Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Diese Woche: Wie viel Nacktheit ist wo erlaubt?

- WIRKLICH WISSEN? EINE BEISPIELHA­FTE AUFKLÄRUNG ÜBER DEN TATSÄCHLIC­HEN WAHRHEITSW­ERT KURSIEREND­ER BEHAUPTUNG­EN

Wenn wir zur Welt kommen, sind erst mal alle gleich – nämlich nackt. Ein Zustand der Ursprüngli­chkeit, nach dem sich so manch ein Erwachsene­r wieder zurücksehn­t. Wenn der Sommer kommt, fallen oft die Hüllen. Manche sind dabei eher scheu, andere aalen sich komplett blank in der Sonne. Aber wann und wo darf man eigentlich nackt sein?

Behauptung

Zu Hause darf ich nackt sein.

Fakten

Stimmt! In den eigenen vier Wänden darf die Kleidung nach Lust und Laune abgelegt werden. Das gilt laut Experten in der Regel auch draußen auf dem eigenen Balkon oder der Terrasse. Doch es gibt Ausnahmen: Sind Terrasse und Garten völlig frei einsehbar und fühlen sich Nachbarn durch etwa textilfrei­es Sonnen gestört, könne Paragraf 118 des Gesetzes über Ordnungswi­drigkeiten (OWIG) greifen, wie Rechtsanwa­lt Swen Walentowsk­i erklärt.

Demnach kann zu viel nackte Haut eine „Belästigun­g der Allgemeinh­eit“und damit eine Ordnungswi­drigkeit darstellen.

Schlechte Karten haben Naturisten insbesonde­re dann, wenn sich ihr Garten, ihre Terrasse oder Balkon „in der Nähe eines Spielplatz­es, einer Kita, Schule oder kirchliche­n Einrichtun­g befindet oder das Verhalten besonders auffällig ist – beziehungs­weise wenn man damit gezielt provoziere­n möchte“, erläutert Walentowsk­i.

In einem Mehrfamili­enhaus kann zu viel Nacktheit gar zur Kündigung des Mietverhäl­tnisses führen. „In der Praxis ist das allerdings eher unwahrsche­inlich“, sagt Walentowsk­i. Anders sehe es schon aus, wenn man sich dabei sexuell vergnüge. „Sex auf dem Balkon kann die Wohnungskü­ndigung zur Folge haben“, warnt der Rechtsanwa­lt.

Behauptung

Wenn ich rausgehe, darf ich immer nackt sein.

Fakten

Falsch! Obwohl in Deutschlan­d Nacktheit in der Öffentlich­keit strafrecht­lich nicht verboten ist, darf man sich „üblicherwe­ise nur an dafür ausgewiese­nen Orten nackt aufhalten“, erklärt der Anwalt. Beispielsw­eise am Fkk-strand.

Wer dagegen unbekleide­t durch ein Shoppingce­nter läuft oder sich splitterfa­sernackt im Stadtpark sonnt, riskiert nach dem Ordnungswi­drigkeiten­gesetz ein Bußgeld. Das kann zwischen fünf und 1000 Euro liegen. Zuvor wird aber meist ein Platzverwe­is ausgesproc­hen. Im Shoppingce­nter greift zudem auch das Hausrecht des Eigentümer­s, der Sicherheit­sdienst kann ein Hausverbot erteilen.

Strafrecht­lich relevant wird Nacktheit in der Öffentlich­keit, wenn die Grenze zum Exhibition­ismus überschrit­ten wird. Das ist dann der Fall, wenn jemand sich des sexuellen Lustgewinn­s wegen entblößt. In diesem Fall ist nach Paragraf 183 des Strafgeset­zbuchs (STGB) mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitss­trafe bis zu einem Jahr zu rechnen.

Das STGB bezieht sich hier auf exhibition­istische Handlungen durch Männer. Im Umkehrschl­uss heißt das laut Walentowsk­i: „Frauen können in diesem Zusammenha­ng nicht belangt werden.“

Genau andersheru­m verhält es sich beim Oben-ohne-schwimmen oder -Sonnenbade­n. Während es für Männer kaum Gründe gibt, ihre Nippel zu verstecken, sind nackte Frauenbrüs­te oft noch ein Tabu. Dagegen regt sich aber immer öfter Widerstand. In den Schwimmbäd­ern Göttingens zum Beispiel gelten aber vorerst neue Regeln: Bis Ende August dürfen obenrum alle blankziehe­n – zumindest an den Wochenende­n.

Behauptung

Nackt Auto fahren ist kein Problem.

Fakten

Stimmt! Es gibt in Deutschlan­d kein Gesetz, das nackt Auto fahren verbietet. Wer auch ohne Schuhe am Steuer sitzen will, kann bei einem Unfall jedoch mitverantw­ortlich gemacht werden. Zum Beispiel, wenn der Fahrer vom Pedal abrutscht und der Unfall wegen der fehlenden Schuhe nicht verhindert werden kann. Keine Diskussion­en gibt es, wenn das Auto beruflich bewegt wird. Hier schreibt Paragraf 44 der Unfallverh­ütungsvors­chrift für Fahrzeuge klar vor, „den Fuß umschließe­ndes Schuhwerk“zu tragen.

Beim Autofahren gilt zudem zu beachten: Wer beim Aussteigen nackt ist, könnte die Allgemeinh­eit belästigen – vergleichb­ar mit einem nackten Fußgänger, wie Anwalt Walentowsk­i erklärt. Fühlt sich jemand gestört, kann ein Ordnungsge­ld die Folge sein.

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