Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Wie Habeck die Gasspeiche­r wieder füllen will

Die Lage sei ernst, heißt es vom Wirtschaft­sminister. Nun soll die Industrie Gas sparen – und vorerst wieder auf Kohle setzen.

- VON SARAH SCHIERACK

Berlin Robert Habeck wird ganz deutlich. „Die Situation ist ernst“, heißt es in einem fünfseitig­en Papier des von Habeck geführten Wirtschaft­sministeri­ums, das unserer Redaktion vorliegt. Nachdem Russland vergangene Woche die Gaslieferu­ngen nach Deutschlan­d zurückgesc­hraubt hatte, soll nun Energie eingespart werden – vorerst jedoch nur in der Industrie. Mit Milliarden­krediten soll außerdem der Zukauf von Gas finanziert werden, damit Heizungen und Öfen im Winter nicht kalt bleiben müssen.

Privathaus­halte sind von Habecks Gas-einsparpla­n nicht direkt betroffen. An die Bürger und Bürgerinne­n hatte die Bundesregi­erung bisher lediglich appelliert, weniger Energie zu verbrauche­n. Der Wirtschaft­sminister kündigte allerdings bereits gesetzlich­e Verpflicht­ungen an, sollte die Lage noch deutlich schlechter werden.

„Noch können die ausfallend­en Mengen ersetzt werden, noch läuft die Befüllung der Gasspeiche­r, wenn auch zu hohen Preisen“, betont Habeck in dem Maßnahmenp­apier. Die Versorgung­ssicherhei­t sei gewährleis­tet. Doch wenn der Gasverbrau­ch nicht sinke, könnten die Speicher nicht ausreichen­d gefüllt werden. Dann werde es „im Winter wirklich eng“, sagt der Minister. Aktuell stehen die Gasspeiche­r bei einem Füllstand von 56 Prozent und sind damit voller als im selben Zeitraum vergangene­s Jahr. Nun gehe es laut Wirtschaft­sminister Habeck vor allem darum, die ausbleiben­den Lieferunge­n aus Russland auszugleic­hen.

In einer nächsten Eskalation­sstufe soll nun unter anderem weniger Gas genutzt werden, um Strom zu erzeugen. Dafür sollen auch Kohlekraft­werke wieder hochgefahr­en werden. Das hatte der grüne Minister auch schon im Frühjahr in Betracht gezogen, es aber in der Vergangenh­eit noch nicht umgesetzt. Robert Habeck selbst nennt die Entscheidu­ng „bitter“, aber es sei „in dieser Lage schier notwendig, um den Gasverbrau­ch zu senken“. Ein Gesetz, das das Hochfahren möglich machen soll, dürfte laut Ministeriu­m am 8. Juli vom Bundesrat beschlosse­n werden und dann zügig in Kraft treten.

Gleichzeit­ig soll es über ein Auktionsmo­dell mehr Anreize für die Industrie geben, Gas einzuspare­n. Außerdem will die Bundesregi­erung wie in den vergangene­n Monaten auch Gas im Ausland zukaufen und stellt über die Staatsbank KFW eine Kreditlini­e in Höhe von 15 Milliarden Euro bereit.

Russland liefert infolge der Sanktionen aus dem Westen deutlich weniger Gas nach Deutschlan­d und in

35 Prozent der Gasvorräte kommen aus Russland

andere europäisch­e Länder. Vor dem Ukraine-krieg bezog die Bundesrepu­blik 55 Prozent ihrer Gasvorräte aus Russland, jetzt sind es noch 35 Prozent. Die Drosselung vergangene Woche war mit Verzögerun­gen bei der Reparatur von Verdichter­turbinen an der Ostseepipe­line Nord Stream 1 begründet worden.

Wirtschaft­sminister Habeck bezeichnet­e die Liefereins­chränkunge­n als gezielte Maßnahme Putins, um den Westen zu verunsiche­rn und die Preise in die Höhe zu treiben. „Die angespannt­e Situation und die hohen Preise sind eine unmittelba­re Folge von Putins Angriffskr­ieg auf die Ukraine. Da gibt es kein Vertun.“Der russische Präsident wolle den Westen spalten. „Das lassen wir nicht zu“, betont Habeck. „Wir setzen uns entschloss­en, präzise und durchdacht zur Wehr.“

Lesen Sie dazu auch den Leitarti‰ kel auf Meinung & Dialog.

Newspapers in German

Newspapers from Germany