Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Nicht nur der Weizen ist teurer geworden
Trotz des hohen Getreidepreises auf dem Weltmarkt rechnen die bayerischen Ackerbauern nicht mit höheren Gewinnen, denn auch ihre Betriebskosten sind gestiegen.
Aislingen Der Weizen auf den Feldern von Klaus Beyrer blüht. Bis August dauert es noch, damit das Getreide golden und erntereif ist. Die Gerste auf den Feldern daneben ist schon einige Wochen früher dran und kann voraussichtlich Ende Juni geerntet werden. Seit dem Beginn des Ukraine-kriegs sind die Getreidepreise weltweit gestiegen, doch das ist für Beyrer und andere Landwirte nicht wirklich ein Grund zur Freude, denn auch ihre Kosten sind dieses Jahr höher.
Pflanzenschutzmittel, Treibstoff und vor allem Dünger sind im Zuge des Kriegs in der Ukraine teurer, erklärt Getreidelandwirt Beyrer, der Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands (BBV) im Landkreis Dillingen. Auf seinen Feldern baut er neben Gerste und Weizen auch Raps, Zuckerrüben und Mais an. „Wir haben heuer das teuerste Düngerjahr überhaupt“, sagt er. Der Einkaufspreis von Dünger sei im Vergleich zum vergangenen Jahr um 300 Prozent gestiegen. Grund dafür sei, dass viele der für die Herstellung notwendigen Rohstoffe wie Stickstoff aus Russland und der Ukraine kommen und russischer Dünger derzeit nicht mehr importiert werde.
Die hohen Preise für Pflanzenschutzmittel, Treibstoff und Dünger seien eine enorme Belastung für die landwirtschaftlichen Betriebe in Bayern, teilt der BBV auf Anfrage unserer Redaktion mit. Durch die hohe Vorfinanzierung im Anbau steige das Risiko für Betriebe, wenn es zu Ernteausfällen komme. Viele seien finanziell auch nicht liquide genug, um die gestiegenen Ausgaben zu tätigen. Die Folge davon sei oft, dass weniger Pflanzenschutzmittel oder Dünger verwendet werde, was zu weniger Ertrag führe.
Bei der Beschaffung von für die Bewirtschaftung notwendigen Maschinen oder Ersatzteilen für diese fallen sowohl hohe Kosten als auch lange Wartezeiten an, erklärt Beyrer. Speziell Elektronik-bauteile seien betroffen, da viele davon in der Ukraine hergestellt werden. Dieses Problem sei aber nicht neu und habe sich bereits in der Corona-pandemie entwickelt, mit der Unterbrechung der weltweiten Lieferketten. „Durch die Ukraine-krise hat sich das verschärft“, sagt der Landwirt. Dazu komme noch, dass das Personal an den deutschen Seehäfen nicht mit der Entladung der Schiffe nachkomme. Das treffe auch Firmen, die in Deutschland produzieren, etwa den Traktorhersteller Deutz-fahr in Lauingen. „Wenn der Reifen fehlt oder der Sitz fehlt, dann kann man den Schlepper nicht ausliefern“, sagt Beyrer.
Wegen der gestiegenen Kosten ist fraglich, ob die hohen Getreidepreise für Mehreinnahmen bei den bayerischen Landwirten sorge. Laut dem BBV komme es dabei stark auf den Einzelfall an. Ein Teil der Ernte werde bereits über Vorverträge vermarktet, ein Teil zur Ernte und ein Teil wird eingelagert und im Verlauf des Jahres verkauft. Wegen solcher Vorverträge müssten Landwirte ihre Erträge zu Preisen verkaufen, die aus letztjähriger Sicht gut waren, aber vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten und möglicherweise zu spät getätigter Düngerkäufe nicht ausreichen würden. Die Ackerbauern, die mit der Vermarktung gewartet haben, konnten durch die hohen Preise zu einem guten Preis verkaufen. Auch die kommende Ernte sei bereits relativ stark über Vorverträge vermarktet, heißt es vonseiten des BBV. Hier würden Ackerbauern von den gestiegenen Preisen profitieren, sofern die Ernte gut verlaufe und die Erträge wie erwartet ausfallen würden.
Für wie viel Geld die bayerischen Landwirte ihr Getreide verkaufen können, hängt auch von der weltpolitischen Lage ab. Weil Russland und die Ukraine zu den größten Getreideexporteuren der Welt gehören, sind die Preise nach Kriegsausbruch nach oben geschnellt. Nachdem der russische Präsident Putin verkündet hatte, die Getreideausfuhr aus der Ukraine via sogenannter Grüner Korridore zu ermöglichen, ist der Preis auf dem Weltmarkt leicht gefallen. „Die Getreidepreise an sich werden sich erst bilden, wenn die Ernte läuft“, sagt Beyrer.
Dass die Landwirte wegen der hohen Weizenpreise für das kommende Jahr mehr Weizen anbauen, sei möglich, teilt der BBV unserer Redaktion mit. Allerdings seien die Marktpreise für die anderen Kulturen ebenfalls gestiegen. Dass Pflanzen, die wirtschaftlich nicht so interessant sind, durch interessantere ersetzt werden, sei nicht außergewöhnlich. Das habe es dieses Jahr im Zuge der höheren Preise für Pflanzenöl gegeben. Damals haben die bayerischen Landwirte den Rapsanbau ausgedehnt. Um ackerbauliche Probleme zu vermeiden, würden Ackerbauern eine bestimmte Fruchtfolge einhalten. Trotzdem könnten sie in einem gewissen Bereich flexibel auf eine veränderte Nachfragesituation reagieren.
Wie die Ernte letztendlich ausfallen werde, hänge allerdings noch an weiteren Einflussfaktoren. „In der Landwirtschaft ist jetzt primär wichtig, wie sich unsere Bestände auf den Feldern darstellen und da kann man wirklich zufrieden sein“, sagt Beyrer. Einer dieser Faktoren sei das Wetter. Vergangenes Jahr habe es beispielsweise Niederschläge bis in die Erntezeit gegeben, was zu Ertragseinbußen geführt habe. „Die Ernte ist erst unter Dach und Fach, wenn sie im Silo liegt“, sagt
Beyrer. „Und dann kann man wirklich plausible Aussagen treffen, ob sie gut oder schlecht war.“Bayern sei dieses Jahr weitestgehend von Wetterextremen verschont geblieben, heißt es vom BBV. Allerdings benötige Nordbayern aktuell wieder dringend Niederschläge und an manchen Orten hätten Hagelschauer zu Schäden auf den Feldern geführt. Dass es in Deutschland zu Getreidemangel komme, hält Beyrer für unwahrscheinlich. „Die Versorgungssicherheit war immer gegeben“, sagt Beyrer. Was Getreide angehe, sei Deutschland Selbstversorger und könne den Bedarf aus eigenem Anbau stemmen. Wichtig sei aber, heißt es vom BBV, dass auch für die kommenden Jahre die Versorgung mit Dünger und Pflanzenschutzmitteln sichergestellt ist. „Wenn kein Dünger mehr kommt, wäre das schon sportlich“, sagt Beyrer. Er selbst habe bisher keine größeren Probleme mit der Düngerversorgung gehabt.
Sorge um die Versorgungssicherheit bereite dem Landwirt allerdings ein Aspekt der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU, deren Richtlinien ab 2023 gelten. Der deutsche Strategieplan zur GAP sieht vor, dass vier Prozent des Ackerlandes stillgelegt werden, um so Landschaftselemente als Beitrag zur Biodiversität zu erhalten. „Wer so was fordert, der hat von Ackerbau, von Landwirtschaft, der hat von Versorgungssicherheit null Ahnung“, sagt Beyrer. „Das ist Verwahrlosung der Ackerflächen.“Im Landkreis Dillingen, wo es etwa 38.000 Hektar Ackerfläche gebe, würde das 1520 Hektar Ackerfläche ausmachen. Bei einer durchschnittlichen Betriebsgröße von 42 Hektar wäre das so, wie wenn 36 Betrieben die ganze Betriebsfläche entzogen werde, erklärt Beyrer.
Die deutschen Ackerbauern können das Land vollständig versorgen. „Wir können Trog, wir können Teller, wir können Tank“, sagt Beyrer. Es gebe sowohl genug für Mensch und Tier als auch für die Herstellung von Kraftstoffen. Aber durch solche Richtlinien riskiere man die Versorgungssicherheit. Deutschland stehe mit dieser Vierprozent-regel in Europa alleine da, erklärt der Landwirt. Die anderen Mitgliedstaaten hätten andere Möglichkeiten gefunden, die Richtlinien der GAP umzusetzen. „Ich wünsche mir von der Politik, dass man in der Landwirtschaft zu einer fachlich sachlichen Diskussion zurückkommt“, sagt Beyrer. Das betreffe in seinen Augen auch Richtlinien zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Dünger.
Ich wünsche mir von der Politik, dass man in der Landwirtschaft zu einer fachlich sachlichen Diskussion zurückkehrt. Klaus Beyrer, Landwirt