Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Straßenkre­uzer lassen Herzen höherschla­gen

Nach zwei Jahren Zwangspaus­e kommen 1500 Fahrzeuge sowie rund 5000 Besucherin­nen und Besucher zum Augsburger Us-car-treffen. Ein Paar sorgt dabei für besondere Romantik.

- VON MICHAEL EICHHAMMER

Die Antiquität­en, die es am Sonntag auf dem Parkplatz von XXXLUTZ zu bestaunen gibt, sind keine Möbel, sondern Old- und Youngtimer sowie moderne amerikanis­che Traumautos. Beim Augsburger Us-cartreffen wird nicht nur die zeitlose Schönheit amerikanis­cher Fahrzeuge gefeiert, sondern auch der dazugehöri­ge Lifestyle mitsamt Food Trucks, Rockabilly- und Countryliv­emusik, Boogie-woogie-tänzern, Cowboyhüte­n und Petticoats. Bei strahlende­m Sonnensche­in blinken die polierten Chromteile besonders imposant. Wie sehr sich die Teilnehmer und Besucher nach zwei Jahren Zwangspaus­e durch Corona auf das Ereignis gefreut haben, wird bereits kurz nach dem Start deutlich: „Die Autos stehen vor der Einfahrt schon zwei Kilometer in der Schlange“, beobachtet der Ulmer Eric Dick, der auf einem 1960er Chevrolet Pick-up C10 ein großes Fass als Kofferraum-ersatz montiert hat. Bereits vor dem Mittag müssen Fahrzeugbe­sitzer auf Wiesenfläc­hen und hinter das Möbelhaus-gebäude ausweichen, um ihre vierrädrig­en Hingucker dem Publikum zeigen zu können.

Veranstalt­er ist der Verein American Car Friends Augsburg. „Wenn man allein im US-CAR unterwegs ist, ist das zwar nett, aber eigentlich geht es um das gemeinsame Erleben“, erklärt der zweite Vorsitzend­e Thomas Zänker. „Die Gespräche kann man nicht allein führen, das ist das Salz in der Suppe“, so Zänker. „Wir waren alle ausgehunge­rt und haben einen Heidenspaß beim Organisier­en der Veranstalt­ung gehabt“, ergänzt der Vorsitzend­e Harm Ritter. In den beiden Jahren zuvor machte die Pandemie ihnen einen Strich durch die Rechnung. Das Event in Augsburg ist nicht nur das jährliche Highlight für den eigenen Club, sondern eines der größten Treffen dieser Art in ganz Süddeutsch­land.

Neben Us-car-fans aus der Region reisen auch Gäste aus der Schweiz und Österreich an. „Jeder hier hat in den letzten zwei Jahren an seinem Auto geschraubt und will es zeigen“, ist Jürgen Terno aus Peutenhaus­en sicher. Der Polizist bietet sich als Hochzeitsc­hauffeur an – nebst seinem Ford Model A aus dem Jahr 1929. „Solche Autos sieht man üblicherwe­ise nur noch in Museen“, weiß Terno.

Am Ende des Tages ist klar, was

Die auf Hochglanz polierten Fahrzeuge stießen beim Us‰car‰treffen auf große Bewunderun­g.

sich schon in den frühen Morgenstun­den abzeichnet­e: Mit über 1500 Fahrzeugen und über 5000 Besucherin­nen und Besuchern stellt das 21. Augsburger Us-car-treffen einen neuen Rekord auf. 15 auserkoren­e Traumautos und ihre Besitzer stellt Klaus Borrmann, bekannt aus der DMAX-SERIE „Cash für Chrom“dem Publikum auf der Bühne genauer vor. Doch was macht die Faszinatio­n der amerikanis­chen Vehikel aus? „Es ist die Vielfältig­keit, das ist wie bei Elvis, die Autos begeistern Jung und Alt“, glaubt Franz Glaser, seines Zeichens Präsident des Göppinger Fanclubs „Elvis Presley will never die“.

Glaser ist mit einem knallroten 1965er Cadillac Deville angereist. Das Cabrio ist randvoll mit Us-nostalgie-kitsch beladen – von der E-gitarre aus Pappe und der Route 66-Plakette über den Cowboyhut im Muster der amerikanis­chen Flagge bis zu den Coca-cola-bechern und den Plüsch-würfeln, die am Rückspiege­l baumeln. Das große Interesse an der Veranstalt­ung erklärt sich

Franz Glaser nicht nur mit der Freude über das Ende der Pandemie-maßnahmen: „Die Leute haben Angst, dass bald nur noch E-autos erlaubt sind.“

Chevy-fahrer Erick Dick findet: „Die Autos hatten damals mehr Stil – und die Menschen auch.“Er wird konkreter: „Damals ging man noch nicht in der Jogginghos­e in die Disco.“Marion Gernet ist mit einem quietschge­lben Ford Custom aus dem Jahr 1957 vertreten. Ihre Liebeserkl­ärung an den vierrädrig­en Kumpanen: „Das Blubbern des Motors ist so schön, man versinkt beim Fahren in eine andere Welt.“

Patricia Thomas, die mit ihrem Mann Randolf in einem 1964er Urmodell des Ford Mustang aus Bad Kohlgrub angereist ist, sieht das ähnlich: „Das waren noch Autos, die ein Gesicht gehabt haben – heute sehen auf der Autobahn alle gleich aus.“Randolf Thomas, der mit seinem Mustang einen Jugendtrau­m erfüllt hat, erinnert sich: „Meine Frau und ich sind in Nürnberg aufgewachs­en, damals gab es nur solche

Jürgen Terno aus Peutenhaus­en ist mit seinem Ford Model A von 1929 dabei.

Autos dort, wegen der stationier­ten Us-soldaten.“Doch auch Menschen, die damals noch gar nicht geboren waren, sind im Us-car-fieber. Beispielsw­eise Sandra, die mit einem giftgrünen 1972er Dodge Dart Swinger vor Ort war. Die Ulmerin im Petticoat liebt die Retromode genauso wie die alten Fahrzeuge. „Frauen sind nach wie vor meist Beifahrer, daher reagieren viele überrascht, dass ich selbst die Besitzerin bin“, berichtet die

An den Verpflegun­gsstatione­n gab es die passende Kulinarik.

26-Jährige. Ihre Liebeserkl­ärung: „Solange der lebt, behalte ich ihn – schauen wir mal, wer von uns beiden eher auseinande­rfällt.“

So viel Romantik wird nur von einem anderen Duo übertroffe­n: Tilo Buchholz macht Barbara Schwanzer nach zehn Jahren Beziehung einen erfolgreic­hen Heiratsant­rag. In mindestens einem Punkt haben sich hier Seelenverw­andte gefunden: Beide sind Mitglieder beim Verein American Car Friends Augsburg.

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Fotos: Michael Eichhammer
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