Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)
Krieg, Krise und Klimawandel
Das Warten hat sich gelohnt: Erwin Pelzig bearbeitet den „wunden Punkt“.
Das tut weh, wirklich weh. Wenn Frank-markus Barwasser einen Schwachpunkt in unserer Gesellschaft ausmacht, dann genügt es ihm nicht, ihn zu benennen. Nein, genüsslich lässt er sein Kabarett-alter-ego Erwin Pelzig in der Wunde wühlen, bis all die Widersprüche, Ungerechtigkeiten und Dummheiten, mit denen wir uns im Alltag herumschlagen müssen, auf ihren Kern herausgearbeitet sind. Aber lustig ist es eben auch, wie Pelzig vor uns die komplexe Welt mit all ihren schmerzhaften Kränkungen auffächert.
„Der wunde Punkt“heißt das neunte Bühnenprogramm des Würzburger Kabarettisten. Das Warten auf den verschobenen Auftritt hatte sich gelohnt, denn der ebenso sensible wie intelligente Franke arbeitete sich am Irrsinn, der uns umgibt, auf eine kluge, bereichernde Weise ab, die das Publikum in der fast ausverkauften Stadthalle Gersthofen nach zwei Stunden mit Begeisterungsstürmen honorierte.
Sein Pelzig, rustikal in Karohemd, Janker und Hüdli gekleidet, ist längst nicht mehr der bauernschlaue Kleinbürger, als den er ihn vor fast 30 Jahren erschaffen hatte. Trotzdem ist er die Würdigung des „Kleinen Mannes“, der sich eben so seine Gedanken zu Diktatoren, Metoo, Virus und Klimakrise macht und einfach nicht aufhört zu fragen, auch wenn es so wunderbar einfache Antworten (nicht nur im Internet) gäbe. Seine Erkenntnisse präsentiert er gern mit einem vorangestellten „Aufgemerkt!“, und tatsächlich lohnt es sich, genau hinzuhören, wenn er sich in Rage redet.
Pelzig, erklärter Stoiker, „der die schlimmsten Katastrophen jederzeit für möglich hält“, zitiert gern seinen Nachbarn Lutz, der als „Verschwörungsverschwurbler“die bösesten Kräfte an der Macht sieht und „Normalität einfordert“.
Doch am Ende der Pandemie haben wir jetzt statt „Normalität“Krieg, Krise und Klimawandel – das entlarvt die Leugnerparolen als leeres Gerede von „der guten alten Zeit“. Denn: Auch am Krieg sind wir „fossilen Junkies“ja beteiligt, wenn unser Gashunger die russische Kriegskasse füllt.
„Gekränkte Seelen sind gefährlich!“, besonders in der Politik. Wobei es da vor allem der kopflose Irrsinn ist, der uns begegnet. Dass der Mensch nicht „die Krone der Schöpfung“ist, sehen wir im menschlichen Erbgut beim winzigen Unterschied, mit dem er sich vom Affen unterscheidet – was besonders die Rassisten kränken muss, denn im Großen und Ganzen „sind alle Menschen heute miteinander verwandt, selbst mit Alexander Gauland“.
In immer schneller gesprochenen Wortkaskaden zählte der Kabarettist die gerne verdrängten Hintergründe auf, empörte sich und reagierte schließlich wieder mit stoischem Achselzucken. Oder leitete zum bewährten Stammtisch über mit dem konservativen Klugscheißer Dr. Göbel, der sich mit dem grobschlächtigen Hartmut über die Kränkungen der Kindheit stritt und damit befreites Lachen erntete.