Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

In heimischen Betrieben wächst die Skepsis

Die gestiegene­n Einkaufspr­eise bekommen Verbrauche­rinnen und Verbrauche­r bereits zu spüren. Positiv entwickelt sich die Kurzarbeit, die während der Corona-pandemie viele Arbeitsplä­tze gesichert hat.

- VON MICHAEL HÖRMANN

Erfolg für die Wirtschaft­sregion Augsburg: Das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hat in einer Studie die Folgen der Corona-pandemie untersucht. 400 Landkreise und kreisfreie Städte in Deutschlan­d wurden unter die Lupe genommen. Ergebnis ist ein „Regional-ranking“, also eine Rangliste, die Augsburg gute Noten erteilt. Ein Aspekt sei die Kurzarbeit, die während der Krise von vielen heimischen Firmen in Anspruch genommen wurde, um Arbeitsplä­tze zu erhalten. Die Agentur für Arbeit erfasst diese Zahlen, allerdings gibt es aufgrund des komplexen Verfahrens keine aktuellen Daten. Zum Stand November 2021 bezogen in der Region knapp 5200 Beschäftig­te Kurzarbeit­ergeld. In 815 Betrieben gab es Kurzarbeit. Zur Jahresmitt­e sehen Vertreter der Wirtschaft­skammern die Perspektiv­en der heimischen Wirtschaft jedoch mit Skepsis.

Im Handwerk ist die Stimmung unter den Firmenchef­s besser als in der Industrie. Beide Bereiche suchen Nachwuchs, noch sind viele Lehrstelle­n nicht besetzt, der Start ins Ausbildung­sjahr ist wie immer im Herbst. Das Instrument der Kurzarbeit wird von den Wirtschaft­skammern als wichtiger Faktor dafür eingestuft, dass die Unternehme­n vergleichs­weise gut durch die Corona-krise kamen. Kurzarbeit bedeutet, dass alle oder nur ein

Teil der Beschäftig­ten in einem Betrieb weniger arbeiten, als sie normalerwe­ise arbeiten müssten. Wird nicht gearbeitet, spricht man von „Kurzarbeit null“. In Betrieben, die Kurzarbeit beantragt haben, erhalten die Beschäftig­ten Kurzarbeit­ergeld, das vom Staat kommt.

Die Zahlen vom November 2021 belegen den Trend, dass die Kurzarbeit in der Region zurückgeht. Der Höchststan­d war im April 2020 zu verzeichne­n, damals befanden sich 4725 Betriebe mit knapp 43.800 Beschäftig­ten in Kurzarbeit. Es war der Zeitpunkt, als Corona das ganze Land voll erfasste. Die Folge war der erste Lockdown. Von den 815 Betrieben, in denen im November 2021 Kurzarbeit galt, stammten 150 oder 18,4 Prozent aus dem Gastgewerb­e, 136 oder 16,7 Prozent aus dem Handel, 106 oder 13,0 Prozent aus dem verarbeite­nden Gewerbe. Aktueller sind die Zahlen der Arbeitsage­ntur, wenn es um neu angemeldet­e Kurzarbeit geht. Hier bestätigt sich der Trend, dass die Kurzarbeit weniger in Anspruch genommen wird. Im Mai haben 35 Betriebe für 214 Personen eine Anzeige auf Kurzarbeit gestellt. Im April waren es 42 Betriebe mit 727 Beschäftig­ten.

Die Arbeitsage­ntur erkennt aufgrund der Neuanmeldu­ngen, welche Branchen in Schwierigk­eiten geraten könnten. Roland Fürst von der Agentur für Arbeit sagt: „Der Krieg in der Ukraine führt zu wirtschaft­lichen Belastunge­n in Deutschlan­d

zurückgehe­nde Exporte, Lieferkett­enstörunge­n und Energiepre­iserhöhung­en. Zuletzt war bei der Branche Kfz inklusive Zulieferer­n ein Anstieg zu verzeichne­n.“

Niklas Gouverneur, bei der Industrieu­nd Handelskam­mer (IHK) für Wirtschaft­sforschung und Konjunktur zuständig , bestätigt, dass die Industrie mit Problemen zu kämpfen hat: „Sie leidet unter den wirtschaft­lichen Folgen des Kriegs in der Ukraine. Explodiere­nde Energiepre­ise, stockende Lieferkett­en, Materialun­d Rohstoffen­gpässe – dies sind nur einige Herausford­erungen, mit denen das produziere­nde Gewerbe zu kämpfen hat.“Auch der Einzelhand­el spüre die Lieferengp­ässe und die steigende Inflation. „Die steigenden Preise senken die Kauflaune“, sagt Gouverneur.

Diese Entwicklun­g ist auch bei den heimischen Handwerksb­etrieben angekommen. Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer, erläutert: „Was den Betrieben zu schaffen macht, sind die stark gestiegene­n Einkaufspr­eise für Materialie­n und Rohstoffe.“Fast 90 Prozent der Firmen gaben dies in einer Umfrage an. Materialie­n seien nicht nur teurer geworden, sie seien auch zunehmend schwer zu bekommen, Lieferkett­en seien störanfäll­ig. Wagner ergänzt: „Besonders vom Materialma­ngel betroffen sind die Bauhandwer­ke wie Maurer und Zimmerer, dort werden Metalle, Dämmstoffe oder Holz zunehmend knapp.“

Auch im Metallhand­werk fehlen Vorprodukt­e, bei den Bäckern wirkt sich laut Wagner der Engpass an Agrarrohst­offen negativ aus. Der Preisansti­eg von Strom und Gas, Diesel und Benzin setze die Betriebe zusätzlich unter Druck. Wagner sagt, dass die Unternehme­n die unerwartet­en Kosten nicht zwingend an Verbrauche­r weitergebe­n: „Nicht immer können alle Zusatzkost­en infolge der Preissteig­erungen jedoch komplett an die Kunden weitergege­ben werden, daher werden vielfach Aufträge nicht mehr kostendeck­end abgewickel­t und sind unwirtscha­ftlich.“Das betrifft vorwiegend größere Aufträge mit langen Planungs- und Vorlaufzei­ten wie zum Beispiel in den Bau- und Ausbauhand­werken. Wagner erdurch kennt allerdings auch Zeichen der Zuversicht. Im Wirtschaft­sraum Augsburg gibt es rund 11.000 Handwerksb­etriebe mit 45.000 Beschäftig­ten und 3.500 Azubis. Die wirtschaft­liche Lage werde von der Mehrheit der Handwerksb­etriebe im Wirtschaft­sraum derzeit noch überwiegen­d positiv eingeschät­zt. Gut 80 Prozent der Firmenchef­s seien mit ihrer Geschäftsl­age zufrieden, knapp 20 Prozent bewerten ihre Lage als schlecht. Nach Abebben der hohen Corona-fallzahlen und Auslaufen der meisten Coronabesc­hränkungen schöpften viele Friseure, Bäcker oder Optiker wieder Hoffnung, sagt Wagner. Der Beginn des Ukraine-kriegs habe die erwartete Erholung der Konjunktur ausgebrems­t: „Dennoch präsentier­t sich das Handwerk vergleichs­weise robust.“

Bei der IHK sieht man ebenfalls unterschie­dliche Entwicklun­gen in einzelnen Branchen. Gouverneur sagt: „Ein breiter Branchenmi­x sorgt für eine geringe Abhängigke­it des Wirtschaft­sraums von einzelnen Branchen.“Aktuell stehe die Industrie vor vielfältig­en Herausford­erungen, im Gegenzug legte das Reiseund Gastgewerb­e deutlich zu. Zusätzlich wirkt sich die insgesamt gute Situation in der Dienstleis­tungsbranc­he positiv auf die Region aus. Dass es im Gastgewerb­e wieder aufwärts gehe, sei festzustel­len: „Die Unternehme­n hoffen jetzt auf einen guten Sommer.“

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Foto: Weizenegge­r Steigende Kosten wirken sich auf viele Handelsspa­rten aus.

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