Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

87‰Jährige soll ihre Tochter umgebracht haben

Im Hochfeld soll eine Seniorin ihre behinderte, 57 Jahre alte Tochter erdrosselt haben. Danach versuchte die Mutter angeblich, sich selbst das Leben zu nehmen. Nun sitzt die Frau in U-haft.

- VON JAN KANDZORA UND MAX KRAMER

Eine 87 Jahre alte Frau soll im Augsburger Stadtteil Hochfeld ihre 57 Jahre alte Tochter umgebracht haben. Nach Angaben der Polizei ging am Freitag vergangene­r Woche gegen 12 Uhr der Notruf eines Angehörige­n ein. Der Anrufer „teilte der Polizei den Tod einer 57-jährigen Frau mit“, heißt es von der Polizei. Erste Ermittlung­en ergaben demnach, dass die Seniorin ihre von Geburt an behinderte und stark pflegebedü­rftige Tochter in der gemeinsame­n Wohnung erdrosselt und danach versucht haben soll, sich selbst das Leben zu nehmen.

Die Ermittlung­en hat die Kriminalpo­lizei Augsburg übernommen. Weitere Details möchte die Polizei derzeit mit Blick auf die Ermittlung­en nicht nennen. Seitens der Staatsanwa­ltschaft Augsburg wurde ein

Haftbefehl gegen die 87-Jährige beim Amtsgerich­t Augsburg beantragt, der am Samstag von einem Ermittlung­srichter erlassen und in Vollzug gesetzt wurde. Die 87-Jährige befindet sich zwischenze­itlich in einer Justizvoll­zugsanstal­t, der Haftbefehl lautet auf Totschlag.

Die Hintergrün­de der Tat sind bislang ungeklärt. Nach Einschätzu­ng von Bernhard Gattner, Leiter Stabsstell­e Presse- und Öffentlich­keitsarbei­t bei der Augsburger Caritas, häufen sich aber Situatione­n, in denen gerade ältere Menschen von der Pflege schwerbehi­nderter Kinder überforder­t sind. „Die körperlich­e und psychische Belastung, sich ein Leben lang um einen Menschen zu kümmern, kann enorm sein und nimmt im Alter weiter zu. Das Problem nimmt zu, je älter die Gesellscha­ft wird“, so Gattner. „Gleichzeit­ig gibt es in diesen Konstellat­ionen auch Eltern, die nicht loslassen können, weil sie ihre Kinder sehr lieben. Sie wollen bis zum Schluss alles für sie tun – und finden sich dann vielleicht in einer Situation wieder, in der sie vor einer Wand stehen. Und eine falsche Entscheidu­ng treffen.“

Die Augsburger Caritas erreichen nach Gattners Einschätzu­ng immer wieder Hilferufe von überforder­ten Eltern. „Die gute Nachricht ist dann: Es gibt wirklich viele Hilfssyste­me, auf die Betroffene zurückgrei­fen können“, so Gattner. Es gebe etliche Pflege- und Wohneinric­htungen sowie Profis wie Heiltherap­euten oder Pädagogen, die sich optimal um pflegebedü­rftige

Eine Seniorin in Augsburg soll ihre behinderte Tochter getötet haben. Die Frau sitzt in Untersuchu­ngshaft. und schwerbehi­nderte Menschen kümmern könnten – und so auch die Eltern entlastete­n. Die Infrastruk­tur, um dem zunehmende­n Problem zu begegnen, werde derzeit geschaffen.

Gattner verweist auf einzelne Fälle in der Vergangenh­eit, in denen überforder­te Angehörige nahe stehende, pflegebedü­rftige Menschen umgebracht hatten. „Solche Tötungsakt­e passieren nicht aus Böswilligk­eit, sondern entweder aus Überforder­ung – oder Sorge: ,Kann es dir noch gut gehen, wenn ich nicht mehr da bin?’“, so Gattner. Ende 2020 musste sich etwa ein damals 92-jähriger Mann vor dem Landgerich­t Würzburg verantwort­en, der dem Leben seiner dementen Frau nach 70 Jahren Ehe ein Ende gesetzt hatte. Die Pflege hatte ihn überforder­t. Der 92-Jährige wurde schließlic­h wegen Totschlags zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt.

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Foto: Julian Leitenstor­fer (Symbolbild)

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