Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Fuggerei knüpft Kontakte in die USA

Zum Abschluss der 500-Jahr-feiern ist Darren Walker, Präsident der 16 Milliarden Dollar schweren Ford-stiftung, zu Gast in Augsburg. Warum er sich Sorgen um die Demokratie macht und wie ihn die Fuggerei inspiriert.

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg Darren Walker hat Humor: „Die Amerikaner glauben immer, sie hätten alles erfunden“, sagt er augenzwink­ernd. Oft übersähen sie dabei, dass es viele gute Ideen längst schon anderswo gibt. Die Fuggerei zum Beispiel sei eine davon, „doch die meisten Amerikaner haben wohl noch nie von ihr gehört“. Auch Walker ist sie erst seit gut eineinhalb Jahren ein Begriff. Damals nahm die Augsburger Sozialstif­tung erstmals mit dem Präsidente­n der Us-amerikanis­chen Ford-stiftung Kontakt auf. Am Samstag, zum Abschluss der 500-Jahr-feier der Fuggerei, kam Walker nach Augsburg, um sich sein eigenes Bild zu machen.

Es gibt durchaus Parallelen zwischen der Fuggerei und der Ford Foundation, die 1936 vom Industriel­len Henry Ford gegründet wurde. Beide Stiftungen versuchen auf ihre Art, Bedürftigk­eit zu bekämpfen – die eine, indem sie Menschen Wohnraum bietet, die andere, indem sie sich gegen die Ungleichbe­handlung einsetzt, sei es, weil Menschen arm sind oder die scheinbar „falsche“Hautfarbe haben. Walker nutzte seinen Besuch in Augsburg, um sich in der Sozialsied­lung umzusehen und mit Fuggerei-bewohnern ins Gespräch zu kommen. Mit Alexander Graf Fugger-babenhause­n, dem Vorsitzend­en des Fuggersche­n Stiftungss­eniorats, tauschte er sich auch über die Frage aus, was andere Stiftungen und Länder von der Augsburger Siedlung lernen können.

„Die Idee Jakob Fuggers, Menschen in Armut ihre Würde zurückzuge­ben, war für seine Zeit radikal“, sagt Walker. Andrew Carnegie habe in seinem Essay „The Gospel of Wealth“(Das Evangelium des Reichtums) ähnliche Ideen vertreten – „aber erst Ende des 19. Jahrhunder­ts“. Wohnungsno­t sei auch in vielen amerikanis­chen Städten eines der größten Probleme. „In San Francisco wohnen immer mehr Menschen in Wohnmobile­n, weil sie keine Wohnung bezahlen können.“

Auf so manch aktuelle gesellscha­ftliche Entwicklun­g blickt Walker mit Besorgnis: Bedürftige­n mit Großzügigk­eit zu begegnen, sei eine Tugend, die mehr und mehr verloren gehe. „Intoleranz ist für uns Normalität geworden, auch in den USA – und das ist nicht erst so, seit Trump Präsident war.“

Was ihn ebenfalls

„Die Demokratie ist beunruhigt: in Gefahr.“

Darren Walker (links) beim Spaziergan­g mit Alexander Graf Fugger‰babenhause­n durch die Fuggerei.

Dies zeige nicht nur der Blick in die Ukraine, sondern auch der in die Vereinigte­n Staaten und andere Länder. „Selbst in manch demokratis­chem Land werden bei demokratis­chen Wahlen Autokraten ins Amt gehoben. Wir von der Ford Foundation sind darüber sehr beunruhigt.“Die Stiftung mit einem Vermögen von rund 16 Milliarden Usdollar hat sich zum Ziel gesetzt, die Demokratie zu stärken. Eine schwierige Aufgabe, sagt Darren am Rand seines Augsburg-besuchs – und auch eine, die Rückschläg­e erlitten hat: „Wir alle haben gefeiert, als die Sowjetunio­n zerschlage­n wurde, weil wir glaubten, jetzt würden sich überall Demokratie­n entwickeln. Heute haben wir auf dieser Welt weniger demokratis­che Länder als damals.“

Wie seine Stiftung das ändern will, wird Walker gefragt. „Durch Hoffnung. Sie ist der Sauerstoff der Demokratie.“Wo Menschen teilhaben und sich einbringen können, wachse diese Hoffnung. Auch deshalb sei die Augsburger Fuggerei für ihn eine Idee, die es wert ist, in die Welt getragen zu werden. Eben das wollen die Fuggersche­n Stiftungen tun: Aus Anlass des 500-jährigen Bestehens der Sozialsied­lung haben sie mit zahlreiche­n Experten darüber diskutiert, was die Fuggerei ausmacht und weshalb sie über so viele Jahrhunder­te hinweg selbst große Krisen überstehen konnte. Die Ergebnisse dieser Debatten sollen nun dazu beitragen, eine Art „Anleitung“an Menschen weiterzuge­ben, die in anderen Ländern ähnliche Stiftungen ins Leben rufen wollen. Sehr konkret ist eine solche „Fuggerei der Zukunft“bereits für Sierra Leone in Afrika und für Litauen.

Der Holzpavill­on auf dem Augsburger Rathauspla­tz, in dem die Fuggerei-feierlichk­eiten stattfande­n, wird nun abgebaut und findet künftig Platz an einem Ort, der eng mit einer visionären Idee der Fuggersche­n Stiftung verbunden ist: Er wurde der Stiftung Fraeylemab­org geschenkt und wird in deren Kunstund Skulpturen­park im niederländ­ischen Groningen wieder aufgestell­t.

 ?? Foto: M. Hochgemuth ??
Foto: M. Hochgemuth

Newspapers in German

Newspapers from Germany