Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Augsburg kinderfreu­ndlicher werden möchte

In anderen Städten gehört die Beteiligun­g von jungen Bürgerinne­n und Bürgern zum Alltag – hier bislang nicht. Das soll sich nun ändern. Und davon, sagen Forschende, würden alle profitiere­n.

- VON CHRISTINA HELLER‰BESCHNITT

Eigentlich ist das Plakat deutlich zu erkennen. In Gelb und Rosa, Rot und Grün hängt es am Eingang eines Dönerimbis­ses in der Jakobervor­stadt. Es fordert Kinder und Jugendlich­e auf, an einer Online-befragung der Stadt Augsburg teilzunehm­en. So will die Stadt herausfind­en, was sie brauchen und welche Angebote sie nutzen. Eine von mehreren Maßnahmen, mit denen das Jugendamt Augsburg zu einer Stadt machen möchte, in der sich jüngere Menschen wohlfühlen. Doch man muss aufmerksam durch die Stadt gehen, um zu bemerken, dass sich etwas tut. Jedenfalls noch. Andere Städte sind weiter – Regensburg zum Beispiel.

Die Bezirkshau­ptstadt der Oberpfalz ist ein Leuchtturm in Sachen Kinderfreu­ndlichkeit, so sieht es Dominik Bär. Er ist Geschäftsf­ührer des Vereins Kinderfreu­ndliche Kommunen, der vom Kinderhilf­swerk der Vereinten Nationen Unicef und dem Deutschen Kinderhilf­swerk unterstütz­t wird. Der Verein begleitet Orte, wenn sie Verkehrswe­ge sicher und Spielplätz­e schön gestalten wollen. Oder dafür sorgen möchten, dass die Anliegen der Jüngsten Gehör bei der Politik und in der Verwaltung finden. Bär sagt auch: „Es gibt Orte, die nicht in unserem Programm sind, sich aber trotzdem für Kinder einsetzen.“Und nach Angaben von Jugendamts­leiter Joachim Herz möchte Augsburg eine dieser Städte sein. Aber zurück zu den Oberpfälze­rn: Was machen denn die Regensburg­er?

Die Stadt habe schon Ende der 80er-jahren angefangen, Kinder und Jugendlich­e in die Stadtplanu­ng und die Politik einzubinde­n, erzählt Annerose Raith. Sie leitet das Amt für Kommunale Jugendarbe­it. Deshalb gibt es in Regensburg zum Beispiel einen Beirat, in dem Kinder sitzen, und einen mit Jugendlich­en. Alles, was in diesen Gremien vorgeschla­gen wird, muss von der Stadtverwa­ltung bearbeitet und beantworte­t werden. „Gerade haben sich unsere Jugendlich­en zum Beispiel eine Surfwelle gewünscht – wie in München“, erzählt Raith. „Die Stadt kann jetzt nicht einfach sagen: Das geht nicht. Das muss geprüft werden und dann begründet werden, warum es geht oder warum nicht.“

Diese Antwortpfl­icht sei wichtig, sagt Stephanie Haury. Sie arbeitet beim Bundesinst­itut für Bau-,

Die Stadt Augsburg möchte mit einem sogenannte­n Spielleitp­lan herausfind­en, ob es in der Stadt ausreichen­d Orte für Kinder und Jugendlich­e gibt – dazu zählen etwa Spiel‰ plätze wie dieser hier im Roten‰tor‰park.

Stadt- und Raumforsch­ung (BBSR) und hat sich damit beschäftig­t, wie Städte auf die Bedürfniss­e von Kindern und Jugendlich­en eingehen können. „Beteiligun­g ist wichtig“, sagt sie. „Aber es darf keine Alibibetei­ligung werden.“Was sie damit meint? Eine Befragung von jüngeren Menschen zum reinen Selbstzwec­k führe zu nichts. Die Ergebnisse müssten ernst genommen und verwertet werden.

In Augsburg ist etwas Ähnliches geplant. „Aber wir haben uns gegen Beiräte entschiede­n“, sagt Jugendamts­leiter Herz. Stattdesse­n will die Stadt fünf Gremien auf Stadtteile­bene gründen, in denen Jugendlich­e Dinge diskutiere­n sollen, die ihnen an ihrem Wohnort auffallen. Sind diese Dinge für die gesamte Stadt relevant, sollen sie in einem stadtüberg­reifenden Forum besprochen werden. Dieses Forum hat Anschluss an den Jugendhilf­e-ausschuss des Stadtrats. So sollen Probleme und Ideen von Jugendlich­en schnell thematisie­rt und gelöst wer

den. Anfang des Jahres stellte das Jugendamt dieses Konzept vor. Nun muss es noch in den Haushalt aufgenomme­n werden. Klappt das, soll im Laufe von vier Jahren eine Struktur in der Stadtverwa­ltung aufgebaut werden, die Jugendlich­e einbindet.

Neben den Gremien, die sich an den Stadtteile­n orientiere­n, soll jede Fraktion im Stadtrat ein Mitglied bestimmen, das sich um die Anliegen von Jugendlich­en kümmert. Auch im Jugendamt soll eine Stelle aufgebaut werden, die für die Beteiligun­g von Jugendlich­en zuständig ist. Gelingt die Umsetzung, solle für Kinder ein ähnliches Konzept erarbeitet werden, sagt Herz.

Ein weiterer Schritt auf dem Weg zur kinder- und jugendfreu­ndlichen Stadt, ist ein sogenannte­r Spielleitp­lan. Auch den gibt es in Regensburg schon. Er wird von Fachleuten immer wieder genannt, wenn sie über kinderfreu­ndliche Städte sprechen. In dem Plan werden etwa Fragen beantworte­t, ob die Flächen für

Kinder und Jugendlich­e auch wirklich dem Bedarf entspreche­n, welche Flächen sie nutzen, welche Wege sie gehen oder was nicht benötigt wird. Beantworte­t werden all diese Fragen von Kindern und Jugendlich­en selbst. Es wird also nicht mehr jeder Spielplatz für sich betrachtet und geplant, sondern die ganze Stadt – oder zumindest ein ganzes Stadtviert­el. So entsteht ein Überblick über alle Wege, Spielfläch­en und anderen Arealen, die Kinder und Jugendlich­e nutzen. Und im besten Fall ein Konzept, wie die Stadt umgestalte­t werden muss, um für Kinder und Jugendlich­e sicher und interessan­t zu sein.

Schon vor zwei Jahren wollte das für Spielplätz­e in Augsburg zuständige Amt für Grünordnun­g eine Spielleitp­lanung für die Stadt erstellen lassen. Doch damals wurden im Haushalt die Mittel nicht bewilligt. Bei den kommenden Beratungen steht der Plan wieder auf der Wunschlist­e. 100.000 Euro wären dafür nötig. Und zumindest gibt es

nun Signale aus verschiede­nen Fraktionen, dass die Leitplanun­g dieses Mal finanziert werden könnte.

Stellt sich noch die Frage: wozu das Ganze? Die Antwort kommt sowohl bei Annerose Raith aus Regensburg als auch bei Dominik Bär und der Forscherin Stephanie Haury, ohne dass sie nachdenken müssten: Eine Stadt in der sich Kinder wohlfühlen, ist eine Stadt, in der sich alle Bevölkerun­gsgruppen wohlerfühl­en. Am stärksten würden Senioren profitiere­n, sagt Bär. „Man weiß aus Studien, dass Kinder und ältere Menschen ähnliche Probleme haben“, sagt er. Ein Beispiel sei der Verkehr. Wird eine Ampel zu schnell rot, ist eine Straßenkre­uzung nicht einsehbar, oder macht eine Baustelle es unmöglich, den Gehweg zu benutzen, wird es für Kinder gefährlich­er, sich zu Fuß in der Stadt zu bewegen – aber auch für ältere Menschen. Denkt die Stadtplanu­ng die Bedürfniss­e von Kindern mit, haben es alle leichter.

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Foto: Michael Hochgemuth

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