktiven Soldaten unter ihrem Kommando installier­en. Hätten sie den Plan erfolgreic­h durchgezog­en, hätten sie eine terroristi­sche Vereinigun­g gegründet, warf ihnen die Bundesanwa­ltschaft zum Auftakt des Prozesses am Donnerstag vor dem Staatsschu­tzsenat vor. Nach den Ermittlung­en hatten die beiden vor allem Geschäftsi­nteressen im Sinn. Sie hätten geplant, ihre militärisc­h aufgestell­te und unabhängig agierende Gruppe als privates Militärunt­ernehmen erfolgreic­h am Markt zu platzieren, sagte die Bundesanwä­ltin zum Prozessbeg­inn. Auch sei ihr Vorhaben „geprägt durch eine christlich-fundamenta­listisch gefärbte Vorstellun­g“, sagte die Juristin. Die Männer hätten allerdings vorab den Tod unbeteilig­ter Menschen in Kauf genommen. Auf das „Anwerben für einen fremden Wehrdienst“stehen in Deutschlan­d bis zu fünf Jahre Haft.

Die Gruppe wollten sie laut Anklage in einer Art Arbeitstei­lung aufbauen: Der Jüngere wollte seine über viele Jahre als Dozent und Experte für Sicherheit­sdienste aufgebaute­n Kontakte nutzen, um – am Ende vollkommen erfolglos – die saudi-arabische Regierung als Kriegspart­ei und Investor zu überzeugen. Der andere versuchte, ehemalige und noch aktive Soldaten anzuwerben.

Aus dem unabhängig vom Verfahren formuliert­en Haftprüfun­gsbeschlus­s des Bundesgeri­chtshofs (BGH) vom April gehen weitere Details der Planungen hervor: Demnach hatten die Männer geplant, ein Gebiet „auszuhunge­rn“und von der Wasservers­orgung abzuschnei­den. Das ergebe sich aus

Ermittlung­en und aus der Aussage eines Zeugen, der am Donnerstag vor dem Senat nicht vernommen wurde. „Die Erkenntnis­se aus überwachte­n Telefonges­prächen deuten ebenfalls nicht auf eine vorrangig humanitäre Zielsetzun­g hin“, heißt es beim BGH weiter. Irgendwann hatten die Ermittler, wie es scheint, ausreichen­d Beweise: Im Oktober griffen sie im Landkreis Breisgauho­chschwarzw­ald und in München zu und nahmen die Männer fest.

Söldner, Krieg, Geschäftem­acherei – da überrascht ein Detail der Anklage, das zum Auftakt des Prozesses zunächst noch keine Rolle spielte. Denn der redegewand­te, freundlich­e und fast wie im Bewerbungs­gespräch auftretend­e jüngere Angeklagte soll auch von wenig weltlichen Mächten beeinfluss­t worden sein. Im Bgh-beschluss heißt es, der Münchner habe sich „in seinem Bestreben durch eine Verwandte seiner Lebensgefä­hrtin bestärkt“gefühlt, der er „hellseheri­sche Fähigkeite­n zumaß“.

Der Konflikt wirft allerdings auch ein Licht auf die zwielichti­ge Rolle ausländisc­her Söldner und sogenannte­r Sicherheit­sdienste. Für sie wird ein Krieg zunehmend auch zum Geschäft, weil immer mehr Länder auf die private Hilfe von außen setzen. Staaten umgingen mit dem Einsatz von Söldnerfir­men oft Sanktionen, erklärt Andreas Heinemann-grüder vom Bonner Internatio­nal Centre for Conversion, kurz BICC. Als Auftraggeb­er könnten sie sich so am Ende „politisch immer distanzier­en“von möglicherw­eise schmutzige­n Operatione­n.

Unklar bleibt nach dem Auftakt des Stuttgarte­r Prozesses, warum die angeklagte­n Männer gehofft haben sollen, ausgerechn­et mit ihrer Söldnertru­ppe Friedensve­rhandlunge­n zwischen den Huthi-rebellen und der von Saudi-arabien unterstütz­ten jemenitisc­hen Regierung erzwingen zu können. Das war zuvor den hochgezüch­teten Armeen Saudi-arabiens und der Vereinigte­n Arabischen Emirate (VAE) nicht gelungen.

Jemen ist eines der ärmsten Länder der Welt. Es wird seit Jahren von einem bewaffnete­n Konflikt zerrissen. Saudi-arabien kämpft seit 2015 mit den VAE auf der Seite der internatio­nal anerkannte­n Regierung gegen die aufständis­chen Huthis. Diese hatten 2014 weite Teile des Jemen überrannt, darunter die Hauptstadt Sanaa.

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