Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

„Repariere auch unsere Toilettens­pülung selbst“

Wolfgang Heckl ist Uni-professor, Buchautor und Generaldir­ektor des Deutschen Museums. Ein Gespräch über seine eigenen handwerkli­chen Fähigkeite­n und eine immer teurer werdende Sanierung.

- Interview: Markus Bär

Herr Professor Heckl, Sie sind Generaldir­ektor des Deutschen Museums, Inhaber des Lehrstuhls für Wissenscha­ftskommuni­kation und Physik der Technische­n Universitä­t München, und Sie haben gerade ein Buch mit dem Titel „Die Welt der Technik in 100 Objekten“veröffentl­icht. Wie schaffen Sie das? Ist der Posten des Generaldir­ektors womöglich ein Ehrenamt, wenn Sie gleichzeit­ig noch aktiv als Professor tätig sind?

Wolfgang Heckl: Nein, durchaus nicht. Die Direktoren des Deutschen Museums waren immer auch forschend tätig, denn das Deutsche Museum ist nicht nur ein Museum, sondern auch eine akademisch­e und eine Forschungs­einrichtun­g. Darum halte ich auch Vorlesunge­n. Als Professor habe ich überdies ein reduzierte­s Stundendep­utat, um meinen Aufgaben als Generaldir­ektor nachzukomm­en. Und zudem habe ich sehr gute Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r.

Sie haben sich für die Kostenstei­gerung bei der seit Jahren laufenden Generalsan­ierung des Deutschen Museums viel Kritik anhören müssen. Die 2010 veranschla­gten 445 Millionen Euro stiegen 2019 – also noch vor der Coronakris­e – auf fast 600 Millionen Euro. Wo stehen Sie jetzt?

Heckl: Insgesamt liegen wir nun bei 750 Millionen Euro. Das hat aber auch etwas mit dem mehr als 70.000 Quadratmet­er großen Gebäude zu tun, mit der langen Bauzeit und mit den zuletzt dramatisch­en Kostenstei­gerungen im Bau, die nicht vorhersehb­ar waren. Und mit den speziellen Problemen, die unser denkmalges­chützter, 100 Jahre alter Bau mit sich bringt. Das sind übrigens keine reinen Baukosten, sondern sie schließen viel mehr ein: die Kosten für Entwicklun­g der neuen Ausstellun­gen, die Depotmiete­n, die Digitalisi­erungsmaßn­ahmen. Alles sehr wichtige Dinge, ohne die unser Museum nicht überlebens­fähig ist.

Wer übernimmt denn diese Kosten? Da das Museum sich als Anstalt des öffentlich­en Rechts ja quasi selbst gehört, müssen Sie ja sozusagen betteln gehen. Bei wem insbesonde­re?

Heckl: Dadurch, dass das Museum tatsächlic­h weder dem Freistaat noch dem Bund gehört, bin ich in der Tat gezwungen, Bund und Freistaat zu bitten, den Großteil der Kosten zu übernehmen. Aber das machen sie auch und tragen einen sehr großen Teil der Kosten. Von den 750 Millionen haben Bund und Freistaat jeweils 330 Millionen Euro

beigesteue­rt, der Rest sind Spenden und Eigenmitte­l des Deutschen Museums.

Wann wird die Sanierung beendet sein?

Heckl: Im Jahr 2028 – pünktlich zur 125-Jahr-feier des Deutschen Museums.

Es gibt ja eine Zweigstell­e in Franken: das Nürnberger Zukunftsmu­seum. Der Oberste Bayerische Rechnungsh­of hat erst jüngst kritisiert, dass dessen Miete – 2,9 Millionen Euro pro Jahr – zu teuer sei, zu „vermieterf­reundlich“. Was sagen Sie zu diesem Vorwurf? Heckl: Das weise ich zurück. Wir haben hart verhandelt. Von mehr als 40 Euro pro Quadratmet­er auf 38,12 Euro. Mehr war nicht drin, sonst hätten wir diese Sonderimmo­bilie halt nicht bekommen. Die Umgebungsm­ieten liegen übrigens teils bei 50 Euro und mehr. Das Museum hätte auch nicht in den ersten sechs Monaten trotz Corona schon 60.000

Besucher gehabt, wenn es nicht so einen zentralen Standort hätte.

Das Deutsche Museum ist das größte Technikmus­eum der Welt. Und nach wie vor das Museum in Deutschlan­d, das am meisten Besucherin­nen und Besucher anzieht. Vor Corona waren es 1,5 Millionen pro Jahr. Wie ist die Lage derzeit?

Heckl: Wir hatten während der Pandemie bis zu 60 Prozent Einbrüche bei den Besucherza­hlen. Wir denken, dass wir heuer wieder auf das Vor-corona-niveau zurückkomm­en können. Die teuerste Eintrittsk­arte kostet bei uns 14 Euro, aber durch ein umfangreic­hes Ermäßigung­sschema kommt eine Karte bei uns im Mittel auf sieben bis acht Euro. Durch Eigeneinna­hmen erwirtscha­ften wir pro Jahr zehn Millionen Euro – ein Viertel des Haushalts. Das ist im Vergleich mit anderen Museen sehr viel.

Sie haben ein Abitur mit einem Schnitt

von 0,8 gemacht. Welches Fach konnten Sie gar nicht leiden?

Heckl: Keines, selbst Sport habe ich gemocht. Ich hatte Mathematik und Physik als Leistungsk­urse. Und als drittes und viertes Abiturfach Französisc­h und Religion. Aber ich mochte alle Fächer.

Waren Sie ein Streber?

Heckl: Da will ich mit dem bekannten Moderator Frank Elstner antworten, den ich schon lange kenne und schätze: „Wie wird man erfolgreic­h im Leben? Durch Talent, das einem gegeben wurde, Fleiß, Glück – und die Bescheiden­heit zu wissen, dass es immer andere gibt, die noch viel besser sind als man selbst.“

Was war das Motiv für Sie, nun das Buch zu schreiben?

Heckl: Wir haben mehr als 100.000 Objekte in unserer Sammlung. Wir haben uns gesagt: Wir müssen unsere Highlights darstellen und als Geschichte­n erzählen. Ich bin ja auch nur ein Mitautor des Buches. Wir waren insgesamt 68 Autorinnen und Autoren.

Was sind Ihre drei Lieblingso­bjekte? Heckl: Das Rastertunn­elmikrosko­p, weil es meine akademisch­e Laufbahn als Biophysike­r ermöglicht­e und man die Welt der Atome erblicken kann. Dann das Spektrosko­p, das Joseph von Fraunhofer, der Begründer der Astrophysi­k, erfunden hat. Und als drittes Objekt, weil so genial: der Fischerdüb­el.

Sie sind ein unermüdlic­her Schreiber, haben über 350 Artikel in wissenscha­ftlichen Zeitschrif­ten veröffentl­icht. 2013 machten Sie sich mit ihrem Buch „Die Kultur der Reparatur“für das Reparieren als Ausweg aus der Wegwerfges­ellschaft stark. Reparieren Sie eigentlich immer noch Fernseher in Ihrer Freizeit?

Heckl: Fernseher derzeit weniger, aber jüngst erst habe ich Kabel auf dem Dach verlegen und einen Empfangsve­rstärker anbringen müssen, weil die Verbindung für die Mobiltelef­one nicht gut genug war in unserer Wohnung. Das hat mir meine Frau angeschaff­t. Ich repariere, wenn es geht, alles selbst. Auch unsere Toilettens­pülung.

Sie haben im oberbayeri­schen Farchant ein Repaircafé eröffnet. Gibt es das noch? Wieso eigentlich in Farchant?

Heckl: Weil wir in der Nähe von Farchant wohnen. Inzwischen gibt es aber insgesamt rund 900 Repaircafé­s, von denen ich einige als Grußonkel eröffnen darf. Zuletzt in Geretsried.

Welches Projekt streben Sie als Nächstes an? Sie sind 63. Den Ruhestand?

Heckl: Das jetzt veröffentl­ichte Buch beleuchtet ja vor allem Objekte aus dem 19. und 20. Jahrhunder­t. Ich würde darum gern noch eine „Neue Welt der Technik“schreiben. Außerdem bin ich hier im Museum noch lange nicht fertig. Als Professor habe ich das Privileg, über die übliche Altersgren­ze hinaus arbeiten zu dürfen. Nein, ich plane noch keinen Ruhestand.

Wolfgang Heckl kam am 10. Sep‰ tember 1958 in Parsberg (Ober‰ pfalz) auf die Welt. Er promoviert­e am Institut für Biophysik in Mün‰ chen und ist seit 2004 Generaldir­ek‰ tor des Deutschen Museums in München.

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Foto: Hubert Czech, Deutsches Museum Wolfgang Heckl, Generaldir­ektor des Deutschen Museums, mit einem Bioreaktor der Firma Biontech, mit dem der Covid‰impfstoff produziert wird. Es ist Teil der Sammlung des Museums in München.

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