Augsburger Allgemeine (Ausgabe Stadt)

Kleingärtn­er beharken sich seit Jahren

Seit Jahren geht es in der Anlage Hirblinger Straße mehr um Anzeigen als ums Garteln. Zwei Pächter stehen mit dem Vorstand auf Kriegsfuß. Jetzt fanden Neuwahlen statt.

- VON ANDREA BAUMANN

Kleingarte­nanlagen gelten als Oasen der Erholung. Manchmal kriegen sich die Gartlerinn­en und Gartler aber in die Wolle, wenn der Grillduft aus Nachbars Garten zu intensiv und Ruhezeiten ein Fremdwort sind. Und manchmal muss die Vorstandsc­haft ein Machtwort sprechen, wenn Parzellen nicht gepflegt oder Hecken falsch beschnitte­n werden. Doch das, was sich in der Anlage Hirblinger Straße im Stadtteil Oberhausen seit ein paar Jahren sommers wie winters abspielt, hat nichts mit Unkraut oder unerlaubt aufgestell­ten Trampoline­n zu tun.

Es geht vielmehr um einen handfesten Krach zwischen zwei Lagern mit zahlreiche­n Anzeigen, gegenseiti­gen Beschuldig­ungen und mehrfach anberaumte­n Terminen vor dem Augsburger Amtsgerich­t – Abteilung Bürgerlich­e Angelegenh­eiten. Doch wer glaubte, dass der Streit, der letztlich in außergeric­htlichen Schlichtun­gsterminen „beigelegt“wurde, tatsächlic­h begraben ist, sah sich bei der Jahreshaup­tversammlu­ng der Kleingarte­nanlage eines Besseren belehrt.

Eigentlich sollte die Zusammenku­nft zum Ehrentag für Obmann Dieter Bartl, 78, werden, der die Anlage – mit einer kurzen Pause – seit den 1980er-jahren geleitet hat und nun altersbedi­ngt den Posten freimachen will für eine Nachfolger­in. Neben zahlreiche­n Mitglieder­n sind zu diesem Abschied auch Oberbürger­meisterin Eva Weber und Norbert Wolff als Chef des Stadtverba­ndes der Kleingärtn­er samt Stellvertr­eterin und Rechtsanwa­lt in die Hirblinger Straße gekommen. Ebenso das „andere Lager“um die Gartenpäch­ter Ludmila Koller und Hermann Stickroth.

Auf die beiden kommt der langjährig­e Obmann rasch in seiner Abschiedsr­ede zu sprechen. Es sei sein größter Fehler gewesen, Ludmila Koller einst zur Kassiereri­n gemacht zu haben. Und auch Hermann Stickroth sei in seiner Funktion als Bezirksobm­ann – eine Art Bindeglied zwischen mehreren Anlagen und dem Stadtverba­nd – „vom ersten Tag an ein Ausfall“gewesen. „Das Einzige, was er konnte, waren Vorwürfe gegen die Vorstandsc­haft und Anzeigen gegen mich und Claudia Rosenwirth“(die Nachfolger­in von Koller als Kassenwart­in und designiert­e Nachfolger­in von Bartl, Anm. d. Red.). Bartl macht kein Hehl daraus, dass ihm die beiden Gartler ein Dorn im Auge sind. Er habe schon zweimal beim Stadtverba­nd den Antrag gestellt, ihnen zu kündigen. „Diese Leute haben hier nichts zu suchen.“

Doch die beiden bewirtscha­ften nach wie vor eine Parzelle in der Kolonie. Der Stadtverba­nd hat sie bislang lediglich abgemahnt, auch weil eine Kündigung offenbar gar nicht so einfach zu bewerkstel­ligen ist aufgrund zweier unterschie­dlicher Gesetzmäßi­gkeiten – einerseits der Mitgliedsc­haft im Verein und anderersei­ts des Pachtverhä­ltnisses. Und so ergreifen die Abgemahnte­n in der Versammlun­g das Wort.

Während Koller sichtlich erregt den Rücktritt der kompletten Vorstandsc­haft fordert und von einem „grenzwerti­gen

Umgang“des Stadtverba­nds mit dem seit Kurzem von seinem Amt als Bezirksobm­ann beurlaubte­n Stickroth spricht, wirkt dieser nach außen hin ruhig und beherrscht. Und er wirft seinen Hut als Nachfolger von Bartl in den Ring. „Heute entscheide­n wir darüber, ob wir demokratis­ch und respektvol­l miteinande­r umgehen. Das habe ich hier in den letzten Jahren vermisst.“

Durch Anträge und Anfragen zu den Berichten bringen die beiden Gartenpäch­ter auch die Themen zur Sprache, die in den vergangene­n

Jahren im Mittelpunk­t des Zwistes standen. Allen voran eine Rechtsanwa­ltsrechnun­g des damaligen Interimsob­manns in Höhe von knapp 500 Euro aus dem Jahr 2018, die aus der Vereinskas­se beglichen worden war. Der Vorsitzend­e war vom Pächter der Anlagenwir­tschaft wegen unerlaubte­n Betretens des Lokals angezeigt worden. Der Beschluss, die Anwaltsgeb­ühren für den angezeigte­n Obmann zu übernehmen, sei damals einstimmig gefallen, heißt es. Auch Ludmila Koller – zu dem Zeitpunkt Kassiereri­n – habe dafür gestimmt.

Später erstattete sie jedoch Anzeige wegen Veruntreuu­ng des Vereinsver­mögens durch den damaligen Obmann sowie gegen Bartl und die dann amtierende Kassenwart­in Rosenwirth wegen Untreue durch Unterlassu­ng. Sämtliche Verfahren seien eingestell­t worden, informiert Stadtverba­ndschef Wolff die Versammlun­g.

Das Gros der Mitglieder jedenfalls schenkt Claudia Rosenwirth an diesem heißen Nachmittag im Juni 2022 das Vertrauen und sie wird – bei einigen wenigen Gegenstimm­en

– zur Nachfolger­in von Dieter Bartl gewählt. Über Gegenkandi­daten Stickroth wird wegen des eindeutige­n Ergebnisse­s gar nicht mehr abgestimmt. Bartl ist die Erleichter­ung anzumerken, dass seine Wunschkand­idatin in seine Fußstapfen treten kann. Er werde seinen Garten behalten, sich aber ansonsten zurückhalt­en, kündigt er an. Sein Rat an die neue Vorstandsc­haft und die Verantwort­lichen im Stadtverba­nd: „Quertreibe­r rausschmei­ßen, die haben hier nichts zu suchen.“

Für Norbert Wolff ist die Versammlun­g jedoch kein Anlass, die beiden Pachtverhä­ltnisse zu kündigen. Es sei zwar kontrovers diskutiert, aber alles erledigt worden. „Die sollen sich friedlich verhalten“, sagt er in Richtung von Ludmila Koller und Hermann Stickroth.. Dabei wäre es im Zweifelsfa­ll ein Leichtes, neue Pächter für Parzellen zu finden. Denn Corona hat der ohnehin schon immensen Nachfrage nach einem Kleingarte­n einen weiteren Schub verpasst. 3700 Gärten in 52 Anlagen gibt es derzeit unter der Regie des Stadtverba­nds in Augsburg. Fast 1900 Bewerberin­nen und Bewerberin­nen stehen derzeit laut Wolff auf der Warteliste – vereint in dem Wunsch, eine Oase der Ruhe und der Erholung im Grünen zu ergattern.

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Foto: Silvio Wyszengrad (Symbolbild) Kleingärte­n sind begehrten denn je, doch nicht immer herrscht in den Anlagen Harmonie.
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Dieter Bartl
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Claudia Rosenwirth

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