Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Der Wirtschaftsraum muss sich weiter beweisen
Der Standort Augsburg trotzt Krisen wie Corona. Das ist erfreulich, langfristig aber kein Selbstläufer. Auf die Unternehmen kommen enorme Umwälzungen zu.
Mancher Wandel ist unübersehbar. Die Augsburger Innenstadt etwa bietet derzeit die Kulisse für ein Wechselspiel, das selten so rasant und munter war. Wo ein Einrichtungshaus schließen muss, öffnet nebenan ein Sportgeschäft. Eine Traditionskonditorei hört auf, ein Modehaus startet. Auf einen namhaften Lebensmitteleinzelhändler folgt nahtlos der nächste. All dies ist ein natürlicher Prozess, der Augsburg guttut. Dass die Fluktuation gerade in den vergangenen zwei Jahren zugenommen hat, ist aber auch dem pandemischen Katalysator-effekt zuzuschreiben. Corona hat gerade in Handel, Gastronomie und auch Kultur Schäden angerichtet, die für manche schlicht irreparabel waren. Blickt man jedoch auf die breite Entwicklung, zeigt sich: Der Standort Augsburg hat der Corona-krise getrotzt. Das ist erfreulich – und hat gute Gründe.
Der Raum Augsburg kann gerade in der Industrie auf große, stabile
Unternehmen zählen, die weniger von wackeligen Branchen abhängen als dies etwa in Wolfsburg, Stuttgart oder auch Ingolstadt der Fall ist. Und doch ist es vor allem die heterogene wirtschaftliche Struktur, die den Standort auf Kurs hält. Ein Blick auf die Fakten: Von den knapp 18.000 Betrieben, die die Arbeitsagentur im September 2021 in der Region zählte, waren 18,4 Prozent im Handel tätig, 11,9 Prozent im Baubereich, 9,4 Prozent im Gesundheitsund Sozialwesen sowie 7,9 Prozent im verarbeitenden Gewerbe. Rund 50 Betriebe hatten 500 oder mehr Beschäftigte, bei rund 13.700 Betrieben lag die Zahl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zwischen eins und neun. Dieses Spektrum ist ein Pfund. Dass die meisten Unternehmen die Arbeit ihres Personals zu schätzen wissen und trotz der stürmischen Zeiten an ihm festhielten, zahlt sich nun aus.
Ohne staatliche Hilfen, so viel Ehrlichkeit gehört dazu, fände sich – nicht nur – der Standort Augsburg allerdings in einer gänzlich anderen Lage wieder. Neben gezielten finanziellen Unterstützungen – wenn auch in einigen Fällen arg holprig ausgezahlt – hat sich vor allem das Instrument Kurzarbeit bewährt. Es gab den Unternehmen Planungssicherheit und half dabei, Hunderte Arbeitsplätze zu erhalten, die jetzt wieder voll gebraucht werden. Dass viele Firmen händeringend nach qualifiziertem Personal suchen, ist ein Problem, aber in vielen Fällen doch Ausdruck von Wachstumspotenzial.
Die wirtschaftlichen Voraussetzungen in Stadt und Raum Augsburg sind also gut. Doch der Standort wird sich weiter beweisen müssen. Die Zeiten langfristiger Sicherheiten sind vorbei. Das gilt für den Einzelfall – Beispiel Kuka-zukunft nach 2025 – genauso wie fürs große Ganze. Vieles deutet darauf hin, dass die jüngsten Krisen nur ein bitterer Vorgeschmack war, ein Stresstest von vielen kommenden. Nach wie vor ist unklar, wie sich der grausame Krieg in der Ukraine entwickelt – und damit auch, welche Folgen er auf längere Sicht für hiesige
Auf den Wirtschaftsstandort Augsburg warten enorme Herausforderungen nicht nur durch Coronapandemie und Ukrainekrieg. Unternehmen hat. Innerhalb kürzester Zeit rissen Lieferketten, überall fehlt es an Material und Rohstoffen, die Energiepreise explodieren. Erneut springt der Staat mit Entlastungspaketen ein, ewig wird das aber so nicht weitergehen. Dies gilt umso mehr bei der wohl größten Herausforderung, vor der die Wirtschaft im Gesamten steht. Etliche Unternehmen befinden sich in einem gigantischen Transformationsprozess, hin zu mehr Ökologie und Digitalisierung – wobei gerade Letzteres durch die Pandemie einen unfreiwilligen Anstoß bekam. Arbeitsplätze werden wegfallen, dafür neue entstehen – wie etwa das prominente Beispiel Fujitsu zeigt.
Wichtig wird sein, dass der Standort seine Attraktivität für qualifiziertes Personal, aber auch wettbewerbsfähige Rahmenbedingungen erhält und ausbaut. Aus diesem Grund könnte früher oder später auch der Gewerbesteuer-hebesatz zur Debatte stehen. Er ist in Augsburg so hoch wie in nur wenigen deutschen Regionen und damit nach Einschätzung von Expertinnen und Experten ein Hemmnis für all jene, die überlegen, ein neues Gewerbe anzumelden.