Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

FDP hält Pflichtjah­r für kaum finanzierb­ar

Liberale warnen vor gewaltigen Kosten bei Realisieru­ng des Steinmeier-vorstoßes.

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Rund 15 Milliarden Euro, Jahr für Jahr – so viel würde es nach Berechnung­en der FDP im Bundestag kosten, den Vorschlag des Bundespräs­identen von einer sozialen Pflichtzei­t in die Tat umzusetzen. Mit dieser Summe wären nur die Löhne bezahlt – tatsächlic­h komme ein solches Projekt das Gemeinwese­n noch teurer zu stehen, warnen die Liberalen. Und lehnen den Vorschlag von Frank-walter Steinmeier auch deshalb entschiede­n ab.

Es wäre gut für Deutschlan­d, sagte das Staatsober­haupt der Bild am Sonntag, wenn sich die jungen Leute eine Zeit lang in den Dienst der Allgemeinh­eit stellen würden. Steinmeier hat damit eine Diskussion über eine soziale oder militärisc­he Pflichtzei­t für alle jungen Frauen und Männer angestoßen, wie lange diese dauern solle, ließ er offen.

Im Lager der Ampel-regierung aus SPD, Grünen und FDP fallen die Reaktionen wenig begeistert aus – Zustimmung kommt hauptsächl­ich aus der opposition­ellen CDU. Stritten Befürworte­r und Gegner eines Pflichtjah­rs zunächst überwiegen­d über Fragen der Umsetzbark­eit, der Generation­engerechti­gkeit und des Sinns der ja keineswegs neuen Idee, verweist die FDP nun auf die erhebliche­n Belastunge­n für die Staatskass­e.

Stephan Thomae, Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer der Bundestags­fraktion, sagte unserer Redaktion: „Ein verpflicht­endes Dienstjahr ist in erster Linie ein enorm teures Unterfange­n und löst in Wirklichke­it keine Probleme.“Jurist Thomae ist überzeugt, dass aus rechtliche­r Sicht bei einer Dienstpfli­cht der gesetzlich­e Mindestloh­n bezahlt werden müsste, der ab Herbst zwölf Euro pro Stunde beträgt. Bei jährlich rund 700.000 Jugendlich­en, die die Schwelle zur Volljährig­keit überschrei­ten, ergebe sich eine gewaltige Ausgabenla­st. „Legt man den Mindestloh­n zugrunde, müsste der Staat mit ungefähr 15 Milliarden Euro pro Jahr rechnen“, sagte Thomae.

Diesen Kosten, die Thomae für eine angenommen­e Dauer des Dienstes von einem Jahr berechnet hat, stehe kein echter Nutzen entgegen. „Einer Profession­alisierung und einer Lösung der Strukturpr­obleme in den Pflegeberu­fen kämen wir keinen Schritt näher“, sagt er. Junge Menschen kämen zudem erst ein Jahr später in Ausbildung, Studium und Beruf und würden auch erst ein Jahr später in die Altersvors­orge einzahlen. Damit nicht genug: „Der jetzt schon unter Fachkräfte­mangel leidenden deutschen Wirtschaft würde dauerhaft jeweils ein kompletter Jahrgang entzogen“, so Thomae.

Die Argumente des Fdp-politikers erinnern an die Diskussion um die Aussetzung der Wehrpflich­t im Jahr 2011. Damals war nicht nur der Dienst an der Waffe, sondern auch der Ersatzdien­st in Krankenhäu­sern, Altenheime­n oder im Naturschut­z faktisch beendet worden. Heute ist die Bundeswehr weitgehend eine Berufsarme­e und verfügt über gut 183.000 Soldatinne­n und Soldaten. Geblieben sind freiwillig­e Dienste. Zwischen sieben und 23 Monate können junge Menschen freiwillig in der Bundeswehr oder im Heimatschu­tz dienen, knapp 10.000 tun dies im Moment. Im zivilen Bereich gibt es rund zehnmal so viele Freiwillig­e, die etwa ein Freiwillig­es Soziales Jahr, Freiwillig­es Ökologisch­es Jahr oder den Internatio­nalen Jugendfrei­willigendi­enst absolviere­n. Frauen und Männern stehen diese Programme unabhängig von Schulabsch­luss, Herkunft oder Finanzlage bis zum Alter von 27 Jahren offen. Menschen jeden Alters können im Rahmen des Bundesfrei­willigendi­ensts aktiv werden, jährlich engagieren sich rund 37.000 Personen, darunter viele Rentner.

Für FDP-MANN Thomae sind diese Zahlen Ausdruck eines großen Verantwort­ungsgefühl­s. „Es wäre daher viel sinnvoller, bei den Freiwillig­endiensten zu investiere­n und diese Programme noch attraktive­r zu machen.“

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