Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Warum Augsburg den Krisen trotzt
Die Corona-pandemie und der Ukraine-krieg hinterlassen Spuren am Wirtschaftsstandort. Doch in welchem Ausmaß? Eine Untersuchung zeigt nun: Die Stadt hat die Krise besser gemeistert als andere.
Nun scheinen sie sich zu bestätigen, die düsteren Vorahnungen. Im August 2020 wurde bekannt, dass der Automobilzulieferer Wafa in Haunstetten seine Tore schließen muss. Finanzielle Probleme hatte das Unternehmen seit Jahren, es befand sich aber mitten im Sanierungsprozess. Dann schlug Corona zu. Die Pandemie löste ein Beben aus, das das 1949 gegründete Unternehmen endgültig zu Fall brachte – und mehr als 200 Menschen zwang, sich eine neue Arbeit zu suchen. Nicht wenige sahen in dem Aus einen Vorboten für eine anrollende Insolvenzwelle. Doch inzwischen zeigt sich immer deutlicher, wie der Standort Augsburg durch die Krise gekommen ist: stabil – und besser als viele andere.
Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat eine Art bundesweite Schadensbesichtigung vorgenommen, und zwar für jeden der 400 Landkreise und kreisfreien Städte im Land. Ergebnis ist eine Rangliste, die neben dem aktuellen Zustand auch die Zwei-jahres-entwicklung von Wirtschaft und Lebensqualität vergleicht. Insgesamt 14 Faktoren fließen ein – darunter etwa die Steuerkraft und der Anteil hoch qualifizierter Beschäftigter, in puncto Lebensqualität aber auch die Anzahl der Straftaten oder die Ärztedichte. Insgesamt bewertet die Studie Augsburg als „Outperformer“– also als Standort, der sowohl beim Ist-zustand als auch bei der Entwicklung überdurchschnittlich abschneidet.
Die Auswertung zeigt vor allem: Der Standort holt auf. Während er beim Ist-zustand im oberen Mittelfeld liegt (Platz 148 von 400), ragt er bei der Entwicklung – also im Vergleich zum Zustand vor zwei Jahren – mit Platz 32 heraus. Dies liegt insbesondere an der Wirtschaftsstruktur, wie Vanessa Hünnemeyer, eine der Autorinnen, erklärt: „Die Unternehmenslandschaft ist diversifiziert und das ansässige produzierende Gewerbe in unterschiedlichen Branchen aktiv, die sich nichtsdestoweniger gegenseitig ergänzen.“Der Wirtschaftsraum werde durch Traditions- und Industrieunternehmen geprägt. Und die kamen – dank ordentlicher Auftragslage und Kurzarbeit – meist stabil durch die Krise.
Mehrere Faktoren geben einen Hinweis darauf, warum Augsburg verhältnismäßig gut da steht. Beispiel Gewerbesaldo, das die Differenz aus
Nach Einschätzung von Expertinnen und Experten hat sich die Industrie, hier die Gießerei von MAN, während der Coronakrise als „Rückgrat“von Augsburgs Wirtschaft er wiesen. Eine anfangs befürchtete Insolvenzwelle blieb aus.
und -abmeldungen je 1000 Einwohner angibt: Hier ist Augsburg mit 2,5 in Deutschlands Top 20. Vor allem Abmeldungen gingen deutlich zurück – wohl auch ein Ergebnis der Corona-politik, die etwa die Insolvenzantragspflicht zwischenzeitlich ausgesetzt hatte. Beispiel Qualifikation: Der Anteil der Menschen, die einen Hochschulabschluss haben (20,9 Prozent im Jahr 2021) oder in „wissensintensiven Dienstleistungen“beschäftigt sind (27,6 Prozent, Tendenz stark steigend) – dazu zählen etwa die Bereiche Forschung und Konstruktion –, ist in Augsburg außerordentlich hoch. Beispiel Arbeitsmarkt: Die Arbeitslosenquote stieg im Spätsommer 2020 auf ein Hoch von sieben Prozent; inzwischen liegt sie mit rund fünf Prozent wieder auf Vor-krisenniveau. Nach Einschätzung von Roland Fürst, Geschäftsführer Operativ bei der Arbeitsagentur Augsburg,
liegt dies insbesondere am Branchenmix sowie am Instrument Kurzarbeit, das „sehr gut angenommen und genutzt“worden sei.
Auch der Landkreis Augsburg schneidet im regionalen Vergleich gut ab. Im Einzelnen zeigt sich jedoch ein etwas anderes Bild: Im Ist-zustand zählt der Kreis zu den Top 50 in Deutschland, in puncto Entwicklung landet er „nur“auf Rang 174. Überraschend ist dies nach Einschätzung von Niklas Gouverneur, bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Schwaben im Bereich Wirtschaftsforschung und Konjunktur tätig, nicht. Zwar habe die Region – ebenso wie der Landkreis Aichachfriedberg (Platz 52 im Ist-zustand) – seine wirtschaftliche Dynamik „nicht weiter ausbauen“können. „Dies ist jedoch nicht verwunderlich, da eine Verbesserung ausgehend von einem ohnehin schon sehr hohen Niveau immer schwieriger ist, als ausgehend
von einer niedrigeren Basis.“Grundsätzlich, betont Gouverneur, decke sich die positive Bewertung der Iwstudie für den Raum Augsburg mit der Einschätzung der IHK. In den vergangenen zwei Jahren seien jedoch unterschiedliche, teils gegenläufige Entwicklungen zu beobachten gewesen. In der Corona-krise habe sich die Industrie „einmal mehr als Rückgrat der Wirtschaft erwiesen“, während Einzelhandel sowie Reiseund Gastgewerbe deutlich stärker betroffen gewesen sein. Aktuell, in Folge des Kriegs in der Ukraine, zeige sich ein umgekehrtes Bild. „Mit den daraus resultierenden explodierenden Preisen und stockenden Lieferketten haben nun besonders die Industrie und der Einzelhandel zu kämpfen. Im Reise- und Gastgewerbe hat im Zuge des Auslaufens der meisten Infektionsschutzmaßnahmen eine Erholung eingesetzt.“Die Dienstleistungsbranche sei inzwigewerbean
schen „Zugpferd“. So zahle sich auch aus, dass man nicht von einzelnen Branchen abhänge. Gouverneur bilanziert: „Insgesamt hat der Wirtschaftsstandort Augsburg seine Krisenresilienz unter Beweis gestellt.“
Trotz des positiven Gesamtbilds deutet die Iw-studie auch Defizite und Hemmnisse an. So lag etwa der Hebesatz für die Gewerbesteuer – in der Regel die wichtigste Einnahmequelle einer Gemeinde – im Jahr 2020 bei 470 Prozent.
Im regionalen Vergleich landete die Stadt auf Rang 369. Die Beschäftigungsrate von Frauen lag im Jahr 2021 mit 58,2 Prozent unter dem bundesweiten Durchschnitt (59,9 Prozent). Außerdem zeigt der Blick auf Zu- und Fortzüge: Vor allem in der für den Arbeitsmarkt wichtigen Gruppe der 30- bis 50-Jährigen verließen im Jahr 2020 außerordentlich viele Menschen den Standort (Platz 367).