Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Verletzt ein Gender-leitfaden Grundrechte?
Ein Vw-mitarbeiter verklagt Audi, weil er nicht mit Gender-gap angesprochen werden möchte. Nun fand der Zivilprozess statt, bei dem beide Seiten hitzig diskutierten.
Ingolstadt Der Automobilhersteller Audi hat im März 2021 im Unternehmen einen Leitfaden für gendersensible Sprache eingeführt. Seitdem sollen in der internen und externen Kommunikation geschlechtsneutrale Formulierungen oder der sogenannte Gender-gap verwendet werden, der die männliche und die weibliche Form mit einem Unterstrich verbindet. Ein 46-Jähriger, der beim Mutterkonzern VW angestellt ist und häufig mit Audi zu tun hat, fühlte sich durch diese Sprachregelung aber diskriminiert – und klagte. Am Dienstag fand nun der Prozess vor der achten Zivilkammer des Landgerichts Ingolstadt statt. Die Kammer muss klären, ob der Kläger als Vw-mitarbeiter durch den Audileitfaden in seinen allgemeinen Persönlichkeitsrechten verletzt ist oder nicht.
In der Güteverhandlung erläuterte Alexander B. das Ziel seiner Klage: „Ich möchte der Audi AG keineswegs schaden. Ich bin der Überzeugung, dass Audi hier einen Fehler gemacht hat, und möchte helfen, diesen Fehler zu beheben.“Um die Auswirkungen des Leitfadens zu verdeutlichen, las er vor Gericht einen Auszug aus einem Dokument vor, das er von Audi erhalten hatte: „Der_die Bsm-expert–in ist qualifizerte_r Fachexpert_in“.
Der Vorsitzende Richter Christoph Hellerbrand machte dem Kläger und seinen beiden Rechtsanwälten klar, dass es in diesem Prozess nicht um ein Grundsatzurteil gehe, sondern um einen ganz konkreten Einzellfall. „Es geht um Sie, um ihre persönliche Betroffenheit durch diesen Gender-leitfaden“, sagte er dem Vw-prozessmanager. Zur gütlichen Einigung schlug er vor, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Audi Alexander B. doch künftig anschreiben könnten, ohne zu gendern. Diesen Vorschlag lehnten die drei Rechtsanwälte von Audi allerdings ab. Ihre Begründung: Dies sei schlicht nicht „handhabbar“. Denn dann müsste jeder E-mail-verteiler und jedes Dokument stets auf seinen Adressatenkreis hin überprüft werden. Außerdem hätte man dann womöglich bald eine Liste von Personen, die sich eine individuelle Ansprache wünschten.
Damit war der Versuch eines Vergleichs gescheitert und die Diskussionen wurden hitziger, sodass Richter Hellerbrand die Beteiligten zügelte: „Es bringt nichts, übereinander herzufallen!“
Firmenanwalt Sebastian Klaus sagte, Ziel der Sprachregelung sei es, Diskriminierung zu verhindern. Keine Person, die sich nicht eindeutig als Frau oder Mann sehe, müsse sich offenbaren – alle dürften sich mithilfe der Gender-gaps aber angesprochen und respektiert fühlen. Bei der Erstellung des Leitfadens habe sich Audi von Experten beraten lassen.
Alexander B. und seine Rechtsanwälte mussten ihren Unterlassungsantrag präzisieren: Dirk Giesen sagte, sein Mandant sei für Gleichberechtigung und Vielfalt, aber mit gendersensibler Sprache möchte er nichts zu tun haben. Audi solle es unterlassen, bei der Kommunikation mit ihm – in E-mails, persönlichen Gesprächen und Anweisungen oder in Präsentationen mit seiner Anwesenheit – die Anwendung des Gender-gaps vorzugeben. Richter Hellerbrand fasste dies so zusammen: „Der Gender-gap muss weg.“Der Verein für deutsche Sprache, der Gendern generell ablehnt, unterstützt die Klage.
Am 29. Juli wird die Kammer ihr Urteil verkünden. Kläger Alexander B. schloss auf Nachfrage nicht aus, in die nächste Instanz zu gehen, sollte sich das Gericht gegen eine Unterlassung entscheiden. Audi hingegen wollte sich zum weiteren Vorgehen nicht äußern, da es sich um ein laufendes Verfahren handelt.