Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Im Durcheinander der Beziehungen
Endlich war es so weit: Der Bariton und sein Palast Orchester konnten nach drei Verschiebungen im Kongress am Park auftreten.
„Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“heißt es in „Guten Tag, liebes Glück“, einem der neuen Lieder von Max Raabe. Und glücklich war das Publikum im Kongress am Park tatsächlich. Genau dreimal wurde das angekündigte und ausverkaufte Konzert seit dem November 2020 verschoben – bis endlich dieser „perfekte Moment“– wie es in einem anderen Lied heißt – kam: Der nostalgieverliebte Sänger trat mit seinem fabelhaften Palast Orchester wieder in Augsburg auf.
Perfekt sitzende Anzüge mit Fliege und Einstecktuch, sorgfältig mit Pomade frisiertes Haar und sparsame Gestik vor einem Standmikrofon: Raabe und seine elf Musiker (plus einer Dame an der Violine) verkörpern die zeitlose Eleganz der Tanzmusiker der Goldenen Zwanziger. Sein näselnder Gesang und sein etwas blasser Charme wurden zum Markenzeichen, das dem von ihm besungenen „Bel Ami“ähnelt.
35 Jahre lang touren der ausgebildete Bariton und sein Orchester schon mit seiner „Masche“der Unterhaltungsmusik der 20er und 30er Jahre. Das trifft bei langjährigen Fans genauso wie bei jungen Neugierigen mitten ins Herz und zaubert allen ein glückliches Lächeln aufs Gesicht. Schon nach wenigen Takten wippt es in den Stuhlreihen beschwingt, und am Ende erklatscht sich das begeisterte Publikum drei lange Zugaben.
Raabe hat aber auch einige neue eigene Lieder mitgebracht, die, eher vom Pop kommend, das süße Nichtstun feiern, zum Träumen einladen und an der Sehnsucht anknüpfen, die schon die hundert Jahre alten Schlager so wehmütig in schöne Worte kleiden konnte.
Vielleicht sind aber auch die Themen der alten und neuen Lieder wie geschaffen für Krisenzeiten, egal ob er von Liebessehnsucht an der Côte d’azur singt oder über die kleinen Missgeschicke wie beim unverwüstlichen „kleinen grünen Kaktus“. Mit dem grandiosen Sound der Musiker im Rücken fliegt er beim „Fahrrad fahr’n“dahin (mit schnellem Beat und spritzigen Bläser-verzierungen) oder rekelt sich bei „Der perfekte Moment… wird heute verpennt“gepflegt in der ersehnten Hängematte (mit statischer 2-Akkord-begleitung auf der Ukulele). Im Mittelpunkt immer „das ewige Durcheinander der Beziehungen“, das niemals tragisch, sondern mit Ironie und originellen Reimen kredenzt wird.
„Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es in der Brecht/weill-moritat vom Mackie Messer. Und auch an diesem Abend spielt die wechselnde Lichtshow eine große Rolle. Raabe gönnt seinen Musikern das volle Licht, sobald er nicht mehr singt, und verharrt im Dunkeln. Eine besondere Respektsbekundung, genauso wie er nach jedem Solo die Namen der Musiker nennt, um ihnen Applaus zuzuschanzen.
Perfekt ist auch die Zusammenstellung von Holz- und Blechbläsern, die zusammen mit einem fein ausbalancierten Schlagzeug, Klavier, Geige und Gitarre den satten Bigband-sound ebenso wie die lyrischen Liebeslieder mit bewegt-bewegendem Swing bilden. Akkordeon, Sousafon und mehrstimmiger Gesang sorgen für Abwechslung.
Zurückhaltend-ironische Choreografien kommentieren den Wortwitz der Texte, kleine Bläser-ausbrüche den Humor der Kompositionen. Tango, Paso doble, Slowfox sind die Rhythmen der nostalgischen neuen wie auch der alten Songs. Alles Rhythmen, denen man schnell verfällt, wie auch die Begeisterungsstürme nach Herbert Grönemeyers nun auch schon fast 40 Jahre altem Hit „Mambo“zeigen.
Max Raabes Respekt gilt aber vor allem den heute vergessenen Komponisten und Textern der „Goldenen Zwanziger“. So leuchtet er nach wie vor die weißen Flecke der schier unglaublich kreativen Musikszene zwischen Berlin und Wien aus, die von den Nazis barbarisch gesprengt wurde.
Denn wer außer den Besuchern der Raabe-konzerte kennt heute noch damals gefeierte Komponisten wie Karl M. May („Wenn Du von mir fortgehst“von 1929), Jim Cowler („Heut’ war ich bei der Frieda“von 1927) oder Mischa Spoliansky („Leben ohne Liebe kannst du nicht“von 1931 mit dem Text von Robert Gilbert)?