Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Entdeckung in unserer Atmosphäre
Ein internationales Forschungsteam hat eine neue Substanzklasse in der Atmosphäre nachgewiesen. Hydrotrioxide sind superreaktive chemische Verbindungen, von denen pro Jahr Millionen Tonnen gebildet werden könnten, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt Science. Die Stoffe könnten demnach Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und das Klima haben – doch welche genau, können die Chemiker noch nicht sagen.
In den untersten Schichten der Erdatmosphäre laufen ständig chemische Reaktionen ab, bei denen jährlich hunderte Millionen Tonnen natürliche und menschengemachte Kohlenwasserstoffe umgesetzt werden. Schon länger vermuten Forscher, dass dabei auch Hydrotrioxide (ROOOH) entstehen. Diese reaktionsfreudigen Verbindungen bestehen aus drei aufeinanderfolgenden Sauerstoffatomen (O), einem Wasserstoffatom (H) und einem kohlenstoffhaltigen Rest (R).
In der Chemie werden sie als Oxidationsmittel bei extrem niedrigen Temperaturen in organischen Lösungsmitteln produziert. Ob sie allerdings auch als Gas in der wärmeren Atmosphäre vorkommen, darüber wurde bisher nur spekuliert.
Forschende des Leibniz-instituts für Troposphärenforschung wiesen nun mit Kollegen aus Kopenhagen und Pasadena die Bildung von Hydrotrioxiden unter atmosphärischen Bedingungen nach. Sie stellten fest, dass Hydrotrioxide aus der Reaktion von Peroxyradikalen (RO2) mit Hydroxylradikalen (OH) entstehen können.
„Es ist wirklich aufregend, die Existenz einer neuen allgemeingültigen Klasse von Verbindungen zu zeigen, die aus atmosphärisch häufig vorkommenden Vorläufern gebildet wird“, sagt Studienleiter Henrik Kjaergaard von der Universität Kopenhagen. Die Lebensdauer der Hydrotrioxide liege vermutlich zwischen 20 Minuten und zwei Stunden. Danach würden die Stoffe wieder abgebaut. Tropos-erstautor Torsten Berndt betont aber, die Trioxide könnten sich etwa in Aerosolen, winzigen Partikeln in der Luft, lösen und neue Verbindungen eingehen mit bislang unbekannten Wirkungen: „Es ist leicht vorstellbar, dass sich in den Aerosolen neue Stoffe bilden, die beim Einatmen schädlich sind.“Und Aerosole wirkten sich zwar auch auf das Klima aus, gehörten aber zu den Faktoren, die in Klimamodellen am schwierigsten zu beschreiben seien. Vermutlich würden Hydrotrioxide einen Einfluss darauf haben, wie viele Aerosole produziert werden. „Da Sonnenlicht von Aerosolen sowohl reflektiert als auch absorbiert wird, wirkt sich dies auf die Wärmebilanz der Erde aus“, erklärt Co-autorin Eva Kjaergaard. Alice Lanzke