Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Jetzt wird es schwer für Macron
Das Bündnis des Präsidenten verliert die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung. Rechte wie Linke legen zu. Frankreichs Regierung ist künftig von der Opposition abhängig.
Paris Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und sein Wählerbündnis sind die großen Verlierer nach der Endrunde der Parlamentswahlen. Die Allianz „Ensemble!“, übersetzt „Gemeinsam!“, die Macrons Partei mit anderen liberalen Bewegungen geschlossen hatte, bleibt zwar stärkste politische Kraft. Doch sie erhielt ersten Hochrechnungen zufolge nur rund 230 Mandate in der Nationalversammlung und verfehlte damit die absolute Mehrheit von mindestens 289 der 577 Sitze. Vor fünf Jahren hatte sie sich die Vormachtstellung noch gesichert; seither aber verloren Macron und seine Partei viel Zustimmung in der Bevölkerung. Seine Wiederwahl zum Präsidenten im April war auch bedingt durch fehlende überzeugende Alternativen. „Wir haben schon bessere Abende erlebt“, räumte Regierungssprecherin Olivia Grégoire am Sonntagabend ein. Ihr Lager einen „enttäuschenden ersten Platz, aber immerhin einen ersten Platz“errungen.
Oft haben die Umfragen in Frankreich die Rechtsextremen im Vorfeld überschätzt – bei der Parlamentswahl trat das genaue Gegenteil ein. Der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen triumphierte ebenso eindeutig wie überraschend. Bislang hatte die Partei nicht einmal eine Fraktion in der Nationalversammlung bilden können, für die mindestens 15 Abgeordnete nötig sind. Nun erreichte der RN ersten Auszählungsergebnissen zufolge 85 Mandate – zehn Mal mehr als bei der letzten Wahl. Auch die bisherige Parteichefin Le Pen, die den Vorsitz seit der Präsidentschaftswahl an ihren bisherigen Stellvertreter Jordan Bardella abgegeben hat, errang einen Sitz in ihrer nordfranzösischen Hochburg Hénin-beaumont.
Offenbar kam die hohe Stimmenthaltung von 54 Prozent den Rechtsextremen entgegen. Viele Menschen hatten der Wahl mit Lustlosigkeit oder Gleichgültigkeit entgegengesehen.
Das Linkbündnis Nupes, eine Abkürzung für „Neue ökologische und soziale Volks-union“, konnte die eigenen hohen Erwartungen nicht erfüllen. Der neue Zusammenschluss aus Linkspartei, Sozialisten, Grünen und Kommunisten hatte auf eine eigene absolute Mehrheit gehofft, um selbst den Premierminister zu stellen. Den Anspruch darauf hatte der Linkspopulist Jeanluc Mélenchon erhoben. Damit ist der 70-Jährige gescheitert. Dennoch hat seine Initiative dem linken Lager wieder mehr Bedeutung verschafft.
Für Macron dürfte das Regieren künftig deutlich schwieriger werden, denn er wird von der Zustimmung oppositioneller Parteien abhängig sein, um Mehrheiten für seine Gesetze zu bekommen. Darüber hinaus ist er ohnehin auf seine Partner angewiesen, ohne die seine eigehabe ne Partei nur 154 Sitze errungen hätte. Am wahrscheinlichsten ist, dass Macron, beispielsweise bei der Umsetzung der umstrittenen Rentenreform, Allianzen mit den konservativen Republikanern suchen wird. Diese holten rund 76 Sitze – das sind zwar weniger als bisher, aber sie sicherten nach dem enttäuschenden Ergebnis von 4,8 Prozent bei den Präsidentschaftswahlen doch ihre politische Zukunft.
Trotz nur noch relativer Mehrheit für das Macron-lager werden Deutschland und Europa weiter mit einem verlässlichen Partner rechnen können – auch beim Vorgehen gegen Russland. In Frankreich warten wichtige Projekte auf die Umsetzung: Angemahnt werden Verbesserungen im Bildungs- und Gesundheitswesen, die Menschen warten auf Kaufkrafthilfen in der Krise und viele wollen energischere Schritte gegen den Klimawandel. Außerdem will Macron das Renteneintrittsalter auf 65 Jahre anheben.