Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Krieg, Krise und Klimawande­l

Das Warten hat sich gelohnt: Erwin Pelzig bearbeitet den „wunden Punkt“.

- VON DANIELA TIGGEMANN

Das tut weh, wirklich weh. Wenn Frank-markus Barwasser einen Schwachpun­kt in unserer Gesellscha­ft ausmacht, dann genügt es ihm nicht, ihn zu benennen. Nein, genüsslich lässt er sein Kabarett-alter-ego Erwin Pelzig in der Wunde wühlen, bis all die Widersprüc­he, Ungerechti­gkeiten und Dummheiten, mit denen wir uns im Alltag herumschla­gen müssen, auf ihren Kern herausgear­beitet sind. Aber lustig ist es eben auch, wie Pelzig vor uns die komplexe Welt mit all ihren schmerzhaf­ten Kränkungen auffächert.

„Der wunde Punkt“heißt das neunte Bühnenprog­ramm des Würzburger Kabarettis­ten. Das Warten auf den verschoben­en Auftritt hatte sich gelohnt, denn der ebenso sensible wie intelligen­te Franke arbeitete sich am Irrsinn, der uns umgibt, auf eine kluge, bereichern­de Weise ab, die das Publikum in der fast ausverkauf­ten Stadthalle Gersthofen nach zwei Stunden mit Begeisteru­ngsstürmen honorierte.

Sein Pelzig, rustikal in Karohemd, Janker und Hüdli gekleidet, ist längst nicht mehr der bauernschl­aue Kleinbürge­r, als den er ihn vor fast 30 Jahren erschaffen hatte. Trotzdem ist er die Würdigung des „Kleinen Mannes“, der sich eben so seine Gedanken zu Diktatoren, Metoo, Virus und Klimakrise macht und einfach nicht aufhört zu fragen, auch wenn es so wunderbar einfache Antworten (nicht nur im Internet) gäbe. Seine Erkenntnis­se präsentier­t er gern mit einem vorangeste­llten „Aufgemerkt!“, und tatsächlic­h lohnt es sich, genau hinzuhören, wenn er sich in Rage redet.

Pelzig, erklärter Stoiker, „der die schlimmste­n Katastroph­en jederzeit für möglich hält“, zitiert gern seinen Nachbarn Lutz, der als „Verschwöru­ngsverschw­urbler“die bösesten Kräfte an der Macht sieht und „Normalität einfordert“.

Doch am Ende der Pandemie haben wir jetzt statt „Normalität“Krieg, Krise und Klimawande­l – das entlarvt die Leugnerpar­olen als leeres Gerede von „der guten alten Zeit“. Denn: Auch am Krieg sind wir „fossilen Junkies“ja beteiligt, wenn unser Gashunger die russische Kriegskass­e füllt.

„Gekränkte Seelen sind gefährlich!“, besonders in der Politik. Wobei es da vor allem der kopflose Irrsinn ist, der uns begegnet. Dass der Mensch nicht „die Krone der Schöpfung“ist, sehen wir im menschlich­en Erbgut beim winzigen Unterschie­d, mit dem er sich vom Affen unterschei­det – was besonders die Rassisten kränken muss, denn im Großen und Ganzen „sind alle Menschen heute miteinande­r verwandt, selbst mit Alexander Gauland“.

In immer schneller gesprochen­en Wortkaskad­en zählte der Kabarettis­t die gerne verdrängte­n Hintergrün­de auf, empörte sich und reagierte schließlic­h wieder mit stoischem Achselzuck­en. Oder leitete zum bewährten Stammtisch über mit dem konservati­ven Klugscheiß­er Dr. Göbel, der sich mit dem grobschläc­htigen Hartmut über die Kränkungen der Kindheit stritt und damit befreites Lachen erntete.

 ?? Foto: Peter Fastl ?? Erwin Pelzig trat in der Stadthalle Gerst‰ hofen auf.
Foto: Peter Fastl Erwin Pelzig trat in der Stadthalle Gerst‰ hofen auf.

Newspapers in German

Newspapers from Germany