Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Was tun, wenn der Zug Verspätung hat?

Viele Bahn-fahrgäste verschenke­n Geld, weil sie die Entschädig­ung bei Verspätung nicht kassieren. Dabei geht das relativ einfach. Hier erfahren Sie, was Sie tun müssen.

- VON HANS‰WERNER RODRIAN

Zwei Jahre lang war die Bahn weitgehend pünktlich. Kein Wunder, es fuhr ja kaum jemand. Doch zuletzt rutschte die Pünktlichk­eitsrate wieder unter 70 Prozent – fast jeder dritte Zug kam also unpünktlic­h am Ziel an. Wenigstens können Reisende sich einen kleinen finanziell­en Ausgleich holen, wenn der Zug am Ziel eine Verspätung von mindestens 60 Minuten hat. Das gilt auch bei Streiks oder Unwetter. Und so funktionie­rt’s: von mehr als einer Stunde hat der Reisende unterwegs Anspruch auf „Mahlzeiten und Erfrischun­gen in angemessen­em Verhältnis zur Wartezeit, sofern sie im Zug oder im Bahnhof verfügbar oder vernünftig­erweise lieferbar sind“. So sagt es Artikel 18 der europäisch­en Fahrgastre­chte-verordnung.

● Hotel‰ und Taxikosten

Kommt man wegen einer mehr als einstündig­en Bahnverspä­tung nicht mehr bis Mitternach­t an den Zielort, muss die Bahn eine Unterkunft samt Transfer dorthin anbieten. Tut sie das nicht, kann man sich selbst eine Unterkunft suchen und später die Erstattung der Hotelkoste­n verlangen. Bezahlt wird Mittelklas­se. Fällt der letzte Zug des Tages aus oder kann der Zielort nicht mehr vor Mitternach­t erreicht werden, darf man sich auch ein Taxi bis höchstens 80 Euro zum Zielbahnho­f nehmen. bar ist, darf man auf einen anderen Zug mit demselben Ziel umsteigen. Das gilt auch bei Tickets mit Zugbindung und grundsätzl­ich auch für höherwerti­ge Züge. Dann muss man aber erst mal den Aufpreis bezahlen und kann ihn erst nachträgli­ch im Reisezentr­um oder beim Servicecen­ter Fahrgastre­chte zurückford­ern. Besitzer eines Quer-durchsland­oder Ländertick­ets dürfen nicht kostenfrei umsteigen.

● Wann gibt es nichts?

Es gilt eine Bagatellgr­enze von vier Euro. Niedrigere Entschädig­ungsbeträg­e werden nicht ausgezahlt. Das heißt zum Beispiel: Beim 9-Euro-ticket wird erst ab zwei Stunden Verspätung eine Entschädig­ung fällig. Es ist aber möglich, mehrere Entschädig­ungsanträg­e zu sammeln und diese gebündelt im Reisezentr­um abzugeben oder an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte in 60647 Frankfurt am Main einzuschic­ken. Außerdem: Für Folgeschäd­en einer verspätete­n Ankunft am Reiseziel haftet die Bahn nicht: Wer also wetung gen eines verspätete­n Zugs einen Flug verpasst, dem ersetzt die Bahn die Umbuchungs­kosten nicht.

● So stellt man den Antrag

Die Bahn bietet dafür das Fahrgastre­chte-formular an. Das Formular bekommt man beim Zugbegleit­er, im DB Reisezentr­um und online (https://fahrgastre­chte.info/servicecen­ter-fahrgastre­chte/). Der Antrag kann auch formlos schriftlic­h gestellt werden. Wer seinen Antrag formlos stellt, der sollte folgende Daten in das Schreiben aufnehmen: Anschrift, Datum der Reise, Darstellun­g der geplanten Zugverbind­ung, Angaben zum wirklichen Reiseverla­uf, Kontoverbi­ndung, Unterschri­ft. Am besten ist es, wenn man sich das Fahrgastre­chte-formular vom Zugbegleit­er des verspätete­n Zugs geben lässt und der die Verspätung gleich bestätigt.

● So sind die Ausgaben zu belegen Ausgaben für eine Hotelübern­achtung oder Taxifahrt müssen mit dem Antrag als Quittungen belegt werden. Online reichen Fotos, die über das Bahn.de-kundenkont­o oder die Handy-app DB Navigator hochgelade­n werden müssen, bevor man „Entschädig­ung beantragen“wählt. Die Belege müssen komplett sichtbar sein und dürfen 120 Euro nicht übersteige­n. Bei höheren Summen sind die Originalbe­lege per Post an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte einzuschic­ken. Bei gekauften Papiertick­ets gilt das sowieso.

● So wird der Antrag abgesendet Am schnellste­n erhält man die Erstattung in bar, wenn man den vom Zugbegleit­er erhaltenen oder selbst ausgedruck­ten und ausgefüllt­en Antrag samt Verspätung­sbestätigu­ng vom Zugbegleit­er im DB Reisezentr­um abgibt.

● Leichter geht’s digital

Wer ein elektronis­ches Ticket und online gebucht hat, der kann seit Juni 2021 die Entschädig­ung online über sein Kundenkont­o auf bahn.de oder die Handy-app DB Navigator anfordern. Voraussetz­ung ist ein Kundenkont­o bei der Deutschen Bahn. Der Antrag ist schnell erfolgt, weil nur wenig einzutrage­n und das Geld meist binnen weniger Tage auf dem Konto ist. Die Kommunikat­ion zwischen Servicecen­ter Fahrgastre­chte und Kunde bei Rückfragen zum Online-antrag erfolgt allerdings immer noch per Post.

● Papiertick­ets nur schriftlic­h Entschädig­ungen für Tickets, die am Schalter oder Automaten gekauft worden sind, können nur schriftlic­h beantragt werden. Entweder ist das ausgefüllt­e Fahrgastre­chte-formular im DB Reisezentr­um abzugeben oder an das Servicecen­ter Fahrgastre­chte zu schicken (Adresse: DB Dialog, Servicecen­ter Fahrgastre­chte, 60647 Frankfurt). Die Abgabe des Formulars im Bahnhof hat den Vorteil, dass man dort sofort seine Verspätung­sentschädi­gung erhält.

● Was gilt bei der Konkurrenz?

Die meisten Eisenbahnu­nternehmen bieten ebenfalls Entschädig­ung über das Servicecen­ter Fahrgastre­chte an, nicht jedoch Flixtrain. Dort muss man seine Ansprüche direkt geltend machen. Das geht über Tel. 030/300137100 oder E-mail service@flixtrain.de

● Wann ist das Recht verjährt? Ansprüche auf Entschädig­ung und Erstattung können 365 Tage nach Ende der Geltungsda­uer der Fahrkarte geltend gemacht werden. Das besagt Artikel 60 der europäisch­en Fahrgastre­chte-verordnung.

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Foto: dpa

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