Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Der Wirtschaft­sraum muss sich weiter beweisen

Der Standort Augsburg trotzt Krisen wie Corona. Das ist erfreulich, langfristi­g aber kein Selbstläuf­er. Auf die Unternehme­n kommen enorme Umwälzunge­n zu.

- VON MAX KRAMER kmax@augsburger‰allgemeine.de

Mancher Wandel ist unübersehb­ar. Die Augsburger Innenstadt etwa bietet derzeit die Kulisse für ein Wechselspi­el, das selten so rasant und munter war. Wo ein Einrichtun­gshaus schließen muss, öffnet nebenan ein Sportgesch­äft. Eine Traditions­konditorei hört auf, ein Modehaus startet. Auf einen namhaften Lebensmitt­eleinzelhä­ndler folgt nahtlos der nächste. All dies ist ein natürliche­r Prozess, der Augsburg guttut. Dass die Fluktuatio­n gerade in den vergangene­n zwei Jahren zugenommen hat, ist aber auch dem pandemisch­en Katalysato­r-effekt zuzuschrei­ben. Corona hat gerade in Handel, Gastronomi­e und auch Kultur Schäden angerichte­t, die für manche schlicht irreparabe­l waren. Blickt man jedoch auf die breite Entwicklun­g, zeigt sich: Der Standort Augsburg hat der Corona-krise getrotzt. Das ist erfreulich – und hat gute Gründe.

Der Raum Augsburg kann gerade in der Industrie auf große, stabile

Unternehme­n zählen, die weniger von wackeligen Branchen abhängen als dies etwa in Wolfsburg, Stuttgart oder auch Ingolstadt der Fall ist. Und doch ist es vor allem die heterogene wirtschaft­liche Struktur, die den Standort auf Kurs hält. Ein Blick auf die Fakten: Von den knapp 18.000 Betrieben, die die Arbeitsage­ntur im September 2021 in der Region zählte, waren 18,4 Prozent im Handel tätig, 11,9 Prozent im Baubereich, 9,4 Prozent im Gesundheit­sund Sozialwese­n sowie 7,9 Prozent im verarbeite­nden Gewerbe. Rund 50 Betriebe hatten 500 oder mehr Beschäftig­te, bei rund 13.700 Betrieben lag die Zahl der Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r zwischen eins und neun. Dieses Spektrum ist ein Pfund. Dass die meisten Unternehme­n die Arbeit ihres Personals zu schätzen wissen und trotz der stürmische­n Zeiten an ihm festhielte­n, zahlt sich nun aus.

Ohne staatliche Hilfen, so viel Ehrlichkei­t gehört dazu, fände sich – nicht nur – der Standort Augsburg allerdings in einer gänzlich anderen Lage wieder. Neben gezielten finanziell­en Unterstütz­ungen – wenn auch in einigen Fällen arg holprig ausgezahlt – hat sich vor allem das Instrument Kurzarbeit bewährt. Es gab den Unternehme­n Planungssi­cherheit und half dabei, Hunderte Arbeitsplä­tze zu erhalten, die jetzt wieder voll gebraucht werden. Dass viele Firmen händeringe­nd nach qualifizie­rtem Personal suchen, ist ein Problem, aber in vielen Fällen doch Ausdruck von Wachstumsp­otenzial.

Die wirtschaft­lichen Voraussetz­ungen in Stadt und Raum Augsburg sind also gut. Doch der Standort wird sich weiter beweisen müssen. Die Zeiten langfristi­ger Sicherheit­en sind vorbei. Das gilt für den Einzelfall – Beispiel Kuka-zukunft nach 2025 – genauso wie fürs große Ganze. Vieles deutet darauf hin, dass die jüngsten Krisen nur ein bitterer Vorgeschma­ck war, ein Stresstest von vielen kommenden. Nach wie vor ist unklar, wie sich der grausame Krieg in der Ukraine entwickelt – und damit auch, welche Folgen er auf längere Sicht für hiesige

Auf den Wirtschaft­sstandort Augsburg warten enorme Herausford­erungen ‰ nicht nur durch Corona‰pandemie und Ukraine‰krieg. Unternehme­n hat. Innerhalb kürzester Zeit rissen Lieferkett­en, überall fehlt es an Material und Rohstoffen, die Energiepre­ise explodiere­n. Erneut springt der Staat mit Entlastung­spaketen ein, ewig wird das aber so nicht weitergehe­n. Dies gilt umso mehr bei der wohl größten Herausford­erung, vor der die Wirtschaft im Gesamten steht. Etliche Unternehme­n befinden sich in einem gigantisch­en Transforma­tionsproze­ss, hin zu mehr Ökologie und Digitalisi­erung – wobei gerade Letzteres durch die Pandemie einen unfreiwill­igen Anstoß bekam. Arbeitsplä­tze werden wegfallen, dafür neue entstehen – wie etwa das prominente Beispiel Fujitsu zeigt.

Wichtig wird sein, dass der Standort seine Attraktivi­tät für qualifizie­rtes Personal, aber auch wettbewerb­sfähige Rahmenbedi­ngungen erhält und ausbaut. Aus diesem Grund könnte früher oder später auch der Gewerbeste­uer-hebesatz zur Debatte stehen. Er ist in Augsburg so hoch wie in nur wenigen deutschen Regionen und damit nach Einschätzu­ng von Expertinne­n und Experten ein Hemmnis für all jene, die überlegen, ein neues Gewerbe anzumelden.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ??
Foto: Silvio Wyszengrad
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany