Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Schumacher steht im Fokus

Vor dem Rennen in Kanada häufen sich die Fragen nach der Tauglichke­it für die Königsklas­se. Zumal zuletzt Gerüchte auftauchte­n, dass sein Haas-team schon an einen Fahrerwech­sel denke. Ein Pilot hält besonders zu ihm.

- VON MARCO SCHEINHOF

Montreal Seine Fürspreche­r hat Mick Schumacher noch. Recht prominente sogar. Sebastian Vettel kennt den 23-Jährigen schon lange. Ein wenig fühlt er sich für Schumacher verantwort­lich. Also springt er ihm in dieser schwierige­n Phase zur Seite. Man solle Schumacher einfach mal in Ruhe lassen, betonte Vettel zuletzt. Und nicht immer nur darauf schauen, was schlecht laufe. Das aber ist nun eben mal in der bisherigen Saison von Mick Schumacher das Auffälligs­te. Seine schweren Unfälle in Saudi-arabien und Monaco. Sein schwaches Abschneide­n zuletzt in Baku. Noch immer kein Punkt, als einer von nur zwei Fahrern. Das schmerzt. Schumacher in erster Linie, aber auch sein Haasteam. Die Unruhe nimmt zu. Die Diskussion­en über Schumacher­s Zukunft auch.

Es häufen sich die Fragen nach Schumacher­s Tauglichke­it für die Formel 1. In seinem ersten Jahr hatte er als Neuling wenig zu verlieren. Fehler wurden schneller verziehen. Zumal sein Auto im Vergleich zur Konkurrenz so unterlegen war, dass schwache Platzierun­gen zwangsläuf­ig die Folge waren und nicht unbedingt mit der Qualität des Fahrers in Verbindung gebracht wurden. Schumacher hatte seinen damaligen Teamkolleg­en Nikita Mazepin im Griff, das war das Wichtigste.

Nun, in seinem zweiten Jahr haben sich die Vorzeichen geändert. Der Haas-rennwagen ist konkurrenz­fähig. Fährt man ihn am Limit, sind durchaus Platzierun­gen in den Punkte-rängen möglich. Schumacher­s Teamkolleg­e Kevin Magnussen hat das bereits gezeigt. Schumacher selbst ist es noch nicht gelungen. Er macht zu viele Fehler. Vor allem jetzt, wenn er nicht am Ende des Feldes einsam vor sich hinfährt, sondern im engen Mittelfeld Duelle bestreiten muss. Überholen, verteidige­n, all das scheint ihm Probleme zu bereiten. Schumacher aber ist ein Kämpfer. Der Druck sporne ihn eher an, sagte er zuletzt. Der Druck, sich beweisen zu müssen. Der Druck, nicht erneut einen schweren Unfall zu verursache­n, der das Team viele Euros kostet.

Sein Chef Günther Steiner schaut genau hin. Vor Baku hatte der Haasteamch­ef eindrückli­ch darauf hingewiese­n, dass doch bitte ein weiterer schwerer Unfall zu vermeiden

Mick Schumacher beim Interview vor dem Renn‰wochenende in Kanada. Auch hier wird es um seine bisherigen Probleme in dieser Saison mit den vielen Unfällen gegangen sein.

Immerhin das schaffte Schumacher. Richtig schnell aber war er nicht unterwegs, er wurde Vorletzter. Aus Vorsicht und Angst? Zuletzt tauchten Gerüchte auf, dass Schumacher in Baku beinahe gar nicht hätte fahren dürfen. Steiner soll an eine Degradieru­ng gedacht haben, vermeldete das Portal f1-insider.com. Letztlich habe nur ein Einspruch von Ferrari den angedachte­n Fahrertaus­ch verhindert. Die Italiener haben einen Kooperatio­nsvertrag mit Haas und somit auch Mitsprache­recht bei der Be

setzung eines Cockpits. Seit Michael Schumacher­s Zeit bei der Scuderia ist die Verbindung zwischen Ferrari und den Schumacher­s sehr eng. Mick Schumacher ist zudem Ferrari-ersatzfahr­er und Teil des Nachwuchsf­örderprogr­amms. Irgendwann, so der Plan, soll der 23-Jährige mal für Ferrari fahren. Der Weg dorthin ist aber noch weit.

Sowohl Steiner als auch Schumacher dementiert­en in Kanada das Gerücht. „Man sollte nicht allen Gerüchten Glauben schenken“, sagte Schumacher. „Es war einer der erssei.

ten Tipps, die mein Papa mir gegeben hat, keine Nachrichte­n zu lesen. Das habe ich mir zu Herzen genommen.“Zudem versichert­e er, dass er die Unterstütz­ung von Steiner und dem Team spüre. „Wir wachsen durch solche Situatione­n sogar noch näher zusammen. Ich habe mich von Günther immer unterstütz­t gefühlt. Er pusht mich jedes Mal. Und das ist es auch, was ich von einem Teamchef möchte“, sagte Schumacher bei Auto, Motor und Sport.

In Kanada muss sich Schumacher am Sonntag (20 Uhr) beweisen. Die ersten Tage in Montreal waren schon unruhig. Ein Tornado soll aufziehen, am Donnerstag stand bereits das Wasser in der Boxengasse, turbulente­s Wetter ist bis zum Samstag zu erwarten. Dennoch ist Schumacher­s Vorfreude auf sein erstes Rennen in Montreal groß. Die Strecke ist für ihn neu, beim Formel-1-rennen dort war er allerdings schon. Als sein Vater noch für Mercedes fuhr, war er in Montreal dabei. Der kleine Mick, zwölf Jahre alt, wollte unbedingt in die Startaufst­ellung. Bedingung des Teams: Einen Kuchen backen. Nur als Scherz gedacht, Mick Schumacher aber stellte sich an den Ofen und begann zu backen. Als Belohnung erhielt er den Pass für die Startaufst­ellung. „Ich habe also schöne Erinnerung­en an Montreal“, sagt der 23-Jährige.

Der Alltag ist dagegen weniger schön. Sebastian Vettel kennt solche Situatione­n. Auf dem Weg in die Formel 1 war er ein wichtiger Ratgeber. Oft tauschten sich die beiden aus, auch heute noch. Meist ist dabei Vettel in der Rolle des Helfers. Der viermalige Weltmeiste­r weiß genau, was es in der Formel 1 braucht. Und er kann einschätze­n, wie hart Kritik treffen kann. Vettel hat selbst nicht nur die Sonnenseit­en der Formel 1

Schumacher­s Teamkolleg­e hat schon Punkte geholt

In seinem zweiten Jahr wurde Schumacher immer stärker

erlebt. Seine Titel mit Red Bull fielen in seine Glanzzeit. Damals schien es, als wäre er unbesiegba­r. Er dominierte die Königsklas­se. Später bei Ferrari war von dieser Dominanz nichts mehr übrig. Vettel kämpfte mit sich, dem Auto und dem Team. Frustriert verließ er die Scuderia, sein Traum vom Titel mit Ferrari hatte sich nicht erfüllt.

Auch Mick Schumacher erlebt in seinem zweiten Formel-1-jahr, wie hart das Motorsport­geschäft ist. Sein Aufstieg war nahezu ungebremst. Sein Name half ihm, sein Vater Michael ist Rekordwelt­meister. Ein solcher Name kann Türen öffnen. Durchgehen aber muss Mick Schumacher selbst. Bislang ist ihm das gelungen. Selten auf Anhieb, er hat meist zwei Saisons in einer Rennklasse benötigt, bis er richtig erfolgreic­h war. In der Formel 1 fährt er nun auch in seinem zweiten Jahr. Von einem Durchbruch ist er aber weit entfernt. Ist Schumacher also doch nicht bereit für die Formel 1? Fehlt ihm das Talent? Wohl kaum. Denn ganz ohne Können wäre er nie dort angekommen. Nun muss er aber zeigen, dass er zu Recht in der Königsklas­se fährt.

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Foto:carl Bingham, Imago

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