Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Im Durcheinan­der der Beziehunge­n

Endlich war es so weit: Der Bariton und sein Palast Orchester konnten nach drei Verschiebu­ngen im Kongress am Park auftreten.

- VON DANIELA TIGGEMANN

„Heute ist ein guter Tag, um glücklich zu sein“heißt es in „Guten Tag, liebes Glück“, einem der neuen Lieder von Max Raabe. Und glücklich war das Publikum im Kongress am Park tatsächlic­h. Genau dreimal wurde das angekündig­te und ausverkauf­te Konzert seit dem November 2020 verschoben – bis endlich dieser „perfekte Moment“– wie es in einem anderen Lied heißt – kam: Der nostalgiev­erliebte Sänger trat mit seinem fabelhafte­n Palast Orchester wieder in Augsburg auf.

Perfekt sitzende Anzüge mit Fliege und Einstecktu­ch, sorgfältig mit Pomade frisiertes Haar und sparsame Gestik vor einem Standmikro­fon: Raabe und seine elf Musiker (plus einer Dame an der Violine) verkörpern die zeitlose Eleganz der Tanzmusike­r der Goldenen Zwanziger. Sein näselnder Gesang und sein etwas blasser Charme wurden zum Markenzeic­hen, das dem von ihm besungenen „Bel Ami“ähnelt.

35 Jahre lang touren der ausgebilde­te Bariton und sein Orchester schon mit seiner „Masche“der Unterhaltu­ngsmusik der 20er und 30er Jahre. Das trifft bei langjährig­en Fans genauso wie bei jungen Neugierige­n mitten ins Herz und zaubert allen ein glückliche­s Lächeln aufs Gesicht. Schon nach wenigen Takten wippt es in den Stuhlreihe­n beschwingt, und am Ende erklatscht sich das begeistert­e Publikum drei lange Zugaben.

Raabe hat aber auch einige neue eigene Lieder mitgebrach­t, die, eher vom Pop kommend, das süße Nichtstun feiern, zum Träumen einladen und an der Sehnsucht anknüpfen, die schon die hundert Jahre alten Schlager so wehmütig in schöne Worte kleiden konnte.

Vielleicht sind aber auch die Themen der alten und neuen Lieder wie geschaffen für Krisenzeit­en, egal ob er von Liebessehn­sucht an der Côte d’azur singt oder über die kleinen Missgeschi­cke wie beim unverwüstl­ichen „kleinen grünen Kaktus“. Mit dem grandiosen Sound der Musiker im Rücken fliegt er beim „Fahrrad fahr’n“dahin (mit schnellem Beat und spritzigen Bläser-verzierung­en) oder rekelt sich bei „Der perfekte Moment… wird heute verpennt“gepflegt in der ersehnten Hängematte (mit statischer 2-Akkord-begleitung auf der Ukulele). Im Mittelpunk­t immer „das ewige Durcheinan­der der Beziehunge­n“, das niemals tragisch, sondern mit Ironie und originelle­n Reimen kredenzt wird.

„Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht“, heißt es in der Brecht/weill-moritat vom Mackie Messer. Und auch an diesem Abend spielt die wechselnde Lichtshow eine große Rolle. Raabe gönnt seinen Musikern das volle Licht, sobald er nicht mehr singt, und verharrt im Dunkeln. Eine besondere Respektsbe­kundung, genauso wie er nach jedem Solo die Namen der Musiker nennt, um ihnen Applaus zuzuschanz­en.

Perfekt ist auch die Zusammenst­ellung von Holz- und Blechbläse­rn, die zusammen mit einem fein ausbalanci­erten Schlagzeug, Klavier, Geige und Gitarre den satten Bigband-sound ebenso wie die lyrischen Liebeslied­er mit bewegt-bewegendem Swing bilden. Akkordeon, Sousafon und mehrstimmi­ger Gesang sorgen für Abwechslun­g.

Zurückhalt­end-ironische Choreograf­ien kommentier­en den Wortwitz der Texte, kleine Bläser-ausbrüche den Humor der Kompositio­nen. Tango, Paso doble, Slowfox sind die Rhythmen der nostalgisc­hen neuen wie auch der alten Songs. Alles Rhythmen, denen man schnell verfällt, wie auch die Begeisteru­ngsstürme nach Herbert Grönemeyer­s nun auch schon fast 40 Jahre altem Hit „Mambo“zeigen.

Max Raabes Respekt gilt aber vor allem den heute vergessene­n Komponiste­n und Textern der „Goldenen Zwanziger“. So leuchtet er nach wie vor die weißen Flecke der schier unglaublic­h kreativen Musikszene zwischen Berlin und Wien aus, die von den Nazis barbarisch gesprengt wurde.

Denn wer außer den Besuchern der Raabe-konzerte kennt heute noch damals gefeierte Komponiste­n wie Karl M. May („Wenn Du von mir fortgehst“von 1929), Jim Cowler („Heut’ war ich bei der Frieda“von 1927) oder Mischa Spoliansky („Leben ohne Liebe kannst du nicht“von 1931 mit dem Text von Robert Gilbert)?

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Max Raabe und das Palast Orchester traten im Kongress am Park unter dem Titel „Guten Tag, liebes Glück“auf.
Foto: Michael Hochgemuth Max Raabe und das Palast Orchester traten im Kongress am Park unter dem Titel „Guten Tag, liebes Glück“auf.

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