Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Documenta wird anders
Kuratoren-kollektiv lädt Kollektive ein
Kassel Die Documenta in Kassel gilt als die wichtigste Kunstschau der Welt, aber selten war die Spannung so groß wie bei dieser Ausgabe. Noch wissen wenige, was die Besucherinnen und Besucher der „Weltkunstschau“ab dem Wochenende (18. Juni) zu sehen bekommen. Klar ist eins: Diese Documenta wird anders. Zum ersten Mal kuratiert nicht eine Einzelperson, sondern ein Kollektiv. Erstmals kommen die Kuratoren aus Asien. Als 2019 die Gruppe Ruangrupa den Zuschlag erhielt, rieb sich die Kunstwelt verwundert die Augen: Das Künstlerkollektiv aus Jakarta war so unbekannt, dass es nicht einmal einen Wikipediaeintrag gab.
Als Ruangrupa 2020 ihr künstlerisches Konzept erläuterten, lernten Museumsleute, Galeristen und Feuilletonisten das indonesische Wort für eine Reisscheune kennen: „lumbung“ist in dem Inselstaat das Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Scheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Bei der Documenta wollen die Künstler „gemeinsam lumbung praktizieren“. Diese Documenta hat sich von vielem verabschiedet: von den Stars mit großem Namen, von dem engen Zeitkorsett der 100 Tage, von der Ortsgebundenheit an eine Stadt in Nordhessen, von den Auftragsarbeiten. Stattdessen hat Ruangrupa andere Kollektive in aller Welt zum Mit-kuratieren eingeladen.
Malerei, Plastiken, Performances, Filme – all das wird es wohl auch auf der Documenta fifteen geben, aber es geht vor allem um Immaterielles: um den Prozess, die Vision, das Engagement. Unter den Teilnehmern ist eine dänische Organisation, die Geflüchtete mit Rechtsberatung und Sprachkursen unterstützt.