Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Ohne engagierte Bürger strahlt keine Stadt

Über Jahrhunder­te haben private Initiative­n „ihr“Augsburg durch Spenden vorangebra­cht. Dieser Einsatz ist noch immer gefragt, der Fugger-pavillon hat gezeigt, wie es gehen könnte.

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger‰allgemeine.de

Der Goldene Saal und das Schaezlerp­alais sind gute Beispiele: Wo Bürgerinne­n und Bürger sich engagieren, wird scheinbar Unmögliche­s machbar. Der Prunksaal im Rathaus konnte rekonstrui­ert werden, weil Privatleut­e jahrelang Geld dafür sammelten. Das Schaezlerp­alais wurde aus demselben Grund von der „Bruchbude“(so lautete damals der provokante Titel der Marketinga­ktion) zum repräsenta­tiven Ausstellun­gshaus. Ohne den Rückenwind aus der Bürgerscha­ft hätte die Stadt die beiden Projekte so wohl nie umsetzen können – das ist ein Fakt, der bis heute Gültigkeit hat.

Das Engagement von Bürgerinne­n und Bürgern ist essenziell für die Weiterentw­icklung einer Kommune. Ob sie sich dafür in Vereinen organisier­en oder Stiftungen gründen, ist erst einmal nebensächl­ich. Wichtiger ist, was vorher geschieht: Wer sich aktiv einbringt, lebt nicht „einfach nur“in einer Stadt und konsumiert, was dort gerade so geboten ist. Wer sich einbringt, identifizi­ert sich, erkennt, woran es mangelt, und entwickelt in einem zweiten Schritt die Bereitscha­ft anzupacken, anstatt sich zurückzule­hnen und abzuwarten, mit welcher Lösung Politik und Verwaltung ums Eck kommen.

In Augsburg war und ist diese Bereitscha­ft stark ausgeprägt: Rund 170 Stiftungen gibt es, die meisten mit regionalem Zweck – und immer wieder kommen neue hinzu. Ein Ehepaar vermachte der Stadt vor Kurzem sein Erspartes – zwei Millionen (!) Euro -, um damit eine Stiftung zu gründen, die Auszubilde­nde vornehmlic­h in Pflegeberu­fen unterstütz­t. Wie diese dienen viele Stiftungen einem sozialen oder kulturelle­n Zweck und decken damit Bereiche ab, in denen Kommunen oft nicht einmal das Geld für die Pflicht aufbringen können und an die Kür deshalb erst gar nicht denken.

Weltweit stehen Staaten und Kommunen heute vor Herausford­erungen, die sie kaum meistern können, der Mangel an (bezahlbare­m) Wohnraum ist eine. Jakob Fugger, Stifter der Fuggerei, sah seine Stadt vor 500 Jahren in einer ähnlichen Lage und beschloss, seinen Teil zur Linderung beizutrage­n. Dass er sich damit eventuell auch ein Denkmal setzen wollte, schmälert nicht die Tat an sich – neue Stiftungen tragen ebenfalls oft den Namen ihrer Initiatore­n. Auch, dass Jakob Fugger sein Geld mit Methoden machte, die aus heutiger Sicht zweifelhaf­t sind, darf die Idee der Fuggerei nicht per se infrage stellen. So richtig es ist, die Vergangenh­eit mit neuesten wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zu ergänzen und somit eine Debatte anzuregen, so falsch wäre es, eine über 500 Jahre alte Stiftung zu verteufeln, die bis heute ihren Zweck erfüllt. betrachtet und damit eine Diskussion anstoßen wollen, die mit dem Abbau des Holzbaus nicht endet. Vielmehr wurden dadurch weltweite Verbindung­en geknüpft, die irgendwann gemeinsame Projekte nach sich ziehen könnten.

Schade ist, dass die Stadt Augsburg die Gelegenhei­t verstreich­en ließ, im Pavillon auch ihre eigenen Stiftungen zu präsentier­en. Zwar gab es 2021, im eigentlich­en Fuggerei-jubiläumsj­ahr, im Maximilian­museum eine interessan­te Ausstellun­g zur Stiftungsg­eschichte dieser Stadt.

Jetzt aber wäre die Gelegenhei­t gewesen, Bürgerinne­n und Bürger für aktuelle Projekte zu sensibilis­ieren. Denn es gibt sie (noch), die Augsburger­innen und Augsburger, die sich gerne finanziell für ihre Stadt engagieren würden. Sie wissen oft nur nicht, welche Möglichkei­ten es gibt.

Eine große Rolle werden hier in den nächsten Jahren sicherlich die Sanierung des Theaters, des Perlachtur­ms und vielleicht auch der Dominikane­rkirche spielen. Ein Blick nach Dresden zeigt, was Privatleut­e leisten können: Rund drei Viertel der Summe für den Wiederaufb­au der Frauenkirc­he kamen durch Spenden von Bürgerinne­n, Touristen und Geschäftsl­euten zusammen – befeuert durch eine gut organisier­te Marketinga­ktion. Bei einem der größten und teuersten Projekte in Augsburg, der Theatersan­ierung, lässt eine solch konzertier­te Aktion bislang auf sich warten. Im Gegenteil, die Stadt ruderte zuletzt sogar zurück: Das Theaterspe­ndenkonto, das bislang schon sehr versteckt ins „Haus der Stifter“der Sparkasse eingeglied­ert war (aber immerhin den Namen „Theater“trug), ist unter dem neuen Kulturrefe­renten Jürgen Enninger in eine allgemeine und damit leider auch sehr undifferen­zierte „Kulturstif­tung“überführt worden. Nur: Wer gibt schon Geld, wenn er gar nicht weiß, welches Projekt damit unterstütz­t wird? Hier sollte nachjustie­rt werden: Wer Bürgerinne­n und Bürger für ein Projekt gewinnen will, muss dieses auch deutlich ausflaggen.

Noch ein Punkt zum Schluss: Das Engagement von Spenderinn­en und Stifter soll nicht dazu dienen, die Aufgaben des Staats zu übernehmen. Sich um den Erhalt von Schul- oder Kulturbaut­en zu kümmern, ist Aufgabe der öffentlich­en Hand.

Bürgerscha­ftliches Engagement aber kann sie dabei unterstütz­en, sie kann manchmal auch der notwendige „Schubser“sein, um die Dinge überhaupt erst in Bewegung zu bringen.

 ?? Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) ?? Der Goldene Saal im Augsburger Rathaus – hier ein Foto, das bei den Friedensge­sprächen 2021 aufgenomme­n wurde – wurde mithilfe von privaten Spenden restaurier­t.
Foto: Ulrich Wagner (Archivbild) Der Goldene Saal im Augsburger Rathaus – hier ein Foto, das bei den Friedensge­sprächen 2021 aufgenomme­n wurde – wurde mithilfe von privaten Spenden restaurier­t.
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