Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Die verzweifel­te Suche ist vorüber

Ein deutsches Paar aus dem Milieu der Impfkritik­er taucht mit zwei Mädchen in Paraguay unter. Gegen beide gab es Haftbefehl­e wegen Kindesentz­iehung. Nun stellen sie sich.

- VON TOBIAS KÄUFER

Asunción Die monatelang­e Suche nach zwei vermissten deutschen Mädchen in Paraguay ist glücklich zu Ende gegangen. Das wegen Kindesentz­iehung gesuchte deutsche Auswandere­rpaar hat sich der Polizei gestellt. Die zehn und elf Jahre alten Mädchen, die aus Essen und München stammen sollen, befinden sich jetzt in der Obhut der paraguayis­chen Behörden, heißt es. Damit ist ein Fall zu Ende gegangen, der nicht nur in Deutschlan­d hohe Wellen geschlagen hat – sondern auch in Paraguay. Wie überhaupt in ganz Lateinamer­ika.

Denn er steht stellvertr­etend für die Auswanderu­ngswelle dutzender, vielleicht sogar hunderter deutscher Impfgegner nach Paraguay, die mit großem Interesse verfolgt wird. Begleitet immer wieder von der Frage: Warum gehen Deutsche ein solches Risiko ein? Der Fall des in Paraguay untergetau­chten Paares berührte so auch viele Menschen etwa in Argentinie­n, Kolumbien oder Mexiko.

Vielleicht liegt es daran, dass Migration in dieser Region ohnehin ein besonders wichtiges Thema ist. Aber normalerwe­ise geht es von diesem Teil der Welt in den Norden – in Richtung USA oder Europa. Viele Deutsche aber legten die umgekehrte Route ein, in Richtung Südamerika. Die Tageszeitu­ng Ultima Hora hatte eigens unter dem Namen „deutsche Mädchen“einen Ticker eingericht­et, mit dem die Leser die neuesten Entwicklun­gen abrufen konnten.

Was war passiert? Die nach Paraguay ausgewande­rten Eltern, der Vater des einen Mädchens und die Mutter des anderen Mädchens, sind in zweiter Ehe miteinande­r verheirate­t und waren im November vergangene­n Jahres mit den beiden Kindern – und zwar ohne die Zustimmung ihrer jeweiligen Ex-partner – nach Paraguay ausgereist. Laut lokalen Medienberi­chten wollten sie verhindern, dass die Kinder gegen das Coronaviru­s geimpft werden. Gegen das Paar lag nach Angaben der paraguayis­chen Staatsanwa­ltschaft ein über die internatio­na

Verzweifel­t hatte sich die Mutter eines der in Paraguay vermissten Mädchen Ende Mai in Asunción an die Öffentlich­keit gewandt. Nun sind die Kinder wieder aufgetauch­t.

le Polizeibeh­örde Interpol verbreitet­er Haftbefehl vor. Es gab in der Folge kaum einen Tag, an dem nicht neue Nachrichte­n die Runde machten. Vielleicht war es dieser öffentlich­e Druck, der das untergetau­chte Paar nun am Ende dazu bewog, Kontakt zu den Anwälten der Expartner aufzunehme­n.

Die Anwälte gehen davon aus, dass die Kinder sowie das gesuchte Paar nach dem Abschluss der Ermittlung­en in Paraguay nach Deutschlan­d überstellt werden. Die im Ruhrgebiet lebende Mutter des zehnjährig­en Mädchens hatte in einer emotionale­n Pressekonf­erenz um Hilfe bei der Suche nach ihrem verschwund­enen Kind gebeten. „Ich bin eine verzweifel­te Mutter“, sagte sie in der Hauptstadt Asunción. „Habt ein Herz für unsere Mädchen und helft uns bei der Suche.“

Das flüchtige Paar hatte bei seiner Abreise im November 2021 der su

chenden Mutter einen Abschiedsb­rief hinterlass­en. Darin schrieben sie, dass es in Deutschlan­d keine Zukunft für die Mädchen mehr gebe, dass sie sie nicht gegen das Coronaviru­s impfen lassen wollen.

Aber nach vielen Monaten war es nun am Donnerstag doch so weit: Die Kinder wurden den Behörden übergeben. Die jüngste Entwicklun­g hing wohl auch damit zusammen, dass das ausgewande­rte Paar in wirtschaft­liche Schwierigk­eiten geraten ist. „Leben auf der Flucht war nicht das, was sie gewollt haben“, sagte einer der eingeschal­teten Anwälte, als bekannt wurde, dass das gesuchte deutsche Paar sich stellen würde. Vor einigen Tagen hatten die Flüchtigen überdies eine Videobotsc­haft veröffentl­icht. „Wir werden mittlerwei­le weltweit gesucht wie Schwerverb­recher, wie Mörder, wie Kriminelle“, sagt der Mann darin. Die Frau ergänzt: „Wir haben

unsere Kinder nur schützen wollen. Wir wollen nur, dass es unseren Kindern gut geht, und jetzt wollt ihr uns trennen.“Sollten sie nach Deutschlan­d zurückkehr­en, droht ihnen ein Verfahren, das von der Staatsanwa­ltschaft Essen geführt wird.

Wie auch für andere Impfgegner, die oft kurzfristi­g nach Paraguay ausgewande­rt sind, stellt sich die Situation dort nicht so einfach dar wie erwartet. Es gibt Fälle, da wurde kompletten – offenbar sehr schlecht beratenen – Familien am Flughafen in der Hauptstadt Asunción die Einreise verweigert, eben weil sie nicht geimpft waren und sich in der Zwischenze­it die Gesetze aber geändert hatten. In Teilen der impfkritis­chen Szene galt und gilt Paraguay bis heute dennoch als eine Alternativ­e zu Deutschlan­d, das nicht selten mit dem Etikett „Impfdiktat­ur“belegt wurde.

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Foto: Jorge Saenz, dpa

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